| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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So stellt sich meinem Blicke Derjenige dar, welcher heute einzog in das „Haus des Schicksals“ das Zepter des Imperators und das Schwert des Autokraten in den Händen. Ein Glück für die Welt, wenn das Bild nicht mehr ist als ein Trugbild meiner Phantasie.
Auf ein anderes Feld der Betrachtung treten wir, wenn wir die Frage erörtern: Hat Ludwig Napoleon eine Chance für das Gelingen seiner Pläne? – Hier haben wir es nicht mit seiner Persönlichkeit allein, – sondern zugleich mit den Thatsachen und der Gewalt der Situation zu thun, in welcher er sich befindet und in die er sich versetzt hat. Ich spreche unbedenklich, weil mit voller Ueberzeugung, den Glauben aus: Ludwig Bonaparte hat keine Chance. Er hat keine, nicht trotzdem daß er den Kaiserthron bestieg, sondern weil er ihn erklimmte und erklimmt hat durch alle macchiavellistischen, ich will nicht sagen diabolischen Künste. Er hat seine Mittel mit meisterhaftem Geschick benutzt: Mephistopheles selbst hätte es nicht klüger und hinterlistiger thun können: aber die Tragweite dieser Mittel war der Kaiser, und mit Erreichung dieses Ziels ist sie erschöpft. Der Allen Alles versprochen hat, um sich Stimmen zu verschaffen, muß nothwendig Allen Täuschungen bereiten. Auf der Spitze seines Ehrgeizes, auf dem Throne, steht er isolirt wie auf dem Gipfel einer Pyramide, – einsam, ohne Rückhalt. Er hat seinen Thron mit gemeinen Werkzeugen, inspirirt von gemeinen Leidenschaften, umgeben, – mit bloßen Sklaven seines Willens. Es hilft ihm nichts, daß er sie mit den hohltönenden Titulaturen: – Senat, Repräsentanten, Ministerien bekleidet. Er hat die Legislative so tief herabgewürdigt, daß sie bloß einen verspotteten Bedientenschwarm vorstellt, der dem Lande Millionen kostet, der Regierung aber keine Stütze bietet. Seine Minister sind Kommis und sie werden von ihm wie Kommis behandelt; sie, wie die Legislativen, sind nur beständige Elemente des Hasses und der Verachtung, die auf den Stufen des Thrones knieen. Er hat die Armee als blindes Werkzeug seiner Pläne gebraucht und ihre Ehre in Frage gestellt; ihre Sympathieen sind zusammengeschrumpft zum Gehorsam, den die strenge Disciplin erzwingt und zusammenhalten wird, bis sie – bricht. Die Träger ihres Ruhms und ihres Stolzes, die vorzüglichsten Generale, sind verbannt, oder entfernt; sie sind die natürlichsten, die stärksten, die unversöhnlichsten Feinde Bonaparte’s, und alle seine Gewalt kann die Gefühle der Theilnahme nicht verhindern, welche in jedem französischen Soldatenherzen für diese Helden schlagen, die keine andere Schuld an sich tragen, als die Treue für ihren Eid, welchen Bonaparte brach, und daß sie als Ehrenmänner keinen Theil haben wollen an dem meuchelmörderischen Ueberfall der Freiheit und der Republik, der, von 8 Millionen Franzosen gutgeheißen, jetzt den Kaisermantel umthut. Wie die Feldherren, so tragen auch die ersten Staatsmänner Frankreichs unversöhnliche Feindschaft im Busen gegen Den, der in seiner Person alle Gewalt und Macht des Staats vereinigte und sie selbst zur Richtigkeit verwiesen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/36&oldid=- (Version vom 20.8.2025)