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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

[Artikel Wappen.]

Erläuterungen zu den Tafeln ‚Wappen I und II‘.
Zu Tafel I. Entwickelung der Wappenkunst.

Fig. 1. Wappen des Minnesängers Otto von Botenlauben (s. d.), der um 1300 zusammengetragenen Weingarter Liederhandschrift entnommen. Der Helm steht „im Visier“ und ist gänzlich unbedeckt.

Fig. 2. Wappen der Grafen von Froburg, aus der Züricher Wappenrolle um 1320. Der Helm ist hinten mit einem ganz schmucklosen roten Tuch bedeckt. Das Wappenbild ist ein Fehadler. Auf den Kampfschilden des Mittelalters wurde derselbe aus Pelzen einer nordischen Eichhornart, Feh genannt, zusammengesetzt.

Fig. 3. Wappen der Herren von Kranichberg, aus dem St. Christopheri-Bruderschaftsbuch um 1400. Die ganz entwickelte Helmdecke ist ein ausgezaddeltes Tuch, welches mit dem Helmkleinod zusammenhängt.

Fig. 4. Wappen der Stadt Görlitz, nach dem von Kaiser Siegmund 1433 erteilten Wappenbrief. Der Stechhelm ist mit einer ausgezaddelten, aber schon reichern Helmdecke versehen. Das Flügelkleinod veranschaulicht die alte Methode der Anfertigung und Befestigung. Die Fläche ist aus einer leichten Holzart oder Flechtwerk zubereitet, in welches oben die Federn gesteckt werden. Das Kleinod ist auf den Helm angepaßt und festgebunden. Da bald darauf die Kleinode nicht mehr in natura getragen wurden und die Maler sich an die Fiktion der Befestigung nicht mehr zu binden brauchten, entwickelten sich die Flügelkleinode freier und gefälliger. Überhaupt wird jetzt erst das Wappen eine ornamentale Komposition.

Fig. 5. Wappen des Hieronymus Fischer, nach dem kaiserlichen Wappenbrief von 1492. Dieses Wappen zeigt den Unterschied, den wir in der vorhergehenden Nummer betont haben, in einer augenfälligen Weise. Die Laubgewinde, welche vom Helm ausgehen (im Prinzip die moderne Helmdecke), bedecken das ganze Wappen.

Fig. 6. Wappen der Familie Letscher (Nürnberg), nach einem Holzschnitzwerk von 1497 im Germanischen Museum zu Nürnberg. Die Helmdecke besteht aus dichtem Bandwerk.

Fig. 7. Wappen der von Rogendorff, nach einem um 1520 gefertigten großen Holzschnitt von A. Dürer, für welchen der Meister sieben Ellen Samt als Rekompens erhielt. Das Größenverhältnis der einzelnen Teile des Wappens ist geändert: das Kleinod nimmt nahezu die Hälfte der ganzen Höhe ein. Die Form der Helmdecke charakterisiert alle Dürerschen Wappenzeichnungen. Die Auffassung der Tiere ist naturalistisch. – Ein Vergleich der Nummern 1–7 ergibt, daß die Schilde sämtlich nach der rechten Seite hin gelehnt sind. Diese Neigung wird von Nr. 5 ab immer schwächer, in der Folge stehen die Schilde aufrecht.

Fig. 8. Wappen des Johannes Saganta, nach einem Holzschnitt von Hans Burgkmair dem jüngern (gest. 1559), ein Werk, das man als auf dem Höhepunkt der Kunst stehend bezeichnen kann. Die folgenden Muster zeigen einen raschen Rückgang.

Fig. 9. Wappen der Familie Neudorffer (Nürnberg), nach einem Holzschnitt von Jost Amman (gest. 1591). Sogen. „heidnische“ Helmkrone, mit spitzen Zacken. Rechts neben dem Wappen steht eine weibliche Gestalt, das Charakteristische der Ammanschen Arbeiten.

Fig. 10. Wappen des Georg Nikol. von Merz, nach einem Buchzeichen des vorigen Jahrhunderts, in welchem sich bereits eine Entartung des Wappenstils zeigt. Auf dem Helme müßte der Symmetrie wegen ein Doppelflug stehen.

