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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 18

indem oben eine Umkehrung gegen unten beobachtet wurde. Während sich nämlich unten im Mittel der 101 Tage der bekannte Gang mit einem Minimum um Sonnenaufgang und einem Maximum um 1 Uhr nachmittags zeigte, ergaben die Aufzeichnungen des Anemometers oben das Minimum um 10 Uhr vormittags und das Maximum um 11 Uhr abends. Am deutlichsten tritt diese Umkehrung in den Verhältniszahlen der Windgeschwindigkeit oben und unten hervor. Zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens ist dieselbe ungefähr 5 (oben 5mal so groß als unten), sinkt dann schnell auf 2, behält diesen Wert zwischen 10 Uhr vormittags und 2 Uhr nachmittags und steigt dann wieder regelmäßig bis Mitternacht. Eine etwanige Beeinflussung, welche die Erwärmung des Turmes auf die Windgeschwindigkeit ausüben könnte, ist dabei entschieden ausgeschlossen, weil sich dasselbe Resultat ergibt, wenn man entweder nur die vollständig heitern oder die vollständig trüben Tage betrachtet und für jede dieser Gruppen besonders die mittlern Windgeschwindigkeiten berechnet. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich das Resultat, daß in 300 m Höhe der Gang der Windgeschwindigkeit in der freien Atmosphäre von dem in der Nähe des Erdbodens wesentlich verschieden ist und sich dem der höchsten Gipfelstationen nähert. Außerdem ist es auch von Wichtigkeit, daß die Windgeschwindigkeit in der Höhe von 300 m viel größer ist, als man sie gewöhnlich angenommen hat. Im Mittel übersteigt sie 7 m pro Sekunde; 39 Proz. der Beobachtungen ergeben über 8 m und 21 Proz. über 10 m pro Sekunde, ein Resultat, dessen Kenntnis für die Luftschiffahrt von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.

Endlich ist es noch von Interesse, daß auch Beobachtungen über einen Blitzschlag angestellt wurden, welcher 19. Aug. 1889 den E. traf. Bei starkem Nordwestwind und feinem Regen brach ein Blitz, ohne daß besondere Anzeichen für das Herannahen eines Gewitters vorhergegangen wären, aus den Wolken und fuhr mit fürchterlichem Knall in den Blitzableiter, welcher sich auf der Spitze des Turmes befindet. Der ganze Turm wurde in Schwingungen versetzt, welche mehrere Sekunden anhielten. Der Schall war ähnlich dem zweier kleinen Geschütze, die in kurzen Intervallen abgefeuert werden. Eine Erschütterung fühlte weder der Turmwächter, noch andre auf der Plattform zufällig anwesende Personen. Rings um die Plattform waren kurze Zeit vorher acht Blitzableiter aufgestellt, welche sogen. geräuschlose Entladungen hervorbrachten, die aber in Wirklichkeit von einem zischenden Geräusch begleitet waren.

Durch die Beobachtungen auf dem E. wird eine ganze Reihe von meteorologischen Fragen ihrer Entscheidung näher geführt werden können, besonders weil hier Gelegenheit geboten ist, nicht nur für zwei verschiedene Höhen, sondern auch für beliebig viele dazwischenliegende Höhen korrespondierende Beobachtungen anzustellen, was weder bei den Gipfelstationen noch bei Beobachtungen im Luftballon möglich ist.

Einsperren, Börsenausdruck, s. Schwänze.

