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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 18

Zinn an prähistorischen Fundstätten ist man nun aber auf Antimon gestoßen. Antimonknöpfe fanden sich in Gräbern am Nordrande des Gebirges, ferner ist Antimon aus assyrisch-babylonischen Fundstätten bekannt geworden und im Mestem, der Augenschminke der alten Ägypter, enthalten. Hierdurch widerlegt sich die frühere Annahme, als sei das Antimon erst im Mittelalter bekannt geworden. Bessere Aufschlüsse über den Gang der kaukasischen Kultur erhält man bei Berücksichtigung der Ornamente auf den kaukasischen Bronzen. Obenan steht der Gürtelschmuck für Männer aus Bronzeblechen, die vorn durch ein Schloß von beträchtlicher Größe zusammengehalten werden. In den Funden aus dem Norden des Gebirges zeigen die Bleche keine oder nur ganz unbedeutende Verzierungen, das Schloß dagegen zeigt reiche, eingepunzte und oft mit Email gefüllte Ornamente. Die Gürtel aus dem Süden besitzen rundherum eine sehr ausgebildete, künstlerische Verzierung, die jedoch so zart ist, daß sie bei der Zerbrechlichkeit der sehr dünnen Bleche oft schwer sichtbar zu machen ist. Die Motive des Ornaments sind stets dem Tierreich entnommen und weisen auf den mandschurischen Hirsch und den Grunzochsen hin. Ein Anhalt, daß diese Tiere jemals im Kaukasus gelebt haben, besteht nicht, und somit weisen die Ornamente nach dem östlichen Asien hin, wo jene gegenwärtig vorkommen. Im zweiten Teil seines Vortrags berichtete Virchow über die neuesten Ausgrabungen Schliemanns am Hügel Hissarlik.

