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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/38

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DCLXIX. Freiburg in der Schweiz.




Wenn der gütige Himmel dem schweizer Touristen eine Ahnung der Seligkeit geben will, dann schenkt er ihm einen sonnigen, klaren Tag. Der ward auch uns, als wir an einem frischen Augustmorgen von Laupen auszogen, um durch das Sanethal nach Lausanne zu wandern. Laupen ist ein kleines Städtchen auf der Grenze des Berner und Freiburger Landes. Zwei bewaldete Bergketten bilden das Thal, welches der Fluß durchrauscht, neben dem, am rechten Gehänge hin, die Straße zieht. Die Gewittergüsse der vorhergegangenen Tage hatten die Sane angeschwollen: noch spielten ihre Fluthen mit fortgerissenen Baumstämmen, und die hier und da auf das Ufer geschobenen Stein- und Geröllmassen zeugten von Dem, was die sonst ohnmächtige Najade vermag, wenn sie zürnt. – Zwei Stunden von Laupen, an der Stelle, wo von der entgegengesetzten Berglehne die Gebäude des kleinen Badeorts Bonn herüberschauen, verändert zwar nicht die Natur, aber der Mensch Gestalt und Stimme. Die Landschaft, die Hügel und Gründe, die Wälder und Pflanzungen, die Wiesen und Felder, die Kapellen und Burgen, das Läuten der Heerden und die Chöre der kleinen Sänger, reden nach wie vor die Sprache der Idylle: der Mensch hingegen zeigt in Form, Tracht und Wesen andere Züge. Wir stehen nämlich auf der Grenzscheide, wo sich die Nachkommen und Sprachen zweier Nationen, der Allemannen und Burgunder, berühren, ohne sich in einander aufzulösen. Die Linie der Sprachentrennung zieht sich zwei Stunden unterhalb Freiburg von dem Jura herüber quer durch das Sanethal und den Kanton. Im Dorfe Barberèche hört man zuerst das Landvolk französisch reden, ein Patois, der Sprache der Pariser so unähnlich als das Schwäbische dem Hochdeutsch in Hannover. Mit der verschiedenen Sprache treten auch verschiedene Sitten, Herkommen, Gebräuche, Gesetze, eine andere Geschichte, andere Traditionen auf; denn beide Völkerschaften, Germanen und Burgunder, führen ihr Daseyn in diesen Gegenden in das urgeschichtliche Alterthum hinan; – sie hatten schon lange vor der römischen Eroberung feste Niederlassungen gegründet. Die Römerherrschaft war in dem schweizer Lande allezeit mehr eine militärische, als administrative und sie änderte wenig oder nichts in dem Gemeindeleben