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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11

Liebfrauenkirche (um 1340 erbaut); die Lambertikirche (aus dem 14. Jahrh.; an der Spitze des jetzt abgetragenen und neu zu erbauenden Turmes wurden 1536 die Anführer der Wiedertäufer nach ihrer Hinrichtung in drei Eisenkäfigen aufgehängt);

Wappen von Münster i. W.

die Ludgerikirche (1170 im romanischen Stil erbaut, 1330 im gotischen Stil umgebaut); die St. Maurizkirche (aus dem 12. Jahrh., 1859 restauriert) mit drei romanischen Türmen; die gotische Ignatiuskirche (1857–58 erbaut) und die Ägidikirche (aus dem 18. Jahrh.) mit schönen Wandgemälden. Andre hervorragende Gebäude sind: das gotische Rathaus (aus dem 14. Jahrh.), in dessen Saal 24. Okt. 1648 der Westfälische Friede abgeschlossen wurde; das Schloß (1767 erbaut, früher bischöfliche Residenz) mit Parkanlagen und einem botanischen Garten; der Stadtkeller (aus der 2. Hälfte des 16. Jahrh.) mit den Sammlungen des Kunstvereins (darunter seltene Gemälde aus der altdeutschen Schule); das Ständehaus (aus neuerer Zeit); der Erbdrosten- und der Romberger Hof. Die ehemaligen Befestigungen wurden 1770 in Promenaden umgewandelt. Die Einwohnerzahl der Stadt beläuft sich (1885) mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 13, ein Kürassierregiment Nr. 4, eine Abteilung Feldartillerie Nr. 22 und ein Trainbataillon Nr. 7) auf 44,060, darunter 36,751 Katholiken, 6784 Evangelische und 513 Juden. Die Industrie besteht vorzugsweise in Tuch-, Woll-, Baumwoll- und Seidenzeugweberei, Färberei, Druckerei, Papier- und Emailgeschirrfabrikation etc.; der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer, eine Reichsbankstelle und verschiedene Bankinstitute, beschränkt sich fast nur auf Leinen- und Wollwaren, Garn, Vieh, Getreide etc. M. hat eine Akademie mit einer katholisch-theologischen und einer philosophischen Fakultät (Zahl der Studierenden im Wintersemester 1887/88: 467), mit einem afrikanischen Seminar, Bibliothek, naturhistorischem Museum, botanischem und zoologischem Garten, ein Gymnasium, ein Realgymnasium, ein Priesterseminar, ein kath. Lehrerinnenseminar, eine Vereinsschule zur Ausbildung israelitischer Lehrer, ein Waisen-, ein Irren- und ein Zuchthaus, Klöster der Barmherzigen Schwestern, der Franziskanerinnen, der Schwestern der Vorsehung, der Kongregation Unsrer Lieben Frau und der Schwestern vom guten Hirten etc.; ferner: Vereine für Kunst und Wissenschaft, einen Musikverein, einen Verein für Geschichte und Altertumskunde und einen landwirtschaftlichen Zentralverein. Die städtischen Behörden zählen 8 Magistratsmitglieder und 36 Stadtverordnete, sonst ist M. Sitz des Generalkommandos des 7. Armeekorps, der Kommandos der 13. Infanteriedivision, der 25. Infanterie- und der 13. Kavalleriebrigade, des Oberpräsidiums der Provinz Westfalen, eines königlichen Provinzialschul- und eines Medizinalkollegiums, einer Provinzialsteuerdirektion, der Generalkommission zur Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse, einer Oberpostdirektion, der Provinzialverwaltung, einer königlichen Regierung, eines Landratsamtes für den Landkreis M., einer königlichen Rentenbank, eines Landgerichts etc. Von kirchlichen Behörden befinden sich dort: ein Bischof, ein Domkapitel, ein Generalvikariat und ein königliches Konsistorium. Zum Landgerichtsbezirk M. gehören die 22 Amtsgerichte zu Ahaus, Ahlen, Beckum, Bocholt, Borken, Bottrop, Buer, Dorsten, Dülmen, Haltern, Ibbenbüren, Koesfeld, Lüdinghausen, M., Ölde, Recklinghausen, Rheine, Steinfurt, Tecklenburg, Vreden, Warendorf und Werne.

