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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/58

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wird er sagen, „so entstand die Erde, die wir heute bewohnen; die Gasform war ihre erste Kindheit!“ – Er wird dann die Gasballen nach den Gesetzen der Abkühlung sich verdichten lassen; ihr Volumen wird vor den Augen seiner Schüler sich verkleinern und in gleichem Maße wird die Schnelligkeit ihrer Umdrehung sich vergrößern. Und so wird er, von Experiment zu Experiment stufenweise fortschreitend, dem Kinde faßlich machen, wie sich von der größern Gaskugel während des Verdichtungsprozesses Theile abreißen können und sich unter der von der Gravitation hervorgerufenen rotirenden Bewegung wieder zu Kugeln gestalten müssen, die sich zu der größern wie unser Mond zu der Erde verhalten. Das Kind wird fassen lernen, wie die Erde, bei größerer Abkühlung, auf einmal aus dem gasförmigen in den tropfbarflüssigen Zustand überging und die dabei freiwerdende latente Wärme die Kugel zum Glühen brachte. Es wird fassen, wie sie in dieser Lebensphase eine Kugel von Metallen, Metalloiden und Erden im geschmolzenen, feuerflüssigen Zustande war. Der Lehrer wird dann erklären, wie beim Kälter- und Kälterwerden im Laufe von Zeiträumen, welche Billionen Jahre begreifen, sich erst einzelne Schlackenschollen auf dem feuerigen Ocean der Erdoberfläche bilden konnten, welche sich allmählig, von Wind und Fluth hin- und hergetrieben, wie das Eis auf dem nordischen Meere, zu großen Massen anhäuften und so endlich die erste feste Kruste entstand, welche die feuerige Erdkugel von Pol zu Pol umgürtete. Wie der auf den Radkranz gelegte glühende Reif mit unwiderstehlicher Gewalt auf die Speichen drückt, weil er, abkühlend, sich zusammenzieht, so mußte auch die erkaltende Erd-Kruste mit immer gewaltigerer Macht den feuerflüssigen Erdkern pressen. In gleichem Maße aber mußte auch der innere Widerstand steigen, bis er die Kräfte der Anziehung und Schwere überwand und die feste Erdkruste entweder gewaltsamt zersprengte, oder sie zu Blasen auftrieb, oder sie auf großen Strecken, – ganze Kontinente bildend – aus der Ebene emporhob. Im erstern Fall ward ein Theil des feuerflüssigen Breies, die zunächst unter der starren Oberfläche befindliche Masse desselben, genöthigt, durch die Sprünge und Spalten der Kruste, zwischen ihren aufgerechten Rändern, emporzuquellen. Er mußte sich theilweise über dieselben ergießen, oder zwischen denselben stehen bleiben und erstarren. Im andern Fall bildeten die Blasen der Erdrinde Erhöhungen. Auf diese Weise wird das Kind begreifen lernen, wie die ältesten Berge und Gebirge auf der Grde entstanden, es wird in dem beständigen Kampfe der zusammendrückenden Kraft der starren Erdrinde mit dem durch den Druck erregten und gesteigerten Widerstand des flüssigen Erdkerns – die Ursache der zahlreichen Revolutionen erkennen, welche der Erdoberfläche nach und nach ihre jetzige Gestalt gegeben haben.

Wir wissen, daß mit der fortschreitenden Abkühlung die Dicke der Erdrinde und folglich auch die Widerstandsfähigkeit derselben gegen die aus dem Erdinnern nach der Oberfläche hin wirkenden Gewalten wächst.