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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

Acetal jedem W. mitgeteilt werden kann. Manche Riechstoffe der Trauben (Muskateller, Isabelltrauben) gehen direkt in den W. über, und man unterscheidet demnach gewürzhafte und Boukettweine, ohne zwischen beiden eine scharfe Grenze ziehen zu können. Zur Hebung des Bouketts werden verschiedene Blätter, Blüten und Früchte, besonders die Blüte des Weinstocks und Holunderblüten, benutzt. Bemerkenswert ist, daß eine Ölemulsion, gärendem Most oder gärender weinsaurer Zuckerlösung zugesetzt, starken Weingeruch erzeugt. Ein bestimmter Gehalt des Bodens der Weinberge an Kali soll der Entwickelung des Bouketts sehr förderlich sein.

Bei der Weinbereitung ergeben sich mehrere Rückstände und Abfälle. Die Treber dienen zur Darstellung von Branntwein, Grünspan, Essig, Pottasche, Leuchtgas, als Viehfutter, zuletzt als Brennmaterial und Dünger. Aus den Kernen gewinnt man fettes Öl und Gerbsäure. Das Weingeläger liefert Branntwein, Drusenöl, Weinstein, Pottasche, und aus den Stielen und Kernen bereitet man auch durch Verkohlen ein schwarzes Farbmaterial (Weinrebenschwarz, Frankfurter Schwarz). Der in den Fässern sich abscheidende Weinstein wird gereinigt und auf Weinsäure verarbeitet.

Gewöhnlich teilt man die Weine in Weiß-, Rot- und hellrote Schillerweine, außerdem in folgende Hauptsorten ein: 1) Süße Weine (Likörweine, Strohweine, Essenzen), z. B. Lunel, Malaga, Roussillon. Madeira, Tokayer, Kanariensekt und ähnliche Weine bilden eigentlich eine besondere Gruppe. 2) Saure oder harte Weine, wie die Rhein-, Mosel- und Ungarweine. 3) Geistige (alkoholreiche) Weine sind die Burgunder-, Portweine, viele italienische, spanische, griechische Weine etc. 4) Adstringierende (gerbstoffreiche) Weine, wie Bordeaux, manche Rheinweine etc. 5) Schaumweine, Champagner, moussierender Burgunder, Ungar-, Rheinwein etc. Wichtiger als diese doch nicht streng durchzuführende Einteilung ist die Gruppierung der Weine nach den Produktionsländern (s. die einzelnen Artikel: Bordeauxweine, Moselweine, Rheinweine, Ungarweine etc.). Die Weinkultur erstreckt sich über alle Erdteile; am bedeutendsten ist sie in Europa, wo man den Weinbau durch besondere Fachschulen, die önochemischen Versuchsstationen (Karlsruhe, Wiesbaden, Klosterneuburg) u. Weinbauvereine zu fördern sucht. Die durchschnittliche Jahresproduktion von W. beträgt (in Hektolitern) in

Frankreich 36679000
Italien 21759000
Spanien 20519000
Österreich-Ungarn 8920000
Portugal 4000000
Deutsches Reich 2089200
Griechenland 2000000
Rußland 1840000
Rumänien 1000000
Schweiz 600000
Serbien 500000
Belgien 1500
Europa 99907700
Verein. Staaten 800000
Algerien 690000
Kapland 170000
Australien 72000
Außereuropäische Gebiete 1732000
Gesamtproduktion 101639700

Der mittlere Weinverbrauch pro Kopf der Bevölkerung beträgt in Litern in Frankreich 102,1, Spanien 79,1, Portugal 75,9, Italien 70,7, Schweiz 47,0, Österreich-Ungarn 21,1, Deutschland 4,8, Holland 3,0, Großbritannien 2,0, Norwegen 0,9, Schweden 0,5. Von den zahlreichen Weinsorten haben sich nur wenige zu dem Rang von Weltweinen aufgeschwungen und werden überall getrunken, so besonders Portwein, Madeira und Champagner, von denen aber der zweite gegenwärtig geringere Bedeutung hat. Nächstdem haben Bordeaux und Burgunder die größte Verbreitung, in dritter Reihe der spanische Sherry und die Rheinweine.

