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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/42

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Gewohnheit. Zu den Deutschen und Franzosen gesellen sich im Süden des Kantons noch Romanen und Welsche, und nirgends sieht man die malerischen Trachten in größerer Verschiedenheit. Unmittelbar zu den Füßen des Beschauers liegt Freiburg selbst, die Hauptstadt des Kantons. Es gibt nichts Romantischeres, als den Anblick dieser uralten deutschen Ansiedelung (in der jedoch französische Sprache und Sitte nach und nach das Uebergewicht erlangen), mit ihren 1000 Häusern, die zwischen Bergwänden und in tiefen Schluchten sich verstecken, oder, wie vom Sturm zusammengewebt, an den meistens steilen Gehängen kleben, während die Kirchen und Klöster auf den Höhen stehen und der Palast der Jesuiten stolz von seinem Fels auf alles Andere herabschaut, als wollt’ er sagen: „Hier haben wir die Herrschaft“. In einem seltsamen Kontrast mit diesem Charakter – gleichsam wie ein Strich durch eine Heiligenlegende – erscheint in dieser Umgebung die neue Drahtbrücke, die, so leicht und luftig wie die Fäden eines Spinngewebes, 925 Fuß lang, von Berg zu Berg führt und über Strom, Thal, Kirchen, Häuser und Thürmen 160 Fuß hoch hinzieht. Das ist ein Geist aus anderer Zeit, und es muß wohl ein mächtiger Geist seyn, denn dem alten will’s nicht mehr recht behagen. Die Väter Jesu sind schon ausgezogen, die hohen Hallen ihres Hauses sind verödet und die Aufhebung der Klöster hat begonnen. Doch im Gepräge der Stadt selbst hat der neue Geist noch gar nichts verändert. Es ist ein Stück Mittelalter, wie Augsburg oder Nürnberg, und der Hauch der Neuzeit hat von den alterthümlichen Bildern und Typen in Freiburg noch viel weniger verwischt, als in jenen Städten Deutschlands. Rom selbst hat kein frommeres Ansehen. Selten ist eine Straße, in welcher wir nicht das Kreuz, oder Häuser mit Heiligenbildern bemalt erblicken. Das Leben schleicht einförmig dahin. Das starre Kirchenthum, wie es die Jesuiten und Mönche pflegten und groß zogen, hat das in alter Zeit blühende und volkreiche Freiburg in Gewerbe und Handel, in Fleiß und Wohlstand zurückgebracht, die Bevölkerung ist nur noch 8000, und das „Bete und Arbeite“ der Bibel haben hier gar viele in „Bete und Genieße“ übersetzt. Auf den stillen Gassen wandeln von Morgens bis zum Abend, fast zu allen Stunden des Tages, Andächtige, welche das Geläute bald zu dieser, bald zu jener Kirche ruft; zugleich aber sind 50 bis 60 Wirthshäuser dem Müßiggang geöffnet, und die Weinschenken und Kaffeehäuser sind öfters voller, als die Kirchen, und das lustige, lärmende Leben drinnen kontrastirt unerbaulich mit dem frommen äußern Thun. Die Stadt allein zählt, außer fünf Mönch- und vier Nonnenklöstern nebst einem Priesterhause, zwölf Kirchen und neun Kapellen.

Unter den Kirchen ist eine sehr berühmte. Sie ist dem heiligen Nikolaus geweiht. Schon zur Römerzeit soll auf ihrem Platz eine christliche Kapelle gestanden haben. Mehrmals zerstört und wieder erneuert, wurde im zwölften Jahrhundert der prachtvolle Bau aufgeführt, welchen die Architekten als eine Reliquie der gothischen Baukunst ehren. In dieser Kirche spricht sich der Geist des Mittelalters vollkommen aus. Ueberall, wohin das