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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/54

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Kraft zu fallen. Ein Stein fällt also, weil er schwer ist; weil er die Kraft und das Streben hat, sich abwärts zu bewegen. Das Opium, sagten die Philosophen, macht Schlaf, weil es die Kraft oder Eigenschaft in sich hat, Schlaf hervorzubringen. Der Kalk ätzt vermöge seiner Aetzkraft; die Citrone wird sauerschmeckend durch das Acidum universale; eine Eigenschaft gibt dem Gold die Farbe; eine zweite gibt ihm die Unveränderlichkeit; eine dritte die eigenthümliche Schwere; Eigenschaften machen Körper hart, andere weich, andere flüssig; ein Ding, Phlogiston, nannten sie die Ursache alles Feuers, aller Brennbarkeit. Indem man so jede Wirkung in der Natur und ihren Körpern eine Eigenschaft nannte und diese als Ursache annahm, war man fertig; Beobachtung und Forschung wurden überflüssig; man wußte ja, worauf es ankam und wußte es ohne Anstrengung, ohne Mühe, ohne Widerspruch. Die Rolle der Wahrheit in der Naturwissenschaft hatte der blinde Autoritätsglaube übernommen; die Wissenschaft sank zu einem gedankenlosen Nachbeten ganz unbewiesener Ansichten der Philosophen herab.

Wie viel erhabener erscheint sie in unserer Zeit! Will der Forscher eine Naturerscheinung, das Brennen eines Kraters oder einer Kerze, das Gestalten eines Gebirgs oder eines Sandhäufchens, das Wachsen einer Pflanze, das Gefrieren des Wassers, das Bleichen einer Farbe, das Verdichten eines Gasbläschens oder eines Weltkörpers erklären, so stellt er die Frage nicht an seine Phantasie, sondern an die Erscheinung, an den zu erklärenden Zustand selber. – Er fragt: was geht dieser Erscheinung voraus und was ist es, was darauf folgt? Was vorausgeht, nennt er Ursache; was folgt, Wirkung.

Wenn z. B. der Schmied eine Eisenstange in seiner Esse weißglühend macht und dann herauszieht, so bedeckt sie sich unter Funkensprühen mit einer schwarzen porösen Kruste, welche beim Schlagen mit dem Hanımer als Hammerschlag abspringt. Das Eisen verbrennt. – Zünden wir hingegen eine Lampe an, so wird das Oel mit leuchtender Flamme verbrennen. Der Naturforscher fragt: was geht dem Verbrennen des Eisens, des Oels voraus, und was ist es, was folgt? was sind die Bedingungen des Verbrennens und was ist sein Resultat? Die Antwort ist: dem Verbrennen geht in diesen Fällen das Eisen, das Oel, die Luft, eine höhere Temperatur, die Wärme voraus. Das Eisen nimmt, indem es verbrennt, an Gewicht zu; die Luft, in der es verbrennt, nimmt um eben so viel an Gewicht ab; die Luft aber, in welcher das Oel verbrennt, wird um das Gewicht des verbrannten Oels schwerer. In Folge dieser Beobachtungen wird der Verbrennungsprozeß des Eisens und des Oels klar und verständlich. Das verbrannte Eisen ist nämlich Eisen, welches einen Bestandtheil der Luft in sich aufgenommen hat; das verbrannte Oel hingegen ist Luft, welche die Bestandtheile des Oels in sich aufnahm. Den Uebergang der Luftbestandtheile zum Eisen aber, so wie den Uebergang des Oels zur Luft begleitete Wärmeentwickelung, die Feuererscheinung. Der Naturforscher fragt nun weiter: woher kommt die Wärme und das Licht bei der Verbrennung? warum brennt das Eisen nicht fort, während