| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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das Oel in der Lampe fortbrennt? warum brennt das Eisen mit Funkensprühen, daß Oel mit Flamme? und er löst diese Fragen in ähnlicher Weise. Er zerlegt die Erscheinungen in ihre Theile und findet für jeden die Erklärung. Die Bedingungen, unter denen die Erscheinung überhaupt wahrzunehmen ist, nennt er Ursachen, jene Ursachen aber, welche durch die Sinne nicht wahrzunehmen sind, nennt er Kräfte. Sind aber die Ursachen einer Erscheinung ganz unbekannt oder unerforscht, so läßt er die Frage offen. Wenn er Eisen im Blut, Kalk in den Knochen der Thiere findet, ohne zu wissen, wo sie herkommen, so sagt er nicht, sie seyen durch den Lebensprozeß erzeugt; wenn er den Ursprung mikroskopischer Thiere nicht darzulegen vermag, so sagt er nicht, sie seyen von selbst entstanden; wenn er Personen todt oder verbrannt in ihren verschlossenen Zimmern findet und nicht ermitteln kann, wie dies zugegangen, so sagt er nicht, daß sie eine Selbstverbrennung getödtet. Diese Art von Schlüssen oder Erklärungen hält er für Selbstbetrug, oder für eine Verschleierung der Unwissenheit.
Die Ermittelung der Bedingungen einer Erscheinung ist allemal das erste Erforderniß zu ihrer Erklärung. Sie müssen aufgesucht und durch Beobachtung festgestellt werden. In der Aufsuchung ist der Forscher auf sein Nachdenken, den einzigen zuverlässigen Führer, verwiesen; aber keine Kunst ist schwieriger, als die Kunst der Beobachtung. Es gehört dazu ein gebildeter, nüchterner Geist, der durch die genaue Bekanntschaft mit den wirkenden Ursachen im Stande ist, sich die Thatsachen klar zu machen und den Schlüssel zu finden, der dem Forscher die verschlossenen Thüren der Natur öffnet.
Die Kräfte der Natur, jene nicht wahrnehmbaren Ursachen gleichartiger Erscheinungen, standen noch vor wenigen Jahrzehnten isolirt. Dies ist jetzt anders. Der erste Physiker der Gegenwart, Michel Faraday, hat auf dem empirischen Wege eine unmittelbare Verbindung zwischen jenen einzelnen Kräften nachgewiesen, indem er um die Licht- und Wärmestrahlen galvanische Streme kreisen ließ. Nur die Beziehung zur Gravitation (Schwerkraft) fehlt noch, um alle Grundkräfte der Natur mit einander zu verknüpfen. Jener große britische Forscher, welcher sich mit der Aufsuchung dieser Beziehung beharrlich beschäftigt, zweifelt nicht an dem endlichen Erfolge und spricht schon gegenwärtig die Vermuthung aus, daß alle Naturkräfte sich auf die Eine – die Gravitation, – als auf ihre gemeinschaftliche Ursache und Mutter, werden zurückführen lassen.
Die wissenschaftliche Verbindung der Naturgebiete hat das Reich der Forschung sehr erweitert. Wir wissen, daß die chemische Verbindung aller Stoffe auf dem elektromagnetischen Gegensatz beruht, wodurch also die chemischen mit den physikalischen Erscheinungen verbunden sind. Alle Stoffe sind auch schwer und gravitiren auf einander. So führt die physische Welt zur mechanischen hinüber.
Daß unsere Erde einst gasförmig war, hat schon la Place zu beweisen gesucht und ist jetzt als eine unbestreitbare
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/55&oldid=- (Version vom 23.8.2025)