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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12

III


aber feuchtheiße Etewald, dessen Hauptbestandteile Laurineen, Palmen, wie Attalea, die Myrtacee Bertholletia, welche die Paránüsse liefert, Bambusen und Musaceen sind. Epiphytische Piperaceen und Aroideen bekleiden die Baumstämme, zwischen denen die Lianen buntblätterige Guirlanden schlingen. Wichtige Handels- und Ausfuhrartikel sind: der Kakao, die Vanille, das Kautschuk und die Sassaparille.

19) Das südwärts bis zum 30.° südl. Br., westlich bis an die Anden, nördlich bis zur Hyläa gehende brasilische Florengebiet besitzt eine regelmäßige Regenzeit und vorherrschenden, vom Atlantischen Meer herwehenden Südostpassat, der an den südöstlichen Gebirgsketten seine Feuchtigkeit entladet und im Innern des Landes ein trocknes Klima hervorruft. In den östlichen Küstenlandschaften entwickeln sich infolgedessen farbenbunte, durch Palmen, Dalbergien (Jakarandaholz), Cäsalpinien (Brasilienholz) u. a. gebildete Urwälder, während im Innern trockne Savannen gemischt mit Gesträuchgruppen auftreten. In den südlichern Breiten Brasiliens sind geschlossene Wälder mit Wachspalmen (Copernicia) und Araukarien eine häufigere Erscheinung.

20) Die Flora der tropischen Anden beschränkt sich auf die Kordillerenkette vom Isthmus von Panama bis zur Wüste von Atacama. Die Vegetation zeigt sich am Ost- und Westabhang durchaus verschieden. Der westliche Küstenstrich vom 4. bis zum 33.° südl. Br. ist regen- und waldlos; am Gebirge steigt diese regenlose Zone bis ca. 460 m hinauf, dann folgt eine Zone mit Winterregen bis ca. 1240 m, dann eine Region mit Winter- und Sommerregen bis 3560 m, endlich die alpine Region bis zur Schneegrenze, die hier bei ca. 5340 m liegt. Auf dem Ostabhang der Anden Perus entfaltet sich eine tropische Zone, in der Pisang, Zuckerrohr und Koka kultiviert werden; am Gebirge steigt diese Region bis 1550 m hinauf, dann folgt eine gemäßigte Region bis 3360 m, in welcher die Fieberrindenbäume (Cinchona) einheimisch sind, und endlich die bis zur Schneegrenze hinaufreichende alpine Region. In der westlichen Andenkette Perus und Chiles ist die Kartoffelpflanze einheimisch.

21) Das Pampasgebiet besteht aus den baumlosen Steppen, die sich von den Anden Chiles bis zum Atlantischen Meer, nördlich bis zum Wendekreis des Steinbocks, südlich bis zur Magelhaensstraße ausbreiten; nur ein schmaler Küstenstrich am Großen Ozean gehört nicht dazu und beherbergt eine besondere Flora. Die Pampas sind Grasebenen mit sehr unregelmäßiger Bewässerung; plötzliche Gewittergüsse unterbrechen längere Perioden der Dürre. An Vegetationsformen ist das Gebiet auffallend arm.

22) Das chilenische Florengebiet, den schmalen Küstenstrich vom Wendekreis des Steinbocks bis zu 34° südl. Br. einnehmend, ähnelt in seinem Klima dem des südlichen Spanien. Baumwuchs ist wie im Pampasgebiet eine Seltenheit, jedoch gedeihen angepflanzte Bäume vortrefflich. Auf dem dürren Boden wachsen Bromeliaceen, Kakteen, eine Anzahl von Zwiebelgewächsen und Steppengräser. Im Norden des Gebiets liegt die pflanzenarme Wüste Atacama.

23) Das südamerikanische oder antarktische Waldgebiet erstreckt sich an dem Westabhang der Anden von 34° südl. Br. bis zum Kap Horn. Durch feuchte westliche Winde werden das ganze Jahr hindurch Niederschläge hervorgerufen. Das Gebiet zerfällt in eine nördliche, bis zur Insel Chiloe reichende Zone, in der noch einige Bambusen, Lianen und Epiphyten vorhanden sind, und eine südliche, mit Buchenwäldern (Fagus antarctica) ausgestattete Partie. Geschlossene Hochwälder mit teils immergrünen, teils laubabwerfenden Bäumen sind häufig. Unter den Nadelhölzern ragen besonders die Araukarien und Alerzen (Fitzroya) hervor. Erst im äußersten Süden beginnt eine Torfmoorvegetation, deren Charakter an die der arktischen Gegenden erinnert.

