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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10

In dieser Weise ist z. B. der Sacksche Universalpflug konstruiert, welcher ebensowohl zum Pflügen wie zum Kultivieren benutzt werden kann.

Die Versuche, den Bodenbearbeitungsgeräten anstatt des geradlinig fortschreitenden Ganges eine rotierende Bewegung zu erteilen, sind bis jetzt durchweg

Fig. 3.
Kultivator für Hackfrüchte.

gescheitert. Namentlich wurden diese Versuche bei den Kultivatoren angewendet, und es schien auch eine Zeitlang, als sollten einige derselben, z. B. der früher vielgenannte Comstocksche rotierende K., praktischen Erfolg erringen. Die Arbeit desselben war eine in jeder Hinsicht vollkommene; der Boden wurde derartig gekrümelt und gleichmäßig durchgearbeitet, wie dies durch kein andres Gerät erzielt werden konnte. Trotzdem konnte derselbe keine Verbreitung finden, da er zu kostspielig war und die Abnutzung der bewegenden Teile zu erheblich ausfiel.

Kultivieren (lat.), anbauen, bearbeiten, urbar machen; pflegen; bilden, verfeinern.

Kultūr (lat.), eigentlich Pflege und Vervollkommnung eines nach irgend einer Richtung der Verbesserung fähigen Gegenstandes, z. B. K. des Bodens, der Waldungen, einzelner Tiere, besonders aber die Entwickelung und Veredelung des geistigen Lebens der Menschen. Nur in diesem Sinn wird das Wort gebraucht, wenn von den Anfängen oder der Geschichte der K. die Rede ist. S. Kulturgeschichte.

Kulturgeschichte, die Geschichte des innern Lebens der Menschheit in seiner natürlichen Entwickelung sowohl nach der materiellen als besonders nach der geistigen Seite, im Gegensatz zu der früher schlechthin als Weltgeschichte bezeichneten politischen oder Staatengeschichte, ein jüngerer, aber in neuerer Zeit mit besonderer Vorliebe gepflegter Zweig der allgemeinen Geschichtschreibung. Man hatte früher allzusehr den Einfluß einzelner Persönlichkeiten auf die Geschicke der Völker und selbst der Gestaltung des intimen Lebens derselben in den Vordergrund gestellt, eine sehr natürliche Erscheinung, wenn man bedenkt, daß ehemals die Fürsten und Machthaber nicht nur häufig selbst (wie z. B. Julius Cäsar) die Geschichte ihrer Thaten geschrieben haben, sondern auch stets einen bedeutenden Einfluß auf die Geschichtschreibung behielten, indem sie dieselbe von besoldeten Staatshistoriographen besorgen ließen. Diese Art der Geschichtschreibung schlägt aber naturgemäß den Einfluß der einzelnen Persönlichkeit auf die Geschichte der Völker zu hoch an, sie vergißt, daß auch die leitende Persönlichkeit mehr oder weniger nur ein Kind ihrer Zeit zu sein pflegt, sie artet gar leicht in Heroenkultus oder Parteilichkeit aus und vernachlässigt das Studium der Völker nach ihrem allgemeinen sozialen und geistigen Zustand, als ob es sich bei ihnen um willenlose, nach jeder Richtung lenkbare Massen handelte, deren Auge und Verstand in der Regierung allein verkörpert wären, und denen fast jede Individualität abginge. Obwohl für eine solche Auffassung der Geschichte in den Anfängen der Kultur eine gewisse Berechtigung liegen mag, sofern wirklich die meisten Völker mit Zuständen in die Geschichte eintraten, in denen sie von einzelnen begabten Personen gelenkt und einer höhern Kultur entgegengeführt werden mußten, so zeigt sich die Schwäche der erstern Art von Geschichtschreibung sogleich in der Schilderung derjenigen Perioden, in denen die Völker sich zu fühlen beginnen und geistige Bewegungen die Oberhand gewinnen, die von innen heraus zu Reformen führen, oder in denen die Völker selbst ihre Geschicke in die Hand nehmen. In der Schilderung solcher Zustände zeigt sich der wesentliche Unterschied zwischen K. und Staatengeschichte darin, daß letztere eigentlich nur das Geschehene registriert und von einem festgefaßten subjektiv-modernen Standpunkt aus zu erklären und zu beurteilen sucht, während die K. mehr in das innere Leben der Zeit zu dringen und von innen heraus die Geschehnisse als Folgen eines natürlichen Entwickelungsvorganges zu erklären und zu verstehen sucht. Der Mensch ist bei ihr nicht das unbedingt freie Wesen, sondern ein Produkt seiner Zeit, der Arm und das Sprachrohr des Zeitgeistes selber, in einem solchen Grade, daß er gewöhnlich mit seinen Mitmenschen in Konflikt gerät, sobald er aus dieser bestimmten Kulturepoche heraustritt oder seiner Zeit vorauseilt. Dieses Eindringen erfordert somit ein Hinausgehen über die schriftlichen und künstlerischen Denkmäler der Zeiten und eine Vertiefung in das gesamte soziale Leben, Wohnungsart, Hygieine, Kleidung, Möbel und Geräte, Lebensweise, Ernährung, Sitten und Gebräuche, Rechtsanschauungen, Glauben und Aberglauben der einzelnen Epochen. Die Kulturgeschichtsforschung tritt fomit durchaus in keinen wirklichen Gegensatz zur Geschichtschreibung, sie verkennt keineswegs die Wichtigkeit einer genauen Feststellung der Begebenheiten und den Wert einer unparteiischen Darstellung derselben; allein sie umfängt wie ein allgemeiner Hintergrund die epische Darstellung, sie sucht die Schlüssel zu einem tiefern Verständnis und zu einem genauern Eindringen in die Ursachen der geschichtlichen Ereignisse zu geben und erklärt dadurch sattsam das große Interesse, welches sie in neuerer Zeit erregte.

Ihre eigne Geschichte beginnt mit der Bevorzugung der Sittengeschichte in der allgemeinen Geschichtschreibung, gewissermaßen mit einem Blick hinter die Kulissen des Welttheaters, die aber leider anfangs meist in eine aus den Memoiren der Zeit geschöpfte Geschichte der Höfe von seiten abgedankter Staatsbeamten und Höflinge ausartete, als ob die Schilderung des Volkslebens gar keine Aufmerksamkeit

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 10. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b10_s0293.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2022)