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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11

Funde des Gräberfeldes von La Certosa und des größern Teils der zu Marzobotto aufgedeckten Gräber als der etruskischen Kultur zugehörig bezeichnet, wofür insbesondere der Bleigehalt der diesen Gräbern entnommenen Bronzen spricht. Die verbrannten Gebeine sind zu Marzobotto bisweilen in jenen cylinderförmigen, gerippten Bronzecisten beigesetzt, welche nach Helbig griechischen Ursprungs sind. Bemalte Vasen und Statuetten, Bronzespiegel, Grabstelen mit etruskischen Inschriften sowie Bronzeklumpen von bestimmter Form (aes rude), die während jenes Abschnitts der Metallzeit vielfach als Geld benutzt wurden, eiserne Schwerter, Dolche und Lanzenspitzen, Werkzeuge von Eisen und Bronze, Fibeln von Gold, Silber und Bronze und ganz bestimmter Form (La Certosa-Fibel) wurden ebenfalls in den beiden letzterwähnten Fundstätten angetroffen. Das in Marzobotto und La Certosa vertretene etruskische Element unterscheidet sich in mancher Hinsicht von demjenigen des südlich vom Apennin gelegenen Etrurien und wird daher von Undset als nordetruskische Kulturgruppe von der „rein etruskischen“ unterschieden. Die Ausgrabungen von Este beweisen, daß die zuerst nördlich von den Alpen entdeckte und hier weitverbreitete Eisen-Bronzekultur, die man nach ihrem ersten Hauptfundplatz als Hallstattkultur (Tafel I) bezeichnet, zweifelsohne vom Süden und Osten her in jene nördlichern Verbreitungsgebiete vorgedrungen ist. Letztere, die man auch als die ältere Metallkultur Mitteleuropas bezeichnet, gehört, obwohl in den spätzeitlichen Fundgegenständen sich mit ihr berührend, doch nicht zu der spezifisch etruskischen Kultur und ebensowenig der klassisch-griechischen oder römischen. Diesen jüngern und weiter fortgeschrittenen Kulturkreisen gegenüber zeigt sie vielmehr einen weit altertümlichern archaistischen Charakter. Sie verbreitet sich durch die Alpenländer, das Donaugebiet, das südliche und südwestliche Böhmen, Teile von Mähren und Schlesien, Südwestdeutschland mit Württemberg, Baden und Bayern sowie durch einen großen Teil Frankreichs bis an die Pyrenäen. Auch sind die Balkanländer, Oberitalien und die Schweiz (in letzterm Land weist die Bronzekultur der westschweizerischen Pfahlbauten Anklänge an die Hallstattperiode auf; vgl. Pfahlbauten) von ihrem Einfluß nicht unberührt geblieben. Die Hallstätter Funde, ca. 6000 verschiedene Objekte von Bronze, Eisen, Gold, Gagat, Bernstein, Thon und Elfenbein, welche aus 993 Gräbern mit meist unverbrannten Leichen zu Tage gefördert und von v. Sacken beschrieben wurden, beweisen, daß während dieses Kulturstadiums, welches nach Undset gegen 500 v. Chr. seinen Höhepunkt erreicht hat und von Tischler in eine ältere und jüngere Hallstattperiode eingeteilt wird, die Metallurgie bereits eine relativ hohe Entwickelungsstufe erreicht hatte, und daß die Völker Mitteleuropas damals eine entschiedene Vorliebe für Pracht und Luxus an den Tag legten. Die Schwerter aus Bronze, vorherrschend aus Eisen hergestellt, besitzen breite, schwere Klingen mit schräg abgeschnittenen Spitzen. Die Handgriffe schließen ab in großen Knaufen, und unterhalb des Griffes bemerkt man an der Klinge seitliche Einschnitte. Auch Dolche sind häufig, die Klinge fast immer von Eisen, die Griffe von Bronze, ebenso Messer mit breiter geschweifter Klinge. Unter den Schmucksachen fallen prächtige bronzene Gürtelbleche auf, die mit getriebenen Ornamenten verziert sind, und denen spitze Haken zum Verschluß dienen. Ferner finden sich hängende Ketten mit Klappenblechen (Tafel I), Armringe, teils hohl aus zusammengebogenem Bronzeblech gebildet, teils massiv gegossen; als Motiv dient häufig eine Schnur mit aufgereihten Perlen oder Kugeln. Unter den Hallstätter Fibeln sind Spiralfibeln (Tafel I) und Bügelfibeln vorherrschend. Bronzegefäße wurden zahlreich und von mannigfacher Form ausgehoben, nämlich ein- oder zweihenkelige Eimer (situlae, Tafel I), quergerippte cylindrische Cisten, Vasen, tassenförmige Gefäße, Schalen (Tafel I), flache Schüsseln u. dgl. Die Thongefäße von verschiedenster Form zeigen eingeritzte Linien, Kreise, Dreiecke oder farbige Streifen und Bänder, wobei die schwarze und rote Farbe vorherrscht. Neben der Verzierung durch geometrische Motive finden sich auch Menschen- und Tierfiguren (insbesondere Pferde und Vögel) roh gezeichnet und als Zierstreifen in Reihen gebracht; Pflanzenmotive dagegen fehlen. – Als Träger der Hallstätter Metallkultur werden die in prähistorischer Zeit in den Alpenländern und den nördlich angrenzenden Gebieten ansässigen Kelten betrachtet; jedoch beweist schon die weite Verbreitung dieser Kultur, daß eine ganze Anzahl von Völkern an derselben teilgenommen hat. Auch erscheint diese Kultur nicht als eine einheitliche, sondern als das Resultat verschiedenartiger Einwirkungen. Besonders rein hat man sie in den Urnenhügeln von Watsch und St. Margareten (Krain) angetroffen. Eine zu Watsch ausgegrabene Situla und ein ebendaselbst aufgefundenes Gürtelblech eröffnen uns durch die auf denselben dargestellten Szenen einen Einblick in das Leben und Treiben der Bevölkerung Mitteleuropas zur Zeit der Hallstattperiode. Zu letzterer Kulturepoche sind auch die in den schwäbischen Fürstenhügeln Belremise und Kleinaspergle gefundenen Altertümer zu rechnen. In der Byciskalahöhle (Mähren) wurden vollständige Werkstätten der Eisen- und Bronzekultur der besagten Epoche aufgedeckt. Neben andern Objekten wurden daselbst ein Zepter, zwei eigentümliche Lendengehänge sowie mehrere Arm- und Haarspangen (sämtliche Gegenstände aus Bronze hergestellt) aufgefunden.

