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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/15

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ewige Schöpfungskraft, wir sinken vor dir in den Staub und unser Kalkül endigt, wie die einfache Natur-Betrachtung des Kindes dieser Regionen – des rothen Menschen, – in stille Bewunderung und Anbetung!

Und so führt der warme Forschungseifer des gebildeten Menschen überall, wo er in das Geheimniß der Schöpfung zu dringen versucht mit den Waffen der Wissenschaft und des Verstandes, allezeit an eine Grenze, wo er nicht weiter kann und er so rathlos da steht, als der Wilde, den Pfeil und Speer und die Kraft und das Geschick seines Arms zum Herrn der Natur macht, die ihn umgibt. Wir können in der Geschichte der Schöpfung nicht weiter lesen, als uns ihre Blätter offen liegen; ihre meisten sind verklebt und bleiben uns ein Geheimniß. Können wir jedoch auch die Gesetze ihres Waltens nicht allwärts ergründen, und sind wir auch schlechte Rechenmeister vor so vielen Exempeln, deren Lösung sie uns aufgibt – so spendet sie doch ihren Forschern und Freunden unendlichen Genuß und lohnt Alle mütterlich, die ihr mit Liebe und offenem Blick entgegen kommen und nicht bloß phantastisch in die Leere schweifen. Viele ihrer Gesetze, die ihre Erscheinungen regeln, sind uns klar, und jedes Lustrum läßt entweder neue entdecken, oder durch neue Wahrheiten die alten bestätigen. Wie einfach sind diese Gesetze, und wie wenig zahlreich sind die leitenden und wirkenden Kräfte für die unendliche Mannichfaltigkeit der Erscheinungen in Gottes Schöpfung! Alles Harmonie und Schönheit; alles Folgerichtigkeit und Unwandelbarkeit, und doch gleichzeitig Ringen nach Licht und Freiheit. So ist’s im Kleinsten, wie im Größten, im Weltkörper, wie im winzigen Wassertropfen, im Flechtenmoose, das den verwitterten Stein kleidet, wie in der Kokospalme des Sonnenlandes. Wenn doch alle Menschen in die immer offenen Pforten der Natur eintreten möchten, dann würde keiner vergeblich nach dem Gott der Liebe suchen, den er in den kalten Tempeln mit den steinernen Altären nicht findet. Dort fände auch der Mensch sich selbst wieder, den Menschen, der verloren ging in dem Labyrinthe und in den Einöden der Gesellschaft.

Ja – in ihren Einöden! – „Es verfolgt“, – so schließe ich mit den Worten Alexanders von Humboldt diesen Aufsatz, – „den Wanderer über den weiten Erdkreis, über Meer und Land, wie den Geschichtsforscher durch alle Jahrhunderte, das einförmige, trostlose Bild des entzweiten Geschlechts. Darum versenkt, wer im ungeschlichteten Streit der Völker nach Ruhe strebt, gern den Blick in das stille Leben der Pflanzen und in der heiligen Naturkraft inneres Wirken; oder, hingegeben dem angestammten Triebe, der seit Jahrtausenden die Menschenbrust durchglüht, blickt er ahnungsvoll aufwärts zu den hohen Gestirnen, welche in ungestörtem Einklange die alte Bahn vollenden“.