| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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an den Füßen, alle tragen Hacken und Schaufeln auf den Schultern, oder ziehen kleine eiserne Karren. Es sind die Züchtlinge, die zur harten Arbeit gehen. – Die ehemalige Fürstenburg ist ein Kerker- und Strafhaus, und in dem Banketsaale dort oben, wo der Wein in goldenen Pokalen schäumte bei den Festgelagen der fürstlichen Macht, Pracht und Ueppigkeit, und wo die Freude aus den Augen rosiger Frauen und Mädchen strahlte: da trinken die abgemagerten Gestalten des Verbrechens und Unglücks jetzt Wasser aus hölzerner Schale und essen dazu schwarzes, hartes Brod. So ist das lustige Tagebild meiner Phantasie plötzlich zum Nachtbild umgeschlagen, wehmüthig betrachte ich den Zug, der, vorüberwandelnd, kein Ende nehmen will, – und ich danke es dem Sturmwind, der in den Thürmen heult, und den kreischenden Wetterhähnen, daß sie die Seufzer der Armen ersticken.
Eine Kolonne Fußsoldaten mit geladenem Glewehr, (auch willenlose Menschen in zweifarbigem Tuch,) schließen den Zug; er verschwindet zwischen dem Gemäuer. Eine Tanschung mehr, dachte ich, ein Tropfen mehr in dem vollen Eimer. Wie häufig, wenn wir die Arme ausstrecken, Glückliche zu umfassen, umhalsen wir des Jammers bleiche Schatten, und es macht wenig Unterschied, ob diese den Purpur, oder die Züchtlingsjacke tragen. Ein Stachel bleibt doch immer im weichen Herzen zurück, wenn wir von Sommernächten in blumigen Auen träumen und auf Gräbern erwachen.
Die Plassenburg war Jahrhunderte lang die Residenz der Markgrafen von Culmbach, nach deren Aussterben Land und Schloß an die Markgrafen von Bayreuth fiel. Ihre jetzige traurige Bestimmung hat die Burg vor länger als 30 Jahren erhalten. Der dort verwahrten Sträflinge sind mehre Hundert, und im Ganzen genommen soll ihre Behandlung menschlich seyn.
Am Fuße des Schlosses, in einem tiefen Einschnitte des fruchtbaren Mainthals, liegt die Stadt Culmbach – als vielbesuchter Wallfahrtsort des heiligen Gambrinus wohlbekannt und von Jung und Alt gepriesen. Welcher Verehrer des edlen Gerstensafts würde nicht vor Culmbach die Kniee beugen wie der Pilger bei dem Anblicke des ewigen Roms! Das „Culmbacher“ wird in alle Welttheile verfahren. Es ist der Magnet, der jährlich Hunderttausende fremden Geldes in das Städtchen zieht, dem man in dem schlichten Kleide seinen Wohlstand nicht ansieht. Zwar will der Neid wissen, man könne Manches in dem Culmbacher Biere finden, was andern Ursprungs sey, als Hopfen und Malz. Aber wer wird denn darnach suchen! Jede solide Größe wirft ihren Schatten, jeder Ruhm hat seinen Makel, jede Reinheit ihr Fleckchen, jede Statue braucht einen Sockel, jeder Obelisk sähe kleiner aus, stände er nicht auf einem Würfel, und die Hochgebirge, die Riesen der Erde selber, haben ja ein Fußgestell nöthig, daß sie groß erscheinen aus der Ferne.
Tröste dich also, du freudespendendes, sorgenbrechendes Culmbach! Der Neid kann dir nichts anhaben. Verlörest du aber deinen Ruhm durch eigne Schuld, dann wäre freilich Hopfen und Malz an dir verloren.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/46&oldid=- (Version vom 22.8.2025)