| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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der Föderation zu wahren, die Waffen der Freiheit beständig übt, und wo jeder einzelne Mensch im Staate die möglichste eigene Unabhängigkeit fest behauptet? – wer kann, sage ich, ohne die lebhafteste Theilnahme diese große Republik betrachten, die ächtbürgerlicher Natur, nicht aufgebaut scheint nur für ein Land und ein Volk, sondern für die ganze neue Welt?
Ich kann diesen Aufsatz nicht schicklicher endigen, als mit dem Schluß der Abschiedsbotschaft, welche der Präsident Fillmore an den Kongreß am 6. December v. J. richtete. – „Wir erfreuen uns“ – sagt er, – „der Segnungen einer freien Regierung, und kein Mann, der ein amerikanisches Herz im Busen trägt, würde seine Freude verhehlen, wenn diese Segnungen auf alle andere Völker ausgedehnt würden. Wo irgend der Unterdrückte mit seinem Bedränger kämpft, da ist allemal unsere innigste Theilnahme dem erstern gewiß und wir wünschen ihm auf’s Lebhafteste den Sieg. Wenn wir demungeachtet, vom Anbeginn unserer Republik bis auf den heutigen Tag, uns grundsätzlich von aller Einmischung in die innern Angelegenheiten anderer Völker fern gehalten haben, so ist die Folge davon gewesen, daß unser Land seine friedliche Bahn zu Gedeihen und Wohlfahrt ohne Beispiel fortwandelte, während Europa in verheerende Kriege und in alle Leiden, bald des Despotismus, bald der Anarchie, verwickelt war. Jetzt, wo uns Europa, vermöge der Dampfschifffahrt, bis auf wenige Tagereisen näher gerückt ist, müssen wir nothwendig seinen Bewegungen größere Aufmerksamkeit schenken; aber so wenig wie der Rath weise seyn würde, daß wir Brüderschaft mit Potentaten machen sollen, um das „Gleichgewicht der Macht“ aufrecht zu halten, so wenig wäre es verträglich mit dem Grundsatz der internationalen Gerechtigkeit und staatsmännischer Weisheit, unsern Arm zu erheben in der Absicht, die Monarchien in Europa umzustürzen und an ihrer Statt republikanische Staatseinrichtungen einzuführen. Möge uns Frankreichs Beispiel als eine Warnung dienen! Nicht Revolutionen allein, am wenigsten aber solche, welche fremde Waffen unterstützen, führen die Völker zur Freiheit. Erinnern wir uns, daß unsere eigenen freien Staatseinrichtungen, welche uns so glücklich machen, auch nicht bloß Kinder unserer Revolution sind. Sie hatten – mögen wir dies nie vergessen! – ihre Wurzel in den Freibriefen, bei denen die englischen Kolonien in der Selbstregierung erwuchsen, und unsere Revolution befreiete uns nur von dem ausländischen Königthum, ale dessen Regierung unsern freien Einrichtungen nicht mehr entsprach. Bis die europäischen Völker für die Selbstregierung geschult sind, muß, glaube ich, wie bisher, so auch jede künftige Anstrengung, dieselbe durch blutige Revolutionen zu erringen, mißlingen. Wenn die Freiheit nicht nach ihren Rechten und Pflichten von den Völkern klar und deutlich erkannt ist, und der gesetzlichen Regelung, übereinstimmend mit den Volksbegriffen, entbehrt, schlägt sie in Anarchie um, der allemal die scheußlichste Despotie nachfolgt. Unsere eigene politische Aufgabe bleibt es daher, uns selber weise zu leiten,
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/88&oldid=- (Version vom 26.8.2025)