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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/148

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die Regierungsgewalt, sey es unter welcher Aufschrift, firmirt. Eine widerliche Polizeiwirthschaft kränkte und verletzte das Bewußtseyn des Menschen, wie des Bürgers. Tiefer Mißmuth durchdrang das ganze Volk; – er barg sich unter der Maske der Gleichgültigkeit und – schwieg.

Da kam das Jahr 1830 und mit der Juliussonne das erste Wiedererwachen der Völker. Der Geist, welcher in Frankreich den restaurirten Absolutismus niederwarf und die alten Bourbonen vom Throne und aus dem Lande jagte – dieser Geist sprengte auch in der Schweiz die Fesseln, in welchen man ihn schon erwürgt zu haben wähnte. Im Aargau, wo der Zunder durch das Aristokratenregiment hoch aufgehäuft lag, fehlte nur der Funke, um den Ausbruch des Volksunwillens zu veranlassen und dem freiheitsmörderischen Unwesen ein Ende zu machen. Aber ein politisch gebildetes Volk erhebt den Arm nur auf gesetzlichem Anlaß. Dieser fand sich, als es in berufenen Urversammlungen zur neuen zwölfjährigen Wahl seiner Stellvertreter schreiten sollte. Das Volk wählte nicht: es forderte vielmehr Aenderung der durch das aristokratische Element verfälschten Verfassung kraft seiner in ihm ruhenden Landesherrlichkeit! Die Aristokratie sah den Sturm herankommen. Sie gab nach, und forderte das Volk auf, eine constituirende Versammlung zu berufen; behielt sich jedoch das Recht der Revision und Genehmigung des beschlossenen Verfassungsentwurfs vor. Diese Falle war zu plump – und das entrüstete Volk machte nun mit der Herrschaft der Aristokraten kurzen Prozeß. Im Freiamt, im Aarthal, im Frickthal traten die Milizen unter die Waffen. Die Regierung rief die Truppen zu ihrem Schutz. Diese kamen: sie erklärten aber, sie würden gegen ihre Mitbürger, die in ihrem Rechte seyen, keinen Säbel ziehen und keinen Schuß thun. Zitternd gehorchten sodann die entmuthigten Machthaber den Geboten des von verständigen Patrioten geleiteten Aufstands. Truppen und Milizen zogen in die Heimath zurück; ruhig trat der gesetzmäßig berufene Verfassungsrath zusammen und vollendete sein Werk am 15. April 1831. Seitdem lebt das Aargauer Volk im Genusse der Freiheit, die Willkür der Beamten ist gänzlich gebrochen, die Staatsgewalten sind scharf abgewogen und kontrollirt, die Wiederkehr der frühern Bedrückungen ist unmöglich gemacht, die Presse ungefesselt, die öffentliche Meinung stark, die Verwaltung wohlgeordnet, das Staatsvermögen groß und wachsend. Ein zufriedenes, glückliches, kräftiges Leben ists, und die Reibungen der Parteien dienen nur dazu, es vor Erschlaffung zu behüten.


Aarau selbst, die Hauptstadt, entspricht dem von der Republik entworfenen Bilde. Bei der Gründung des Staats war es ein kleines, ummauertes Städtchen ohne Gewerbsfleiß und Verkehr; und die Zahl der Einwohner war weniger als 2000. Längst hat es seitdem die Zwangsjacke ausgezogen, den alten Stadtkern mit schönen Straßen und Anlagen umzogen und seine Bevölkerung auf das Dreifache vermehrt. Es ist das rechte Herz des