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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

Philosophie und Medizin übten sie vorzeiten eine kulturhistorische Mission, und manche von ihnen bekleideten während der arabischen Herrschaft sogar hohe Stellen im Staat. Erst Tamerlan zerstörte die nestorianische Kirche in fast ganz Asien, so daß sich die Reste in die Gebirge Kurdistans zurückzogen. Dagegen begannen schon unter Alexander III., Innocenz IV. und Nikolaus IV. die Unionsversuche mit der römischen Kirche, infolge welcher die N. 1551 über die Wahl eines neuen Bischofs unter sich zerfielen. Ein Teil trat zur römischen Kirche über und bildete die sogen. unierten N., die man jetzt gewöhnlich chaldäische Christen nennt. Sie zählen etwa 20,000 Seelen, erkennen den päpstlichen Primat an und beobachten den Ritus der griechischen Kirche; ihr Patriarch hat seinen Sitz zu Diarbekr. Die nichtunierten N. in Mesopotamien, Persien und Syrien haben nur die Sakramente Taufe, Abendmahl (ohne Wandlung) und Priesterweihe; ihre Geistlichen dürfen sich verheiraten. Ihre Zahl beträgt etwa 300,000 Seelen. Die nach Indien zersprengten N. heißen Thomaschristen; sie mußten sich 1599 Rom unterwerfen. Vgl. Percy Badger, The Nestorians and their rituals (Lond. 1852, 2 Bde.); Germann, Die Kirche der Thomaschristen (Gütersl. 1877).

Nestōrius, s. Nestorianer.

Nestraupenfalter, s. Goldafter.

Nestroy, Johann Nepomuk, Komiker und Possendichter, geb. 7. Dez. 1802 zu Wien, studierte die Rechte, wandte sich aber 1822, mit einer schönen Baßstimme ausgestattet, zur Bühne und debütierte 1821 am Hofoperntheater als Sarastro in der „Zauberflöte“ so glücklich, daß er sogleich ein Engagement erhielt. Nach zwei Jahren ging er als erster Bassist an das Theater zu Amsterdam, 1824 nach Brünn und 1826 nach Graz, wo er seine Thätigkeit bald ausschließlich auf das komische Fach beschränkte und besonders durch glückliches Extemporieren der Liebling des Publikums wurde. 1831 erhielt er ein Engagement für das Theater an der Wien zu Wien, und 1854 übernahm er das Carl-Theater. Er starb 25. Mai 1862 in Graz, wohin er sich das Jahr zuvor zurückgezogen hatte. N. war als Schauspieler ein origineller, derb humoristischer Charakterzeichner. Als Theaterdichter hatte er sich bereits 1827 in Graz versucht; in Wien trat er 1832 zuerst mit dem „Gefühlvollen Kerkermeister“, einer parodierenden Posse, dann mit „Nagerl und Handschuh“ hervor, welch letzteres Stück eine lange Reihe von Wiederholungen erlebte. Bald folgte „Zamperl“, eine Opernparodie, und nun hatte N. ein Ziel: er wandte sich mit derbem Realismus und der Karikatur gegen alle Tragik und Sentimentalität, daher auch namentlich gegen Raimund und seine Geisterwelt. Sein Erstlings- und Hauptwerk in dieser Richtung war die Posse „Der böse Geist Lumpacivagabundus“ (1833), die ihren Weg über alle Bühnen machte und sich bis jetzt auf dem Repertoire erhalten hat. Jetzt schritt N. mit originellen neuen Possenstücken, wie: „Eulenspiegel“, „Zu ebener Erde und im ersten Stock“, „Glück, Mißbrauch und Rückkehr“, „Die verhängnisvolle Faschingsnacht“, „Der Talisman“, „Mäd’l aus der Vorstadt“, „Tritsch-Tratsch“, „Einen Jux will er sich machen“ u. a., von Erfolg zu Erfolg. Von spätern Stücken sind „Der Zerrissene“, „Unverhofft“, „Der Unbedeutende“, „Nur Ruhe“, „Die Freiheit in Krähwinkel“ (1848), ferner die Parodie „Judith und Holofernes“, „Kampl“, „Weiß man’s denn?“, „Umsonst“ etc. (zumeist im „Wiener Theaterrepertoire“ abgedruckt) hervorzuheben. Vgl. „Aus N. Citate und Kernsprüche“ (3. Aufl., Wien 1885).