Prof. Schaaffhausen-Bonn sprach über das Alter des Menschengeschlechts. Nach der mosaischen Überlieferung ist das Menschengeschlecht 6000 Jahre alt, nach Lyell 200,000 Jahre. Am wahrscheinlichsten dürfte ein Alter von 15–20,000 Jahren sein; immerhin beruht auch das auf bloßer Schätzung. Als man die Spuren der Eiszeit entdeckte, meinte man zunächst, der Mensch könne erst nach dieser entstanden sein. Aber die Funde von Wetzikon, welche Beweise für das gleichzeitige Dasein von Mensch und Moschusrind zeigten, bewiesen, daß der Mensch schon während der Eiszeit gelebt habe. Seine Spuren im Tertiär bleiben allerdings zweifelhaft, obwohl man doch annehmen muß, daß der Mensch auch bereits der Tertiärzeit angehörte. Lage und Funde sprechen dafür, daß der Mensch zusammen mit dem Mastodon in Amerika gelebt hat, und einen sichern Beweis seines gleichzeitigen Vorkommens mit dem Mammut in Europa liefern die des Markes wegen frisch ausgeschlagenen Knochen aus den Höhlen von Krakau und Mähren. Die Rassen entstehen unter dem Einfluß von Klima und Kultur, die niedrigsten Rassen sind die ältesten, und die Merkmale roher Rassen kehren in fossilen Funden wieder; dem kinnlosen Unterkiefer von La Naulette gleicht der Kiefer der Wilden von Neuguinea. Die große Alveole der letzten Mahlzähne bei jenen entspricht den letzten großen Mahlzähnen der Australier. Die Männer der Höhle von Spy lassen erkennen, daß der aufrechte Gang des Menschen sich allmählich entwickelt hat. Dem entsprechend gehen die rohesten Wilden mit vorgebeugtem Körper und gebogenem Knie. Die Lage des Hinterhauptloches, die hinten abgerundete Tibia, die geringe Entwickelung der Wadenmuskeln, die mehr ausgehöhlte hintere Gelenkfläche des Metatarsus der großen Zehe beim Wilden wie beim vorgeschichtlichen Menschen – das alles steht im notwendigen Zusammenhang. Die helle Farbe von Haut und Haar ist wie die blaue Iris ein Erwerb der Kultur. Sie finden sich bei keiner wilden Rasse, nicht bei den höhern Affen, nicht bei den Säugetieren im freien Zustand, nur ausnahmsweise bei Haustieren, wie beim Hunde; doch kommt die blaue Iris bei Vögeln vor, bei der Gans infolge der Zähmung. Wenn man den Ursprung betrachtet, gibt es nur zwei Rassen, die mongolische und die äthiopische; die kaukasische ist ein Erzeugnis der Kultur. Alte Schriftsteller schildern die heutigen Bewohner Europas als Barbaren, und die Schädelfunde entsprechen diesem Urteil. Daß aber die Rassen als solche schon sehr alt sind, beweisen die ägyptischen Wandmalereien, die 1500 v. Chr. hellfarbige, blauäugige Menschen neben dem Neger, dem Juden, Mongolen und dem bezopften Chinesen zeigen. Neben diesen rohen Rassen geben sie aber auch edlere Züge in den Bildern der Herrschergeschlechter, die schon erkennbar auf das griechische Schönheitsideal hinweisen. In Fayum haben sich Abbildungen menschlicher Gesichter gefunden, die aussehen, als wenn sie Leuten von heutzutage angehörten. In der Größe des Gehirns drückt sich der Unterschied zwischen Mensch und Tier am greifbarsten aus. Zwischen höhern und niedern Rassen beträgt der Unterschied in der Größe des Gehirns 150–200 ccm. Schon in der Vorzeit gab es Kurz- und Langschädel ebenso wie Mittelformen, aber der Schädelindex erschöpft die Eigenart der Schädelform nicht, also auch nicht die Bildung des Gehirns, und der große Fortschritt der Menschheit ist undenkbar ohne die Fortentwickelung des Gehirns, also auch des Schädels. Der Gorillaschädel hat einen durchschnittlichen Inhalt von 485 ccm, der des Neanderthalmenschen einen solchen von 1099, der des Philosophen Kant einen solchen von 1730 ccm. Sicher hat das Klima Einfluß auf die Schädelbildung; ist der Mensch in den Tropen entstanden, so hat er doch seine höchste Ausbildung in den gemäßigten Klimaten erlangt. In Europa wohnte vor den Kelten ein den Lappen verwandtes Volk; wer vor diesem da war, wissen wir nicht. Der Neanderthaler hat nichts vom Kelten und nichts vom Lappen. Da der in ihm vertretene eigentümliche Formenbau in den Skeletten von Spy sich nahezu wiederfindet, so kann man mit Wahrscheinlichkeit schließen, daß dieser Formenbau der Typus einer eingebornen Rasse ist. Amerika hatte keine ureingeborne Rasse; überall weist die Überlieferung auf erfolgte Einwanderung hin. Der Affe brachte es in Amerika nicht über die geschwänzten Formen hinaus. Auch Australien besitzt nur eingewanderte Bewohner, die Tierwelt leistet dort ihr Höchstes in den niedrigstehenden Beuteltieren. Was übrigens die Thatsachen der Brachy- und Dolichokephalie betrifft, so sind diese nicht so unveränderlich, wie es vielleicht scheinen könnte. Unter den kurzköpfigen Mongolen treten langköpfige Chinesen auf, und unter den langköpfigen Negern stößt man auf nicht wenige kurzschädelige Stämme und Individuen. Der Neanderthaler ist langschädelig, aber die große Länge wird hervorgebracht durch den Bau der Stirnteile und der Augenhöhlen; rechnet man diese Vorsprünge ab, so bleibt eine Mittelform, ja fast Kurzköpfigkeit übrig. Über alle diese Verhältnisse kann man auf keine andre Weise endgültigen Aufschluß gewinnen als mit Hilfe der Entwickelungsgeschichte.

Den letzten Vortrag hielt Dr. Buschau über Heimat und Alter der europäischen Kulturpflanzen. Die älteste Halmfrucht ist der Weizen, schon 3000 Jahre v. Chr. wurde er der Sage nach in China eingeführt; bei uns, ebenso in Österreich, Italien, Frankreich, Ungarn, der Schweiz, kommt er schon recht häufig in der jüngern Steinzeit vor, häufiger noch in der Bronzezeit. Die Insel Laaland ist die nördlichste seiner alten Fundstellen; in den Kjökkenmöddinger

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 18. Bibliographisches Institut, Leipzig 1891, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b18_s0044.jpg&oldid=- (Version vom 16.3.2023)