Fig. 11. Wappen des Freiherrn von Schiller (Sohn des Dichters, von dem König von Württemberg 1845 in den Freiherrenstand erhoben). Unsre Abbildung, dem gleichzeitigen Dorstschen Wappenbuch entnommen, gehört zu den bessern Leistungen der mittlern Schule der Heroldskunst. Die Ordnung der Helme ist fehlerhaft; auf dem ersten Helm müßten zwei Pfeile schräggekreuzt stehen.

Fig. 12. Wappen des Königreichs Bayern, nach einem Kupferstich der Gegenwart. Die Visierung des Wappens stammt aus der Regierungszeit des Königs Ludwig II. und stellt ein gutes Muster der modernen Fürstenwappen dar, die durch ihre heraldische Prachtentfaltung beachtenswert sind.


Zu Tafel II. Wappen und Landesfarben sämtlicher Staaten.
Auf der Tafel sind nur die sogen. kleinen oder mittlern Wappen dargestellt, sämtlich ohne die Nebenstücke der Kronen, Helme, Wappenmäntel, Schildhalter, Orden etc.

Ägypten. Nach amtlicher Darstellung: In Blau ein silberner, die Spitzen nach links kehrender Halbmond, gefüllt mit drei (2, 1) silbernen Sternen. Der breite Rand des runden Schildes ist abwechselnd mit einem Stern und je zwei abgewendeten Halbmonden belegt. Der Schild ist mit einer gefütterten Bügelkrone besetzt und zu deren Seiten mit je drei zepterartigen Stäben schräg hinterlegt, auf deren Spitze Roßschweife, überhöht von Halbmond und Stern, befestigt sind. Das Ganze umgibt ein purpurner Wappenmantel, der mit einer zweiten Bügelkrone bedeckt ist. – Fälschlich wird ein Briefmarkentypus (Sphinx vor einer Pyramide) als Wappen bezeichnet. – Landesfarben: Rot, Weiß.

Anhalt (s. Tafel). Gespalten: vorn in Silber ein halber roter Adler am Spalt (Brandenburg); hinten das sächsische Wappen (der Stammvater des anhaltischen Hauses war ein Enkel des Markgrafen Albrecht des Bären von Brandenburg und ein Sohn Bernhards, des ersten Herzogs von Sachsen aus dem askanischen Haus). – Landesfarben: Weiß, Grün.

Argentinische Republik. Von Silber und Blau quergeteilt mit einer roten Freiheitsmütze auf goldener Pike, die von Lorbeerkränzen umwunden ist; in der untern Hälfte des Schildes zwei sogen. „Treuhände“, d. h. zwei aus den Schildesrändern hervorgehende Arme mit ineinander gelegten Händen. – Landesfarben: Blau, Weiß, Blau.

Baden (s. Tafel). Roter Pfahl in Gold. – Landesfarben: Rot, Gelb.

Bayern (s. Tafel). Von Blau und Silber gerautet. (Seit ältester Zeit hiermit verbunden ist das Wappen der Pfalz am Rhein: in Schwarz ein rotbewehrter, rotgekrönter goldener Löwe.) – Landesfarben: Weiß, Blau.

Belgien (s. Tafel). In Schwarz ein goldener Löwe, Wappen des Herzogtums Brabant. – Landesfarben: Schwarz, Gold, Rot.

Bolivia. Landschaft mit schneebedecktem Berg im Hintergrund, rechts vorn ein Lama, links eine Kapelle, am Himmel die Sonne. – Landesfarben: Rot, Grün, Gelb.

Brasilien (s. Tafel). Innerhalb eines blauen, golden eingefaßten und mit silbernen Sternen belegten Reifens (Armillarsphäre) ein rotes, silbern eingefaßtes, etwas ausgeschweiftes Kreuz, belegt mit einer goldenen Weltkugel, deren Meridiane, Wendekreise und Ekliptik auch wohl rot tingiert werden, alles im grünen Feld. Bereits im 16. Jahrh. unter portugiesischer Herrschaft erfundenes symbolisches Wappen. Die Weltkugel soll die Heinrichs des Seefahrers sein, das Kreuz das des Christusordens. – Landesfarben: Grün, Gelb.

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 384a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0384a.jpg&oldid=- (Version vom 3.6.2022)