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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

Durchmesser und sind mit einer festen Schale umgeben; die W. legt ihrer 60–80 in ein mit dem Vorderkörper gebildetes Loch, welches sie dann wieder mit lockerer Erde füllt. Die Entwickelung dauert etwa 26 Tage. Die W. ist in Süd- und Mitteldeutschland überall häufig und findet sich hier auch im Diluvium, in Norddeutschland findet sie sich nur an bestimmten Orten, namentlich in der Nähe menschlicher Wohnungen, was in den Nachbarländern Deutschlands von den Ostseeprovinzen bis England noch deutlicher hervortritt und für eine Einführung in historischer Zeit (wahrscheinlich durch Mönche) spricht. Seit alten Zeiten bildet die W. im mittlern Deutschland, besonders zur Faschings- und Fastenzeit, eine beliebte Speise; doch spielte sie früher eine viel größere Rolle als jetzt und wurde in der Schweiz und in den Donaugegenden in eignen Gärten gemästet. Man sammelt sie im Herbst und bewahrt sie zwischen Hafer od. dgl. auf. In Südeuropa, besonders in Italien, sind andre Arten der Gattung Helix als Volksnahrungsmittel wichtig, namentlich H. adspersa Müll., vermiculata Müll., naticoides Müll. u. a.; auch im Altertum schätzten und züchteten die Römer Schnecken. Vgl. Pfeiffer, Monographia heliceorum viventium (Leipz. 1848–69, 9 Bde.); Albers, Die Heliceen nach natürlicher Verwandtschaft (2. Ausg., das. 1860).

Weinblätter, Hautkrankheit, s. Kupferausschlag.

Weinbranntwein, s. Franzbranntwein.

Weinbrenner, Friedrich, Architekt und Schriftsteller, geb. 9. Nov. 1766 zu Karlsruhe, studierte daselbst, übernahm 1787 die Leitung mehrerer Bauten in der Schweiz und ging 1791 nach Italien. In Rom unternahm er mehrere sinnreiche Restaurationen antiker Gebäude. 1797 nach Deutschland zurückgekehrt, ließ er sich zu Straßburg nieder, wo er den Plan zum Monument des Generals Desaix, zu jenem des Generals Beaupuy bei Neubreisach, den Entwurf zu dem vom französischen Direktorium projektierten Nationaldenkmal der Republik auf dem Platz des Château de Trompettes in Bordeaux und den Plan zu einem 1801 in Straßburg projektierten Friedensdenkmal fertigte. Diese Entwürfe gründeten seinen Ruf, worauf er als Bauinspektor nach Karlsruhe berufen und später zum Oberbaudirektor ernannt wurde. Er baute hier die neue katholische und lutherische Kirche, die Synagoge, das Rathaus, das (abgebrannte) Theater, das Ettlinger Thor, mehrere Palais, die ältere Kaserne etc. W. starb 1. März 1826 in Karlsruhe. Von seinen Schülern sind Moller, Eisenlohr und Hübsch zu erwähnen. Seine in antikisierendem Stil gehaltenen Bauten zeichnen sich durch praktischen Sinn in der Anordnung und große Virtuosität in der Konstruktion aus; doch sind die Details oft schwer und flach, und der Eindruck ist kalt und prosaisch. Von seinen Schriften sind zu nennen: „Architektonisches Lehrbuch“ (Stuttg. 1810–25, 3 Bde); „Entwürfe u. Ergänzungen antiker Gebäude“ (Karlsr. 1822–34, 2 Hefte); „Ausgeführte und projektierte Gebäude“ (das. 1823–35, 4 Hefte). Seine „Denkwürdigkeiten“ wurden von Schreiber (Heidelb. 1829) herausgegeben.

Weinen, die durch körperlichen Schmerz oder verschiedenartige Gemütserregungen bis zum Überfließen der Augen gesteigerte Absonderung der Thränen (s. d.). Obwohl bei Weibern u. Kindern am häufigsten, ist das W. doch nicht als Zeichen einer Schwäche zu betrachten; es ist wesentlich auch vom körperlichen Befinden abhängig, alle Reize, welche den sensibeln Augenast des Nervus trigeminus treffen, erregen die Thränenabsonderung, und bei manchen Menschen thut dies auch reichlicher Genuß alkoholischer Getränke. Immerhin spielen psychische Affekte die Hauptrolle beim W., welches sich bei Hysterischen (s. Hysterie) zum Weinkrampf steigert.