Eis. In der Frage nach der Zusammensetzung des Eises, welches sich in Salzlösungen oder in Meerwasser gebildet hat, stehen zwei Ansichten einander gegenüber. Auf experimentellem Wege kam man zu dem Schlusse, daß E., welches durch Gefrieren von schwachen Salzlösungen entsteht, reines E. ist, und daß das Salz, von welchem man unmöglich das E. ganz befreien kann, der Mutterlauge angehört; durch Untersuchungen von Meerwassereis, welches aus hohen Breiten stammte, ist man zur entgegengesetzten Ansicht gekommen. J. Y. Buchanan glaubt nun auf Grund seiner Untersuchungen, welche er während der Reise des Challenger anstellte, annehmen zu dürfen, daß Meerwassereis keine Mischung von reinem E. und Salzsole ist, sondern daß es das darin enthaltene Salz im festen Zustand enthält. Es sind vornehmlich zwei Punkte, von deren Bestimmung die Entscheidung der Frage abhängt: 1) bei welcher Temperatur gefrieren Seewasser oder irgend welche andre Salzlösungen, und welches ist die chemische Zusammensetzung des festen und flüssigen Teiles, in den diese beim Gefrieren übergehen; 2) bei welcher Temperatur schmilzt reines E. in Seewasser oder in Salzlösungen von verschieden starker Konzentration.

In Bezug auf den ersten Punkt haben die Experimente ergeben, daß bei schwachen Lösungen der Prozentsatz an Chlor die Erniedrigung des Gefrierpunkts der Lösungen in Zentigraden angibt. Infolge besonderer physikalischer Eigenschaften ist es unmöglich, den kristallinischen festen Körper, welcher sich aus Seewasser oder analogen Salzlösungen ausscheidet, so herzustellen, daß man die Frage, ob das Salz einen integrierenden Bestandteil der festen kristallinischen Materie bildet oder nicht, direkt durch chemische Analyse lösen könne. Soweit diese sich anwenden läßt, kann man schließen, daß der sich bildende feste Körper reines E. ist. In der Natur bildet sich das E. an der Oberfläche wahrscheinlich bei einer fast gleichförmigen Temperatur, indem die lokale Konzentrierung, welche durch die Bildung eines Eiskristalls bedingt wird, sofort durch die darunter befindliche Wassermasse ausgeglichen wird. In den Zwischenräumen der Kristalle wird nun eine Menge leicht konzentrierten Seewassers zurückgehalten, die mindestens so groß ist wie die der Eiskristalle. Diese halten die Sole in einem Netze von Zellen, und in dem Maße, wie die Dicke des Eises wächst und die Gefrierfläche sich mehr und mehr entfernt, werden E. und Sole der atmosphärischen Kälte des arktischen Winters ausgesetzt. Die Sole setzt fortwährend E. ab, in gleichem Maße steigt aber der Prozentsatz an Salz und erniedrigt sich der Gefrierpunkt für die übrigbleibende Salzlösung. Fortgesetzte Wärmeentziehung bewirkt endlich die Erstarrung der Lösung als Ganzes in der Gestalt eines kristallinen Hydrats oder sogen. Kryohydrats. So scheidet sich zuerst das Kryohydrat von Chlornatrium aus, Chlorcalcium und Chlormagnesium behalten aber noch etwas Wasser, das selbst bei der niedrigsten Temperatur nicht gefriert. Wahrscheinlich ist es ganz unmöglich, daß Seewasser bei irgend einer in der Natur vorkommenden Kälte ganz gefriert.

Schnee oder reines E., welches in reinem Wasser unter gewöhnlichem Luftdruck bei 0° schmilzt, verändert seinen Schmelzpunkt, wenn es in eine Salzlösung eingetaucht wird. Die Veränderung der Schmelztemperatur ist für Lösungen von gleicher Zusammensetzung dieselbe und verschieden für Lösungen von verschiedener Zusammensetzung. Die Temperatur, bei welcher reines E. in einer Salzlösung schmilzt, ist identisch mit derjenigen, bei welcher sich E. aus derselben Lösung bei genügender Abkühlung ausscheidet. Wenn Salzlösungen hinreichend lange bei genügend niedriger Temperatur abgekühlt sind, so tritt bei einer gewissen Temperatur eine bestimmte Konzentrierung ein, jede fernere Wärmeentziehung veranlaßt ein weiteres Gefrieren der Sole. Die Konzentrierung, welche nötig ist, um selbst Kryohydrat von der höchsten Schmelztemperatur zum Festwerden zu bringen, ist derart, daß beim primären Gefrieren des Seewassers kein solcher Körper sich bilden kann. Daraus

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 18. Bibliographisches Institut, Leipzig 1891, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b18_s0232.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2022)