| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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Es geht mit dem Großen in der Natur, wie mit dem Großen im Menschen. Das Edelste verbirgt seinen Ursprung, die höchsten Berge sind unerstiegen, die Quellen der größten Strome blieben am längsten ein Räthsel. Noch hat kein Forscherauge die Wiege des Nils gesehen, noch ist der Streit über die Quellen des Maranhon unerledigt; und während der Vater der Ströme schon tausend Schiffe auf seinem Busen trug und hundert Städte in seinen Spiegel schauten, war sein Ursprung noch den Menschen ein Geheimniß. Erst vor wenigen Jahren hat sich der Schleier gelüftet, und haben die Quellen des Mississippi ihren Entdecker gefunden.
Westlich vom obern See, im Norden der Staaten Iowa und Wisconsin, liegt das Territorium Minnesota, unter den Sternen der Union der jüngste. Von Thalstufe zu Thalstufe steigt das Land zu einer Hochebene auf. Es ist in seiner Mitte angefüllt mit unzähligen Seen und überwachsen mit Urwald, der noch keinen Axtschlag hörte. Diese Landschaft, halb so groß als Frankreich, ist eine der merkwürdigsten Stromscheiden Amerika’s. Ihre nördlichen Gewässer sendet sie in das Polarmeer und die Hudsonbai; der obere See und der Golf von Mexiko empfangen die übrigen. Bis auf die neueste Zeit war diese Gegend gänzlich unerforscht und unbekannt. Nur der kühne Pelzhändler drang zuweilen in das Dickicht der Wälder, um mit den Indianerstämmen Felle zu tauschen. Der wissenschaftlichen Betrachtung war sie ein verschlossenes Buch.
Erst in den zwanziger Jahren, als die Kolonisation in Iowa und Wisconsin sich in den Thälern des obern Mississippi und seiner Nebenströme rasch mehrte und bis zu den Katarakten oberhalb St. Paul tief in das Gebiet der Chippewayer und Sioux vordrang, wurde das höhere Quellenland das Ziel beharrlicher Untersuchung. Die Unionsregierung in Washington schickte ihre Boten an die Häupter der wilden Stämme, um Grenzangelegenheiten
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/9&oldid=- (Version vom 17.8.2025)