Ne sus Minérvam (sc. doceat), lat. Sprichwort: „Daß doch das Schwein (d. h. der Dumme) die Minerva (d. h. den Weisen) nicht belehren wolle!“

Ne sutor supra crepĭdam, lat. Sprichwort: „Der Schuster bleibe beim Leisten“, d. h. urteile nicht über Dinge, die du nicht verstehst, nach Plinius’ „Historia naturalis“ (35,36) Ausspruch des Malers Apelles, welcher damit die Kritik eines Schusters über ein Gemälde in ihre Schranken wies.

Neszmély (spr. néßmēlj), Dorf im ungar. Komitat Komorn, berühmt durch seinen weißen Wein. Hier starb 27. Okt. 1439 Kaiser Albrecht II.

Nethe, Fluß in der belg. Provinz Antwerpen, entsteht aus der Großen und Kleinen N., welche sich bei Lier vereinigen, und fließt bei Rumpst mit der Dyle zusammen, woraus die Rupel entsteht.

Néthou (spr. -tuh), Berg, s. Anethou.

Netley Abbey (spr. néttlĭ ä́bbĭ), berühmte Abteiruine unfern Southampton in England; dabei ein Marinehospital (Victoria Hospital) mit medizinischer Schule.

Netolitz, Stadt in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Prachatitz, unweit der Bahn Wien-Eger, Sitz eines Bezirksgerichts, hat 2 Kirchen, ein Stadthaus, bedeutende Pferdemärkte und (1880) 2964 Einw. Ehemals von Protestanten bewohnt, wurde der Ort 1619 von den Kaiserlichen zerstört und die Bevölkerung niedergemacht. Dabei das Jagdschloß Kurzweil.

Netra, Flecken im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege, an der Netra, hat eine evang. Kirche, ein Schloß, ein Amtsgericht und (1885) 771 Einw.

Netscher, Kaspar, Maler, geb. 1639 zu Heidelberg, Sohn des Bildhauers Johann N., kam schon als Kind nach Holland, widmete sich erst als Adoptivsohn eines Arztes in Arnheim dem Studium der Medizin, sodann aber bei Koster, einem Stilllebenmaler zu Utrecht, und bei Terborch zu Deventer der Kunst. Nach kurzem Aufenthalt in Frankreich (Bordeaux) ließ er sich 1668 im Haag nieder, wo er 15. Jan. 1684 starb. N. malte nach dem Vorbild Terborchs meist Genrebilder aus dem Leben der höhern Stände, aber auch Kücheninterieurs und Schäferstücke, ferner Bildnisse, mythologische und geschichtliche Bilder in feiner, emailartiger Behandlung, die sich oft in manierierte Glätte verliert. Seine Bilder sind sehr zahlreich und fast in allen Galerien vorhanden. Eine größere Zahl seiner Kabinettsstücke besitzt die Dresdener Galerie (Dame am Klavier, ärztlicher Besuch, Harfenspielerin). – Auch seine Söhne Theodor, geb. 1661 zu Bordeaux, gest. 1732 in Hulst, und Konstantin, geb. 1668 im Haag, gest. 1722 daselbst, waren Maler, letzterer besonders Bildnismaler.

Nett (engl. net, „Netz“), s. v. w. Bobbinet.

Nette, linker Nebenfluß des Rheins im preuß. Regierungsbezirk Koblenz, Kreis Adenau, durchfließt ein schönes und fruchtbares Thal und mündet nach 45 km langem Lauf Neuwied gegenüber.

Nettelbeck, Joachim, Bürger von Kolberg, geb. 20. Sept. 1738 daselbst, Sohn eines Brauers, befuhr von seinem 15. bis zum 45. Jahr fast alle europäischen Meere, die westindischen Gewässer und die Küste von Guinea. Bei der Belagerung seiner Vaterstadt im Siebenjährigen Krieg machte er sich als Bürgeradjutant um dieselbe verdient, und 1770 stand er kurze Zeit in preußischen Seediensten. 1783 ließ er sich zu Kolberg als Branntweinbrenner nieder und ward bald darauf zum Bürgerrepräsentanten der Stadt erwählt, welches Ehrenamt er bis zur Einführung der neuen Städteordnung 1809 bekleidete. In weitern Kreisen bekannt ward er aber erst seit 1807, wo die Anstrengungen des beinahe 70jährigen Greises, sein Mut,

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0066.jpg&oldid=- (Version vom 5.9.2021)