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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13

die Lippen rot, das Haar gelb oder schwarz, der Stern des Auges wurde durch Farbe oder eingelassene Schmelzmasse, wohl auch durch Edelsteine angedeutet. Alle Fleischteile aber erhielten nach einem von Vitruv beschriebenen Verfahren eine leichte Wachsbeize, welche den grellen, im Süden unerträglichen Glanz des Weiß dämpfen sollte. In der besten Zeit griechischer Bildhauerei pflegte man diese Bemalung besondern Künstlern anzuvertrauen; für den berühmten Praxiteles besorgte sie der erste Maler jener Epoche, Nikias. Im Relief wurde stets der Hintergrund zur Hervorhebung der Figuren dunkler gehalten. In der römischen Zeit steigerte man diese Technik bis zur stillosen Nachahmung, indem man jedem Teil seine natürliche Farbe geben wollte. Man geriet selbst auf den Einfall, die bunte Wirkung des bemalten Marmorbildes durch Zusammensetzen verschiedenfarbiger Marmorstücke nachzuahmen (polylithe Skulpturen). Auch im ganzen Mittelalter spielte die P. der Statuen eine große Rolle; man ging hier in der Naturnachahmung viel weiter als die Griechen; zahlreiche aufs bunteste bemalte und vergoldete Altäre aus deutscher und italienischer Kunst sowie Einzelfiguren in Holz und Stein haben sich noch erhalten. Selbst in der Renaissance hörte die P. der Statuen nicht auf; besonders wurde dieselbe in Spanien geübt, und noch im Rokoko bemalte man Holzbildwerke mit matten Farben und vergoldete sie. Auch die architektonische P. kam in der gotischen Baukunst sehr in Aufnahme. An den Kapitälern ward das Blattwerk vergoldet, der Grund rot bemalt, die Gewölberippen und Gesimse wurden golden und rot oder golden und blau bemalt; Altäre, Balustraden, Kanzeln, Sakramentshäuschen etc. erhielten Vergoldung am Stabwerk und dazu farbigen Grund. Die Renaissance brachte die P. der Architektur im großen und ganzen in Abnahme, und erst in der ersten Hälfte unsers Jahrhunderts kam sie durch die Bemühungen hervorragender Architekten, wie Klenze, Viollet le Duc, Th. Hansen (Akademie in Athen), Semper, Gnauth, wieder zu größerer Geltung; auch hat man Versuche zur P. der Statuen gemacht (Gibson). Der sich mehr und mehr entwickelte Farbensinn der Gegenwart ist diesen Bestrebungen sehr günstig. Es entspann sich ein Streit über die P. der Alten zwischen Kugler („Kleine Schriften zur Kunstgeschichte“, Bd. 1, S. 265 ff.) und Semper (vgl. den bezüglichen Abschnitt in des letztern „Stil“ und dessen Schriften: „Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten“, Altona 1834; „Die vier Elemente der Baukunst“, Braunschw. 1851), aus welchem letzterer, den genaue Untersuchungen der griechischen Monumente vorbereitet hatten, als Sieger hervorging. Vgl. Jahn, Aus der Altertumswissenschaft, S. 247 ff. (Bonn 1868); J. I. Hittorff,[WS 1] L’architecture polychrome chez les Grecs (Par. 1851). Mit dem Beginn der 80er Jahre ist die Frage der P. in ihrer Anwendung auf plastische Kunstwerke wieder lebhaft diskutiert worden. Eine Schrift des Archäologen Treu („Sollen wir unsre Statuen bemalen?“, Berl. 1884) hat den Anlaß zu einer Ausstellung polychromer Plastik in der Berliner Nationalgalerie (1885) gegeben. Doch scheint sich die Mehrzahl der deutschen Bildhauer noch nicht für die P. entschieden zu haben, da die Versuche immer noch sehr vereinzelt sind und sich zum Teil auf matte Tönung oder auf Beizung mit einer Wachslösung beschränken. Bei Bildwerken aus Gips, Thon, Wachs etc. wird die P. am ehesten anzuwenden sein, während das edle Material des Marmors leichte Tönung am besten verträgt, ohne von seiner Leuchtkraft einzubüßen. Am glücklichsten sind die Versuche der P. bei Bronzegüssen ausgefallen, deren Wirkung durch galvanische Färbung sehr erhöht wird.