Während in der ältern Metallkultur Mitteleuropas, repräsentiert durch die Hallstattfunde, mit dem Gebrauch des Eisens derjenige der Bronze parallel läuft, wird der spätere Abschnitt der mitteleuropäischen Metallkultur, wo die Waffen aus Eisen, Schmuckgegenstände aus Bronze hergestellt werden, durch die zu La Tène gemachten Funde gekennzeichnet. Diese berühmte Fundstätte, bei dem Dorf Marin am Nordufer des Neuenburger Sees gelegen, wurde zuerst als ein Pfahlbau betrachtet; doch hat Groß nachgewiesen, daß sie von jeher auf trocknem Land lag und einen militärischen Beobachtungsposten darstellt, woraus sich das fast gänzliche Fehlen von Werkzeugen und Geräten für Ackerbau und Haushalt erklärt. Im Gegensatz zu den Hallstattobjekten zeichnen sich die Waffen und Geräte von La Tène (Tafel II) im allgemeinen aus durch Abrundung und kräftige Profilierung. Die Schwerter (zweischneidige, dünne, gerade Eisenklingen von bis zu 1,75 m Länge, Tafel II) sind meisterhaft gearbeitet und tragen zum Teil Marken, die wohl als Fabrikstempel aufzufassen sind. Die sich verschmälernde, etwa 10 cm lange Angel endet in einem rundlichen oder breiten Knopf. Statt der Parierstange ist ein glockenförmig geschwungener Bügel zwischen Angel und Klinge aufgelötet. Die Griffbekleidung ist nicht erhalten und mag von Holz oder Horn gewesen sein. Die Schwertscheiden sind fast sämtlich aus Eisenblech hergestellt. Die Lanzenspitzen sind lanzettförmig mit starker Mittelrippe, hier und da an den Seiten etwas ausgeschnitten (Tafel II).

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b11_s0528.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2021)