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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

man die völlige Reife sämtlicher Trauben abwarten, da mit dem fortschreitenden Reifungsprozeß der Zuckergehalt der Trauben wächst und der Säuregehalt abnimmt. Ein Nachreifen der abgeschnittenen Trauben, ähnlich dem des Obstes, findet nicht statt. Erhält die reife Beere bei längerm Hängen am Stock durch die Sonne eine lichte Bräunung („der Fuchs hat sie geleckt“), so nennt man sie edelreif und bei noch weiter vorgeschrittener Reifung, wobei schon eine gewisse Zersetzung beginnt, edelfaul. Möglichst später Lesung verdanken die Weine des Rheingaues, Tokays und der Gironde ihre vorzüglichen Eigenschaften; doch eignen sich nicht alle Traubensorten dazu. Man erntet die Trauben durch Abbrechen mit der Hand, durch Abschneiden mit dem Messer oder mit der Schere und benutzt für Tafeltrauben eine solche Schere, welche die abgeschnittene Traube festhält, nicht fallen läßt. Man benutzt die Trauben in erster Linie zur Bereitung von Wein, dann als Tafeltrauben, zur Traubenkur, getrocknet als Rosinen; den Most dickt man zu Traubensirup ein, welcher zur Weinbereitung und zum häuslichen Gebrauch dient; auch kocht man aus reifen Trauben Marmelade (raisiné, charlotte d’automne) und benutzt sie zu Traubenlikör. Die Traubenkerne geben fettes Öl und Gerbstoff. Das Weinlaub, welches beim Schnitte der Reben abfällt, dient als Viehfutter und Gründünger, das Holz zu Drechslerarbeiten, Pottaschebereitung und als Brennmaterial, die Reben liefern Spazierstöcke. Über Geschichte, Statistik und Litteratur s. Wein.

Weinstockfallkäfer, s. Blattkäfer.

Weintraubenkur, s. Traubenkur.

Weinwurm, Rudolf, Männergesangskomponist, geb. 3. April 1835 zu Scheideldorf in Niederösterreich, erhielt seine musikalische Erziehung als Kapellknabe in Wien, studierte dann zeitweilig Theologie, widmete sich aber bald ausschließlich der Musik, zunächst als Dirigent des von ihm 1857 gegründeten Akademischen Gesangvereins. 1864 übernahm er die Leitung der Wiener Singakademie und 1866 die des dortigen Männergesangvereins; außerdem wirkt er mit Erfolg als Gesanglehrer an der Universität und an der Lehrerbildungsanstalt zu St. Anna. Als Komponist hat er sich durch zahlreiche gediegene Arbeiten für Männerchor einen Namen gemacht.

Weinwurzel, s. Geum.

Weinzapfer, s. v. w. Schwanzmeise, s. Meise.

Weipert, Stadt in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Kaaden, hart an der sächsischen Grenze, an der Buschtiehrader Bahn (Linie Komotau-W.) und an der Sächsischen Staatsbahn (Annaberg-W.), hat Bergbau, Fabrikation von Spitzen, Posamentier- und Wirkwaren, Gewehren und (1880) 6308 Einw.

Weisbach, Julius, Mathematiker und Hydrauliker, geb. 10. Aug. 1806 zu Mittelschmiedeberg bei Annaberg, studierte seit 1822 an der Bergakademie in Freiberg, 1827 in Göttingen und 1829 in Wien, bereiste dann die österreichischen Bergwerksbezirke und übernahm 1833 das Lehramt der angewandten Mathematik an der Freiberger Bergakademie, der er bis zu seinem Tod (24. Febr. 1871) angehörte. Weisbachs Hauptverdienste bestehen in seinen hydraulischen Arbeiten, seiner Bearbeitung der Mechanik und in Einführung und Ausbildung der neuern Markscheidekunst; auch schuf er die Axonometrie, von welcher früher nur Farish’ isometrische Darstellung bekannt war. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: „Handbuch der Bergmaschinenmechanik“ (Leipz. 1835 bis 1836, 2 Bde.); „Versuche über den Ausfluß des Wassers“ (das. 1842); „Versuche über die unvollkommene Kontraktion des Wassers beim Ausfluß desselben aus Röhren und Gefäßen“ (das. 1843); „Experimentalhydraulik“ (Freiberg 1855); „Lehrbuch der Ingenieur- und Maschinenmechanik“ (3 Tle., Braunschw. 1845–60; 1. u. 2. Teil, 5. Aufl. von G. Herrmann, 1870–87; 3. Teil, 2. Aufl. von demselben, 1876 ff.; noch nicht vollendet); „Der Ingenieur“ (das. 1848, 6. Aufl. 1874–77); „Die neue Markscheidekunst“ (das. 1851–59, 2 Bde.); „Anleitung zum axonometrischen Zeichnen“ (Freiberg 1857). Sieben Jahre lang nahm W. an der europäischen Gradmessung teil und hat während dieser Zeit ein genaues Höhennetz über Sachsen gelegt (vgl. den Bericht von Choulant, Freiberg 1870–74).

