Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/45

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Auge sich wendet, sey es zu den Bündelsäulen, die die Schiffe tragen, oder zu den Wänden und Gesimsen, oder zu den Altären und Kapellen, oder zu den hohen mit Glasgemälden geschmückten Bogenfenstern, aller Orten treten die Symbole jener Theokratie entgegen, welche einst der Vatikan aus den Trümmern des welterobernden Roms errichtete. Jeder Gedanke jener Zeit ist in diesem steinernen Schriftwerke niedergeschrieben. Ueberall sieht man die unveränderliche Hieroglyphe päpstlicher Einheit, Unumschränktheit, Unerforschlichkeit und Macht; überall die Priester, die Kaste; aber ganz ist der Mensch doch nicht ausgeschlossen, erwacht ist der Geist der Dichtkunst und er macht sich geltend in der Herrschaft über die Form und in dem freien Spiel mit den beiligen Symbolen.

Bis auf Guttenberg herab galten die großen Bauwerke als ein dem Volke aufgeschlagenes Buch. Das Mittelalter beschrieb die letzten Seiten desselben, in welchen früher der Orient – Indien, Aegypten, Phönicien, Palästina, das Land am Phrat und Tigris hineingeschrieben hatten. – Die Tempel des Salomo, die Paläste des Sesostris, die Pyramide des Cheops, das Rhamseion und Thebens Nekropolis, die Höhlen von Eklinga und Ellora, sie waren nicht bloß das Kleid der Geschichte; nicht bloß der Einband, sondern das Buch selbst. Alles daran und darum war Mythe, Tradition, Psalm, Epos, – heilig, unveränderlich, unantastbar, bis der aristophanische Spott des Mittelalters den Autoritätsglauben von seinem Nimbus zu entkleiden wagte. Was mit der ersten Pagode des Bramah begonnen hatte, das hat jene Schriftkunst, welche statt des Rohrs oder Gänsekiels den Meisel und das Schneidemesser führte, mit einem halbausgesprochenen Worte geendigt, – mit dem Dom zu Köln, und die Gegenwart stammelt und stottert sich müde, dieses Wort zu ergänzen!




DCLXX. Culmbach und die Plassenburg.




Wie du so stolz droben stehst, Fürstenburg, eine Krone auf des Berges Scheitel! – Stoße in’s Horn, Thurmwart, und laß die Zugbrücke nieder! Pförtner, thue auf die Thore! Riegel rasseln, Schlüssel knarren, – – jetzt wirst du sie sehen, die hochgewachsene Fürstengestalt auf dem schwarzen Leibroß, gekleidet in glänzenden Stahl, auf dem Haupte den goldenen Helm, von dem die weißen Reiherfedern herabnicken; neben ihm seine Hausfrau in fürstlichem Putz und Schmuck auf schneeweißem Zelter, ihr zur Seite die Prinzessinnen auf purpurgeschirrten Falben, gefolgt von schlanken Edelknaben in seidenen Wämsern, Falten auf den zierlichen Händen tragend: – – – aufgethan in das Thor! Männer treten heraus in blanken Helmen mit gezogenen Säbeln und ordnen sich zu beiden Seiten des Wegs; anstatt der fürstlichen Kavalkade aber folgt ein langer, langer Zug von Weibern und Männern in zweifarbigen Kitteln, – bleiche, krankhafte Gestalten. Manche schleppen die Kette, manche haben schwere Eisen