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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/152

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die manchen Goldgräber über Nacht zum reichen Mann machen, die Bevölkerungen der Oststaaten der nordamerikanischen Union beständig in fieberhafte Spannung. Seit drei Jahren verlassen in jedem Lenze Tausende auf Tausende Haus und Hof, Handel und Gewerbe, ein gutes Auskommen, Freunde und Verwandte, und wandern fort zwei tausend Meilen weit über die Prairie und durch wilde unwegsame Gebirge nach dem fernen Westen, um dort in den kulturlosen Thälern und Schluchten Kaliforniens, ein Leben voller Entbehrungen, Gefahren und Mühsal zu führen. Die Gewißheit desselben liegt auf der einen Wagschale, auf der andern die Hoffnung, – die kümmerliche Hoffnung, einige Pfund Gold aus dem Schlamm zu klauben; eine Hoffnung zumal, die erst Einem unter Zehn ganz erfüllt wird. Denn es ist eine Thatsache, daß der Taglöhner in San Franzisko oder San Sakramento durchschnittlich mehr erwirbt, als der Abentheurer im Gebirge, welcher Gesundheit und Leben auf das Spiel setzt. Es gibt keine härtere Arbeit und kein entbehrungsreicheres Leben, als das, welches der Goldwäscher in Kalifornien führt.

Unser Bild ist die treue Darstellung der Goldwäschen am Mokelumne-River, eines der goldreichsten Flüsse der Sierra und sein Thal ist das anmuthigste der ganzen Gegend. Aber die Schönheit desselben bleibt ungenossen; denn für den Goldwäscher hat die Natur keine Reize. Sein Sinn ist nur auf die Vorstellungen des Reichthums gerichtet, welchen er im Grunde des klaren Stroms oder unter der grünen Decke seiner Ufer vermuthet. – Wer steht dort im Wasser bis an den Gürtel, und wer ist Jener, der den Boden umwühlt vom Morgen bis zum Abend? Wähne nicht, es seyen Menschen, die vom Pfluge kommen oder Bergleute, gewöhnt so harter Arbeit; jener ist ein Arzt aus Boston; dieser mit dem verfilzten Haar und den abgerissenen Kleidern, die seit Monaten nicht von seinem Leibe kamen, ist ein junger Kaufmann aus New-York, ein ci-devant Liebesgott hinterm Ladentisch, der die Augen mancher Dame entzückte. Solcher Metamorphosen begegnet man auf jedem Schritt in den Goldregionen und das abschreckendste Aeußere verhüllt oft Menschen von höherer Bildung. Ein niedriges luftiges Zelt ist ihr Haus, die wollene Decke auf dem feuchten Boden ihr Bett, die selbstgekochte, schlechte Mehlsuppe, welche in den abgelegenern Thälern oft nicht einmal für Gold zu haben ist, ihr tägliches Mahl!

Aber was als Goldkörner Tausende in der Einöde mühselig sammeln unter den härtesten Entbehrungen – das, vereinigt zum breiten Goldstrom und ausgegossen über die Städte und Länder der Erde, befruchtet den Schooß der Civilisation mit neuen Lebenskeimen, und von der Entwicklung derselben wird die Geschichte noch viel zu erzählen haben.