Schaumweine (Champagner).

Schaumweine (moussierende Weine, Champagner) sind gewöhnlich gute Weine, welche so viel Kohlensäure enthalten, daß sie beim Ausgießen aus der Flasche stark moussieren. Zur Darstellung derselben verarbeitet man meist eine Mischung von weißen und roten Trauben, entbeert diese, keltert schnell oder läßt die Maische, wenn der W. rötlich werden soll, leicht angären und hält darauf, daß der Most 18 Proz. Zucker und 0,6–0,75 Proz. Säure enthält. Um die Gärung zu mäßigen und den W. alkoholreicher zu machen, setzt man 1 Proz. Kognak hinzu. Im Frühjahr des nächsten Jahrs hat der auf gewöhnliche Weise behandelte W. genügende Reife erlangt, oft werden dann mehrere Weinsorten gemischt, um ein geeignetes Produkt zu erhalten. Dies wird, wenn nötig, geschönt und nach hinreichender Klärung auf sehr starke Flaschen gefüllt, welche einen hohen innern Druck ertragen. Auf jede Flasche fügt man ein bestimmtes Quantum ganz reiner Zuckerlösung (aus Raffinade bereiteter Sirup), bisweilen auch starken alten W. hinzu, in welch letzterm Fall der W. mit dem Anschein des Alters versandt werden kann, bevor er ein Jahr alt ist. Die gefüllten, verkorkten, mit Bindfaden und Eisendraht verbundenen Flaschen werden im Gärlokal liegend aufgeschichtet und beginnen alsbald zu arbeiten. Durch die noch in dem jungen W. enthaltene Hefe wird die Gärung von neuem eingeleitet, und der zugesetzte Zucker zerfällt in Alkohol und Kohlensäure, während die umgewandelten fermentartigen Körper sich als Bodensatz abscheiden. Ein auf den Flaschen angebrachtes Manometer läßt den Gasdruck erkennen, welcher dem Grade der Vergärung des zugesetzten Zuckers entspricht. In diesem Zustand wird der W. in der Champagne als vin brut an die Weinhändler von Reims, Epernay, Châlons etc. verkauft und erfährt nun die letzte Behandlung. Die Flaschen werden tüchtig gerüttelt, damit der Bodensatz sich gleichmäßig verteile, und dann in schräger Lage mit der Mündung nach unten im Keller aufgeschichtet. Nach einigen Tagen bringt man durch einen geschickten Ruck den Bodensatz, welcher sich etwa in der Schulter der Flasche angesammelt hat, dem Kork etwas näher und vergrößert allmählich die Neigung der Flasche, bis der Bodensatz auf dem Kork liegt und die Flasche vertikal auf diesem steht. Das Entfernen des Niederschlags aus der Flasche geschieht durch das Degorgieren, wobei man den gelösten Pfropfen geschickt abspringen läßt, damit der herausspritzende W. den Niederschlag mit fortreißt. In demselben Moment reinigt man den Flaschenhals von noch anhaftender Hefe mit dem Finger, füllt die Flasche sofort wieder mit Dosierungslikör, verkorkt sie und überschnürt den Kork mit Bindfaden und Draht. Diese Operationen müssen ungemein schnell ausgeführt werden, damit noch hinreichend Kohlensäure im W. bleibt. Der Likör, welcher den Schaumwein seinen spezifischen Geschmack gibt, ist eine Lösung von Kandis in demselben W., enthält aber noch Kognak, andre Weine und Essenzen, Himbeerwasser, Kirschwasser etc.; ein Teil des Zuckers wird gegenwärtig oft durch Glycerin ersetzt. Gewöhnlich genügen 12–13 Proz. Likör, man setzt aber auch 16 Proz. und mehr hinzu. Zum Färben des Weins dient ein durch Kochen von Holunderbeeren mit Weinstein erhaltenes Präparat, welches nach der Stadt, wo es im großen bereitet wird, Fismes heißt. Der Crémant rose ist vielfach beliebter als der reine W., obwohl er einen härtern Geschmack und ein ganz besonderes Parfüm besitzt. Seine

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0495.jpg&oldid=- (Version vom 11.10.2022)