Weingarten, 1) Stadt im württemberg. Donaukreis, Oberamt Ravensburg, 1865 aus dem Flecken Altdorf und dem Schloß W. gebildet, 485 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Pfarrkirche, eine Dampfstraßenbahn nach Ravensburg, ein Forstamt, Flachsspinnerei, eine Maschinenfabrik, Holzmanufaktur, Preßhefenfabrikation und Branntweinbrennerei, Strumpfstrickerei, Viehhandel und (1885) mit der Garnison (3. Infanterie-Bat. Nr. 120) 5448 meist kath. Einwohner. Das prachtvolle Schloß W. (jetzt Kaserne) war vormals Sitz einer freien Reichsabtei des Benediktinerordens, welche, als Frauenkloster ursprünglich 920 von den Welfen in Altdorf gegründet, 1047 in ein Mönchskloster umgewandelt, 1053 nach einem Brand in das Stammschloß der welfischen Familie (das gegenwärtige Gebäude) verlegt, 1803 säkularisiert und 1806 an Württemberg gegeben ward. Die Abtei (ehemals mit berühmter Bibliothek, besonders mit wertvollen Handschriften der Minnesänger) umfaßte ein Gebiet von 330 qkm (6 QM.). Die von 1715 bis 1725 im Jesuitenstil erbaute Klosterkirche enthält die Gruft der Ahnen des Welfenhauses, alte Malereien, eine der größten Orgeln (mit 6666 Pfeifen und 75 Registern), ein Welfendenkmal (1859 vom König Georg V. von Hannover errichtet) und unter den Reliquien einen „Tropfen vom Blut Christi“, der die Veranlassung zum jährlichen „Blutritt“, einer Wallfahrt, gegeben. Zu W. ward 22. April 1525 ein Vertrag zwischen den aufständischen Bauern und dem Truchseß von Waldburg geschlossen. – 2) Flecken im bad. Kreis Karlsruhe, an der Linie Mannheim-Konstanz der Badischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, eine Schloßruine, Tabaks- und Weinbau, Porzellanfabrikation und (1885) 3570 meist evang. Einwohner.

Weingarten, Hermann, protest. Kirchenhistoriker, geb. 12. März 1834 zu Berlin, studierte in Jena und Berlin Theologie, habilitierte sich 1862 an der letztgenannten Fakultät als Privatdozent, wurde 1868 außerordentlicher Professor, war zugleich (1858–64) Adjunkt am königlichen Joachimsthalschen Gymnasium und bis 1873 Oberlehrer an der Andreasschule. 1873 wurde er als ordentlicher Professor nach Marburg, 1876 nach Breslau berufen. Er veröffentlichte: „Pascal als Apologet des Christentums“ (Leipz. 1862), „Die Revolutionskirchen Englands“ (das. 1868), „Zeittafeln zur Kirchengeschichte“ (3. Aufl., das. 1888), „Der Ursprung des Mönchtums im nachkonstantinischen Zeitalter“ (Gotha 1877) und gab Rothes „Vorlesungen über Kirchengeschichte“ (Heidelb. 1875) heraus.

Weingeist, s. Alkohol.

Weinheim, Stadt im bad. Kreis Mannheim, an der Weschnitz, am Fuß des Odenwaldes und an der Linie Frankfurt-Heidelberg der Main-Neckarbahn, die ansehnlichste Stadt an der Bergstraße, hat 4 Kirchen (darunter die über 800 Jahre alte Peterskirche), ein Schloß des Freiherrn von Berkheim mit großem und schönem Park, ein Templer- und Deutschordenshaus (jetzt Amtslokal), zahlreiche schöne Villen, eine höhere Bürgerschule, ein Rettungshaus, ein Amtsgericht, eine Bezirksforstei, Leder-, Maschinen-, Gewehrschäfte-, Stuhl-, Schuhleisten-, Seifen- und Teigwarenfabrikation, eine chemische Fabrik, Seidenfärberei und -Zwirnerei, Ziegeleien, Weinbau, Obstbau (besonders Nüsse und Kastanien) und (1885) 7595 meist evang. Einwohner. Türme und Gräben zeugen von

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 499. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0499.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2022)