Polychromographie (griech.), die Kunst, auf der Buchdruck- oder Steindruckpresse oder einem eigens hierfür konstruierten Apparat bildliche Darstellungen in einer größern Anzahl Farben auf einmal und ohne großen Zeitaufwand zu drucken. Obgleich man sich mit derselben schon lange eifrig beschäftigt und bei den vielfachen Versuchen auch ganz beachtenswerte Resultate erzielt hat, so haben sich diese, selbst einschließlich des Stenochromie (s. d.) genannten Verfahrens, doch bis jetzt noch nicht als für die tägliche Geschäftspraxis verwertbar erwiesen.

Polychromsäure, s. Chrysaminsäure.

Polycladĭa (griech.), s. Astwucherung.

Polycystīnen, s. Rhizopoden.

Polydaktylīe (griech., „Vielfingerigkeit“), das Auftreten von mehr Endgliedern, als der Gattung zukommen, an Händen und Füßen einzelner Individuen oder ganzer Familien von Menschen und Tieren. Bei den Menschen kommt am häufigsten Sechsfingerigkeit (Hexadaktylie) vor und ist dann gewöhnlich durch eine Reihe von Generationen erblich. Während einige Forscher darin nur eine Mißbildung durch Verdoppelung einzelner Glieder, namentlich des Daumens oder kleinen Fingers, sehen wollen, erblicken andre darin einen Fall von Rückschlag, sofern die Seitengliedmaßen der ältesten Wirbeltiere mehr als fünf Endgliedmaßen besaßen und auch im normalen Zustand einzelne überzählige Fingerknochen vorhanden sind.

Polydésmus Mont., Pilzform, charakterisiert durch ein Mycelium, welches aus braunen, verästelten und mit Querscheidewänden versehenen Hyphen besteht und statt eigentlicher Fruchthyphen unmittelbar aufrecht stehende Ketten unregelmäßig spindelförmiger, brauner, durch viele Querscheidewände gegliederter, an den Enden meist in einen fadenförmigen Fortsatz verlängerter Sporen trägt, stellt Konidienzustände gewisser Pyrenomyceten dar. P. exitiosus Mont. (Sporodesmium exitiosum Kühn, Leptosphaeria Napi Fuckel, Rapsverderber) bildet schwarzbraune, rußtauartige Flecke auf den grünen Rapsschoten, welche dabei mißfarbig, endlich zerstört werden und taub bleiben. Die Krankheit wird erzeugt durch die Sporen des Pilzes, welche ihre Keimschläuche in die Spaltöffnungen der lebenden grünen Teile der Rapspflanze eindringen lassen. Der Pilz vegetiert zu jeder Zeit, auch unter dem Schnee, an den Blättern des Rapses, Rübsens, Hederichs und anderer Pflanzen. Man ernte davon befallene Felder zeitig, setze die Pflanzen in Haufen, so daß die Schoten inwendig zu liegen kommen und so ausreifen und die Haufen von der Luft durchstrichen werden können.

Polydeukes (lat. Pollux), s. Dioskuren.

Polydipsīe (griech.), krankhaft vermehrter Durst, findet sich besonders bei Harnruhr und in mehr oder weniger hohem Grad bei allen mit Fieber und starkem Schwitzen verbundenen Krankheiten.

Polydōros, 1) jüngster Sohn des Königs Priamos von Troja und der Laothoe (oder der Hekabe), Liebling des Priamos, ward in dem Kampfe vor Troja von Achilleus getötet. Nach der spätern Sage schickten ihn seine Eltern noch vor Trojas Katastrophe nebst einer großen Summe Goldes zu Polymestor, König von Thrakien. Nach Trojas Fall tötete aber Polymestor den P., um sich des Goldes zu bemächtigen, und warf den Leichnam ins Meer. Des P.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: J. T. Hittorff
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0204.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2021)