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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/16

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DCLXV. L’Hotel des Princes in Paris.




Paris ist der Himmel, Paris ist die Hölle; Ihr dürft Beides für Wahrheit halten. Zur ewigen Seligkeit führt nur ein enger, steiler Pfad für die Wenigen. Der andere Weg ist die ebene, breite Straße, und daß ihn die Menge wandert, kann um so weniger Wunder nehmen, da auf demselben Vergnügen und Genuß die Führer sind. An keinem Ort der Erde schäumt das Leben feuriger, brennender, siedender, und funkelt’s und knistert’s und verzehrt sich’s in sprühendern Flammen. In dieser großen Werkstatt des Genusses ist die Gesellschaft beständig auf der Rennbahn. Vergnügen ist das Ziel, und ist eins erjagt, so jagt sie dem andern nach. Um des Vergnügens willen stiehlt der Dieb, trügt der Gauner, bettelt der Arme; um sich einen lustigen Sonntag oder blauen Montag zu machen, unterzieht sich der Arbeiter den nächtlichen Anstrengungen, und der Kleinbürger, der Boutiquier messen ihren Erwerb nach dem Vergnügen, daß er ihnen verschaffen wird; gegen Vergnügen verwechseln der Kaufmann und der Habitué der Börse das Gold, das ihnen die Spekulation und das Glück gegeben; Vergnügen lacht dem Rentier aus seinen Obligationen und Aktien, seinen Coupons und Dividendenscheinen entgegen, und der Beamte, der Offizier der Literat, der Künstler hält sein Bureau, seine Epauletten, seine Feder, seine Palette, seinen Meisel nach der Masse des Vergnügens werth, zu dem sie die Mittel beibringen. Bar des Vergnügens hätte der Altar keine Priester, das Gericht keinen Richter, die Assise keinen Vertheidiger, der Kranke keinen Arzt; bar des Vergnügens wären die Legislatur ohne Gesetzgeber, die Ministerien ohne Minister, der Staat ohne Haupt; denn das Alpha und Omega der ganzen gesellschaftlichen Natur des Parisers sind Vergnügen und Genuß. Er interessirt sich so lange für Alles, als es den Reiz des Vergnügens bei sich führt; hört es auf, ihn zu amüsiren, so erlischt auch seine Theilnahme dafür. An der Hand des Vergnügens hingegen ist ihm jede Erscheinung, jedes Ereigniß,