24) Die meisten ozeanischen Inseln und Inselgruppen bilden gesonderte Florenbezirke mit eigenartigem, von der Vegetation der Kontinente abweichendem Charakter. Florengebiete dieser Art bilden die Azoren, der Archipel von Madeira, die Kanarischen Inseln, die Kapverden, die Inseln Ascension und St. Helena, Madagaskar, die Maskarenen, die Seschellen, die Sandwich- und die Fidschiinseln, Neukaledonien und Norfolk, Neuseeland, das besonders durch üppige Farnkräuter, Holzgewächse mit unansehnlichen grünen Blüten und durch die das Dammaraharz liefernde Kaurifichte ausgezeichnet ist, ferner die vulkanische Inselgruppe der Galapagos, welche eine überraschend große Zahl von endemischen Arten beherbergt, Juan Fernandez und die Falklandinseln, Tristan da Cunha und Kerguelensland. Südlich vom 64.° südl. Br. hört alles Pflanzenleben auf.


Erläuterungen zur Karte.

In neuerer Zeit hat sich die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß auf den Verteilungszustand der Gewächse nicht bloß klimatische Ursachen, sondern auch die geologischen Veränderungen der Erdoberfläche sowie der Zustand der Vegetation während vorangehender Erdepochen einen fundamentalen Einfluß ausüben. Nach dem Vorgang mehrerer Botaniker hat besonders Engler diesen Gedanken mit Rücksicht auf die Vegetationsverhältnisse der Tertiärzeit durchgeführt und nachgewiesen, daß während derselben mindestens vier verschiedene Florenelemente vorhanden waren, auf welche der gegenwärtige Pflanzenbestand der einzelnen Weltteile zurückzuführen ist, nämlich das arktotertiäre, paläotropische, neotropische und altozeanische Florenelement. Die beiliegende Karte gibt in vereinfachter Form und in reduziertem Maßstab das von Engler („Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt“) entworfene Originalbild wieder. Auf der Karte wurden die vier Hauptflorenreiche durch verschiedenen Grundton kenntlich gemacht, und zwar bezeichnet hellgelber Grundton das nördliche außertropische, dem arktotertiären entsprechende Florenreich, hellblauer das Tropenreich der Alten und der Neuen Welt (paläotropisches und neotropisches Reich), endlich weißer Grundton das altozeanische Florenreich. Gleichzeitig bringt die Karte auch die Verteilung der wichtigsten biologischen Gewächsgruppen auf der Erde zur Anschauung. Nach dem verschiedenen Grad, in welchem die Pflanzen Wärme und Feuchtigkeit, die beiden Hauptfaktoren vegetativen Lebens, beanspruchen, lassen sich folgende Gruppen unterscheiden:

1) Pflanzen, die hoher Wärme, d. h. einer jährlichen Mitteltemperatur über 20° C., und großer Feuchtigkeit bedürfen, von De Candolle Hydromegathermen genannt;

2) Pflanzen mit hohem Wärmeanspruch, aber geringerm Feuchtigkeitsbedürfnis (Megathermen); beide Pflanzengruppen bilden den Hauptbestandteil der tropischen Urwälder und wurden auf der Karte durch einen übereinstimmenden Farbenton als tropische Urwaldpflanzen kenntlich gemacht;

3) Trockenheit und Wärme liebende Pflanzen (xerophile Megathermen), welche aus laubabwerfenden Sträuchern, Gräsern etc. bestehen und unter anderm die Hauptvegetation in den Savannen bilden (die Savannenpflanzen der Karte);

4) Pflanzen von mittlerm Wärmebedürfnis (Mesothermen), welche eine jährliche Mitteltemperatur von 15 bis 20° C. beanspruchen und vorzugsweise als immergrüne Gewächse erscheinen (die immergrünen Buschpflanzen der Karte);

5) Pflanzen mit geringem Wärmebedürfnis (Mikrothermen), die sich mit einer Mitteltemperatur unter 14° C. begnügen und je nach dem Grad ihres Feuchtigkeitsbedürfnisses als laubabwerfende Bäume, als Nadelholzpflanzen, als Wiesen- und Heidepflanzen und endlich als Steppen- und Präriepflanzen auftreten;

6) Pflanzen mit minimalen Wärmeansprüchen (Hekistothermen), welche die Vegetation des Nordens (Tundrenpflanzen

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 12. Bibliographisches Institut, Leipzig 1888, Seite 960d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b12_s0960d.jpg&oldid=- (Version vom 31.5.2022)