M. wird zuerst um 800 erwähnt, wo Karl d. Gr. dem für die Sachsen ernannten Bischof Liudger diesen Ort (Mimigardevord) zum Wohnort anwies. Im 11. Jahrh. erstanden hier eine Pfarrkirche und ein Kloster (monasterium), das nun zu dem Namen M. Veranlassung gab. Bald nach 1186 erhielt M. Stadtrecht und wurde vom Bischof Hermann II. befestigt. Es blieb unter bischöflicher Herrschaft, obgleich der Bischof schon 1277 der Stadt wegen der Besetzung des Gerichts und Verwendung des städtischen Einkommens Zugeständnisse machte. Zu Ende des 13. Jahrh. wurde M. Mitglied der Hansa. 1532 neigte sich die ganze Stadt, mit Ausnahme des Domkapitels, zur lutherischen Konfession; 1535 war die Stadt der Schauplatz der politisch-religiösen Bewegungen der Wiedertäufer (s. d.). Nachdem M. nach tapferer Gegenwehr 24. Juni 1535 von dem Bischof erobert worden, ward der evangelische Gottesdienst unterdrückt. Im Dreißigjährigen Krieg litt M. besonders durch die protestantischen Heere. Wie oben erwähnt, ward hier 1648 der Westfälische Friede geschlossen. Die Bischöfe besaßen damals in M. nur sehr beschränkte Herrschaftsrechte, bis der Bischof Bernhard von Galen 1661 die Stadt, welche ihm im Einverständnis mit Holland den Gehorsam verweigerte, mit Gewalt nahm, eine Citadelle erbaute und den Bürgern ihre meisten Privilegien entriß. Doch residierten die Bischöfe selten in M. Im Siebenjährigen Krieg wurde M. sowohl von den Franzosen als den Verbündeten belagert und erobert. Vgl. Erhard, Geschichte Münsters (Münst. 1837); Cornelius, Geschichte des Münsterschen Aufruhrs (Leipz. 1855–60, 2 Bde.); Keller, Geschichte der Wiedertäufer und ihres Reichs zu M. (Münst. 1880); Detten, M., seine Entstehung etc. (das. 1887). – Der Regierungsbezirk M. (s. Karte „Westfalen“) umfaßt 7252 qkm (131,64 QM.), zählt (1885) 494,275 Einw. (darunter 438,291 Katholiken, 52,404 Evangelische und 3458 Juden) und besteht aus den elf Kreisen:

Kreise QKilo­meter QMeilen Einwohner Einw. auf 1 QKilom.
Ahaus 683 12,40 36724 54
Beckum 687 12,42 44140 65
Borken 649 11,79 45638 70
Koesfeld 753 13,67 42905 57
Lüdinghausen 697 12,66 40531 58
Münster (Stadt) 11 0,20 44060
Münster (Land) 849 15,44 38822 46
Recklinghausen 780 14,18 74269 95
Steinfurt 770 13,98 51071 66
Tecklenburg 812 14,75 47450 58
Warendorf 559 10,15 28665 51

2) M. im Gregorienthal, Kantonshauptstadt im deutschen Bezirk Oberelsaß, Kreis Kolmar, im Münsterthal, an der Fecht und der Eisenbahn Kolmar-M., 380 m ü. M., hat eine schöne neue evangelische und eine kath. Kirche, eine Realschule, bedeutende Baumwollspinnerei und -Weberei, Bleicherei und Appretur, Käsefabrikation und (1885) 5390 Einw. Der Ursprung der Stadt geht auf ein 634 gegründetes Benediktinerkloster zurück. Dieses trat 1235 die Vogtei an das Reich ab, infolgedessen M. die Rechte einer Reichsstadt erlangte und 1354 in den Zehn-Städtebund des Elsaß trat. Die großartige Industrie wurde 1780 von A. Hartmann begründet.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 11. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 887. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b11_s0887.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2022)