| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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bestreitbare Thatsache anerkannt. Durch Abkühlung des Gasballs bildete sich nach dem Gesetz der Schwere allmählig der feste Weltkörper. Auf ihm entstand und entsteht unter fortdauernden geologischen Prozessen, in Folge und noch unbekannter Bedingungen, das organische Leben, dessen bis jetzt erreichte höchste Entwickelungsstufe der Mensch selber ist. Dieser, von Geselligkeitstrieb angeregt, einte sich, bei größerer Zahl der Individuen und Familien, auf allen Punkten seines Vorkommens, zur Gesellschaft, zur Horde, zum Stamme, zur Völkerschaft und unter günstigen Verhältnissen zum civilisirenden Staate, um größere Sicherheit und Freiheit des Individuums zu erlangen und die höchsten menschheitlichen Zwecke durch das Leben im Staate zu erreichen. Das Auge des Forschers sieht vom Welten-Embryo an durch tausend und aber tausend Formen-Wechsel und Bildungsstufen bis zur Erscheinung des geistesgroßen Menschen im Kulturstaate Alles in allmähliger Stufenfolge durch einfacheund ewige Gesetze sich entwickeln, er gewahrt überall und immer Harmonie, selbst in den anscheinend widersprechendsten Erscheinungen. Die volle Kenntniß jener Gesetze und die Erkenntniß dieser Harmonie ist das Höchste, was der Menschengeist erstreben kann. Sie führen zur Erkennung des Weltgeistes, zur Bewunderung, zur Anbetung Gottes.
„Der Mensch, der Priester an Gottes Altar,
Der eifrig erforscht, was ist und was war,
Er allein aller Wandlung Sinn versteht: –
Das Leben bleibt – nur die Hülle vergeht –“.
So dringt die Naturforschung auch in das Gebiet des Glaubens, erweckend, erwärmend, Licht verbreitend, fragend und stützend! Wie schon zu den ältesten Zeiten die größten Geister die Behauptung aufgestellt haben, daß alles Wissen endlich zum Glauben führe, – zum Glauben, in dem alle Unruhe aufhört und das Menschenglück seinen Abschluß findet: – so wird die empirische Naturforschung nothwendig alle Zweifel über den streng gesetzmäßigen Verlauf der Dinge entfernen und zu der Ueberzeugung führen, daß der Gesetzgeber der höchste Inbegriff der Weisheit, Gerechtigkeit und Güte sey und daß das Sittengesetz, welches Er allen Menschen in’s Herz gelegt, ebenfalls am festesten auf empirischem Boden stehe. „Es ist nicht gleichgültig, auf welchem Wege der Mensch die letzten Stufen der religiösen Erkenntniß erreicht. Die Naturforschung ist der sicherste Weg. Freilich in der erhabenste aller Pfade, die Spende der höchsten Glaubensseligkeit, nur jenen bevorzugtesten Geistern zugänglich und beschieden, die, wie unser großer Alexander von Humboldt, sich in allen Gebieten der erkannten Welt mit gleicher Sicherheit bewegen.“ –Um so mehr ist es daher zu beklagen, daß die Schätze, welche die Naturforschung alle Tage als ein Gesammtgut für die Menschheit zu Tage fördert, doch, vergleichsweise, nur erst
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/56&oldid=- (Version vom 23.8.2025)