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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/65

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DCLXXIII. Ivrea.




Im Vorhofe Italiens! Daß ich doch sagen könnte: „auch ich habe ihn betreten!“ Es war mir nicht beschieden. Sehnsüchtig blickte ich schon als Knabe nach dem hesperidischen Lande und das Verlangen nach demselben hat den Jüngling und den Mann auf allen Pfaden und durch alle Wetter und Stürme des Lebens beständig begleitet. Vergebens. Ich habe nie den südlichen Himmel gesehen. Meine Brust wird in Staub zerfallen, wie Jean Pauls, ohne daß sie die Wonne eines Athemzugs voll Blüthenduft des gelobten Landes empfunden hat. Mein Fuß wird nie unter Ulmen wandeln, die Reben umwinden, mein Auge wird nie die ewige Roma schauen mit ihren Tempeln, Palästen, Rennbahnen, Obelisken und Aquädukten, oder die Aloe blühen sehen auf den cyclpischen Gemäuer der griechischen Vorwelt, und ehe mir die Fackel des Vesuv’s in den Straßen von Herkulaneum und Pompeji leuchten kann, wird die Fackel meines Lebens erloschen seyn. Der Vatikan, das Museum Borbonicum die Paläste in Venedig, Florenz und Genua bleiben mir verschlossen mit ihren ewigen Schätzen, die erhabenen Gestalten der Religion, die aus den Kuppeln der Dome herniederschauen, lassen mein Herz ungerührt. Ischia, Syracus, Catania, Palermo, Namen eines Paradieses, das die Sterblichen entzückt, wecken nur Wünsche, die unbefriedigt bleiben. Nicht in meinem irdischen Auge, im Spiegel meines Geistes allein reflektiren sich die Bilder aus dem Lande meiner Sehnsucht und meine Phantasie ist verurtheilt, in den Schildereien die Farben aufzutragen, zu denen Andere die Umrisse fertigen.


      „Italien!
Dorn und Blüthe für mich in einem Worte;
Wonne und Qual in einem Gedanken,
     Italien!
O du bist schön! – Wie die Jungfrau
Im ländlichen Quell ihren Brautschmuck,
So in zwei Meeren spiegelst du lächelnd
Unvergänglicher Anmuth blühenden Reiz.
O du bist schön! Von des Sankt Bernhards
Zackigtem Felsstieg bis zum Reben-umrankten
Ivrea; von dem heitern Como;
Von Isola bella’s duftenden Hainen,