Weise, 1) Christian, Dichter, geb. 30. April 1642 zu Zittau, wurde, nachdem er in Leipzig studiert hatte, 1668 Sekretär bei einem Grafen von Leiningen, 1670 Professor am Gymnasium in Weißenfels und 1678 Rektor des Gymnasiums in Zittau, welches Amt er bis zu seinem Tod (21. Okt. 1708) bekleidete. W. war der letzte deutsche Dichter, der die „Schulkomödie“ des 16. und 17. Jahrh. zu erhalten suchte und durch seine Aufführungen am Gymnasium in Zittau einen Aufschwung derselben wenigstens in Sachsen bewirkte. Für die Zwecke seines Zittauer Schultheaters entwickelte er eine außerordentliche Fruchtbarkeit. Er schrieb neben lyrischen Gedichten („Überflüssige Gedanken der grünenden Jugend“, Leipz. 1668; „Reife Gedanken“, das. 1683; „Der grünenden Jugend notwendige Gedanken“, das. 1690; „Tugendlieder“, Bautz. 1719; „Buß- und Zeitandachten“, das. 1720), lehrhaften sogen. politischen Romanen (z. B. „Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt“, Leipz. 1672, neuer Abdruck, Halle 1878; „Die drei klügsten Leute in der ganzen Welt“, das. 1673) nicht weniger als 54 Schauspiele (Tragödien und Komödien), welche teils im „Zittauischen Theatrum“ (Zitt. 1683), in „Jugendlust“ (Frankf. 1684), in den „Proben von der vertrauten Redenskunst“ (Dresd. 1700) etc. gesammelt wurden, teils handschriftlich auf der Zittauer Stadtbibliothek liegen. W. suchte die Wirkungen der rein rhetorischen Schulkomödie mit der lebendigern Handlung, die er in Ayrers und Gryphius’ Dramen fand, zu verbinden, erstrebte im allgemeinen dem Schwulst der Lohensteinianer gegenüber eine gewisse Einfachheit und Natürlichkeit, brachte es aber über eine gewandte Trivialität, eine glatte Rede- und Versfertigkeit nicht hinaus und gab den ihm folgenden Dichtern ein schlimmes Beispiel selbstgenügsamer Mittelmäßigkeit. Echteres Verdienst als durch die massenhafte Flut seiner Poesien erwarb er sich durch die Reformen, die er im Schulwesen einführte und anbahnte, wie er denn besonders auf die Übung in deutschen Ausarbeitungen drang und den Sinn für vaterländische Dichtung zu wecken und zu pflegen bemüht gewesen ist. Vgl. Kornemann, Chr. W. als Dramatiker (Marb. 1853); Palm, Christian W. (Bresl. 1854); Derselbe, Beiträge zur Geschichte der deutschen Litteratur etc. (das. 1877).

2) Wilhelm, Forstmann, geb. 10. April 1846 zu Brandenburg, studierte Staats- und Rechtswissenschaft in Berlin, seit 1868 Forstwissenschaft in Eberswalde und Münden, war 1877–83, zuletzt als Forstmeister, Dirigent des forstlichen Versuchswesens und Dozent bei der Forstakademie Eberswalde und wurde 1883 als Forstrat und Professor der Forstwissenschaft an das Polytechnikum in Karlsruhe berufen. Er schrieb: „Die Taxation des Mittelwaldes“ (Berl. 1878), „Ertragstafeln für die Kiefer“ (das. 1880),

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0505.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2022)