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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/86

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Jägern und Lakaien; keine Orden und Sterne; keine Neugierige; keine Sicherheitsbeamten, die auf jede Bewegung der Gaffer und Begafften achten; keine Wachen an den Pforten; keine Gendarmen auf dem Platze; keine Uniform in der ganzen Umgebung. So anspruchslos und einfach, so alltäglich, ruhig und still ist’s vor dem Kapitol, wie auf den Straßen des stillen Washingtons. Das Bürgerthum der großen Republik ist keine Phrase; es trägt das Bürgerkleid überall und kennt kein anderes.

Wir folgen einem Abgeordneten durch die Rotunde, in welcher die Statuen der großen Männer der Union von ihren Piedestalen herab ernst und mahnend auf die Vorübergebenden schauen, und treten durch eine Flügelthür in den Korridor, an dessen Ende eine Treppe ist, die zur Gallerie führt. Die Gallerie ist die Glanzpartie des Hauses. Die geschmackvolle Anordnung, die geräumigen und bequemen Sitze lassen den Eintretenden sogleich erkennen, daß das Publikum hier für Etwas mehr gelte, als die Zuhörerschaft einer deutschen Ständekammer. Die Gallerie ist gewissermaßen die Loge des Souverains – des Volks.

Die Anordnung im unteren Räume des Saals, wo die Repräsentanten versammelt sind, ist so zweckmäßig, wie einfach. Die Sitze sind von braunem Holz, gepolstert, alles Schmucks bar. Der Fußboden ist mit Teppichen belegt. Gleichwohl wird uns diese Rotunde so ehrwürdig erscheinen, als die Thronsäle der mächtigsten Herrscher und Könige; denn hier hat die feste Bürger-Hand die Geschicke eines großen Reichs, mit Weisheit und beispiellosem Erfolg geleitet. –

Die Bänke haben sich allmählig gefüllt. – Der Sprecher des Hauses besteigt die Estrade und läßt sich auf seinem Sessel nieder. Es ist ein frischer Greis; milder Ernst sieht aus seinen blauen Augen und um die vom Nachdenken gefurchte Stirn spielen dünne weiße Locken. Seine grobknochigte Rechte hält ein Papier. Er erhebt sich. Schweigen herrscht in der Versammlung. Die Sitzung ist eröffnet.

Eine Frage der äußern Politik steht auf der Tagesordnung des Kongresses. Der Präsident nennt einen Namen. Am Ende einer der vorderen Bänke richtet sich ein Mann auf – er scheint ein rüstiger Sechziger zu seyn, – eine breitgeschulterte, stämmige, kräftige Figur mit gutmüthigem Ausdruck, einen Zug feiner Satyre um die Winkel des vollen Mundes. Es ist General Caß, als Partiot wie als Redner gleich geehrt. Er spricht gegen die Uebergriffe der Engländer auf der Musquitoküste und schließt seine Philippica mit dem energischen Rath, ein Paar Fregatten abzusenden und sie hinaus zu werfen. „Was hat die Regierung dieser Republik gethan, zur Wahrung ihres Grundsatzes, keine neue Niederlassung der Europäer auf unserm Kontinent zu dulden? Sie antworte!“ Sie läßt sich’s nicht zweimal sagen. Von der Bank gegenüber erhebt sich ein schlichter ältlicher Mann, dem Ansehen nach ein Farmer. Arbeit, Sorge und Jahre haben sein Gesicht in Falten gelegt; aber unter seinen buschigten, dicken Brauen blitzen ein Paar Augen, welche Schärfe des Verstandes und Leidenschaft zugleich verrathen. Humor und Spott liegen um seinen