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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1

wurde die schwierige Frage wegen Aufhebung des Zwangscölibats der Geistlichkeit verhandelt, welche schon durch die Heiraten des Domherrn Suszczynski in Mogilew, des Abbé Chavard in Genf (vgl. dessen Schrift „Le célibat des prêtres et ses conséquences“, Genf 1874) und des Paters Hyacinthe (Loyson) angeregt worden war. Nach dem Vorgang Holtzendorffs („Das Priestercölibat“, Berl. 1873) widmete jetzt auch eine altkatholische Autorität ersten Ranges, v. Schulte in Bonn, der Sache eine eigne Schrift („Der Cölibatszwang und dessen Aufhebung“, Bonn 1876). Wie hier die Frage im Prinzip bejaht, die praktische Ausführung dagegen als eine Sache der Zweckmäßigkeit hingestellt wird, so thaten auch die zweite und die dritte Synode, bis endlich unter Hinweis darauf, daß die neue Reichsgesetzgebung das Ehehindernis der Priesterweihe nicht mehr kennt, die fünfte mit 75 gegen 22 Stimmen das Cölibat abschaffte, worin ihr die Schweizer Synode in Olten schon 1875 vorangegangen war. Freilich sind durch solche Vorgänge Geistliche, welche die ideale Seite des Cölibats hervorhoben, wie Reusch und Tangermann, der Sache des A. entfremdet worden, welche überdies durch den Tod eines hervorragenden Vorkämpfers, des Kreisphysikus Hasenclever in Düsseldorf (geb. 1813, gest. 7. Juni 1876), einen schweren Verlust erlitt. Günstig wirkte dagegen, außer dem erwähnten Reichsgesetz über die Eheschließung vom 6. Febr. 1875, das 4. Juli 1875 vom König bestätigte preußische Gesetz über die Rechte der altkatholischen Kirchengemeinden an dem kirchlichen Vermögen. Überhaupt beharrten Staatsregierung und Gerichte auch noch nach der Schwenkung der innern Politik seit 1878 an der Auffassung, daß die Altkatholiken als katholische Christen zu betrachten und zu behandeln seien. Übrigens existierten 1878 in Preußen 36 Gemeinden mit 21,650 Seelen; auf Baden kamen 44 Gemeinden mit 8674 Seelen, auf Hessen 5 Gemeinden mit 1171 Seelen, auf Bayern 34 Gemeinden mit 10,033 Seelen, auf Oldenburg 2 Gemeinden mit 247 Seelen, auf Württemberg 1 Gemeinde mit 227 Seelen. Die Seelenzahl in Deutschland überhaupt betrug 52,000, 1882 nur noch 35,000; in der Seelsorge wirkten 56, 1882 nur noch 48 Geistliche. Im J. 1877 wirkten in der Schweiz, wo 55 Gemeinden und 25 Vereine existierten, etwa 70 Geistliche an 73,000 Seelen. Hier hat überhaupt das nationale Gepräge der altkatholischen Sache bedeutende Förderung erfahren durch die von der Synode zu Olten 1876 vollzogene Wahl des Pfarrers Herzog von Bern zum Bischof. Überdies brachen die von der Synode aufgestellten Prinzipien viel entschiedener mit der hierarchischen Tradition, als dies den deutschen Altkatholiken möglich gewesen war. Die altkatholische Fakultät in Bern stellt sich würdig derjenigen in Bonn zur Seite. Die 1875 angenommene Synodalverfassung entspricht im allgemeinen der deutschen, und auch in Bezug auf die Zurückstellung der Ohrenbeichte hinter einer allgemeinen Bußandacht vor der Kommunion herrscht Übereinstimmung zwischen beiden Nationalkirchen. Beiderseits hat es aber auch an Rückschritten und traurigen Erfahrungen nicht gefehlt, und namentlich mußte in der Schweiz eine Reihe von Pfarrern, welche ihre Freiheit mißbraucht und Ärgernis gegeben hatten, entfernt werden. Auch die Stellung Loysons, des frühern Paters Hyacinthe, ist eine sehr schwierige geworden, indem er sich im Grunde doch nur noch durch seine Verheiratung von der alten Kirche geschieden weiß. In Österreich endlich hat sich das Abgeordnetenhaus der Altkatholiken seit 1875 angenommen; es kam infolgedessen zu der Verordnung des Kultusministers vom 18. Okt. 1877, wodurch die altkatholische Religionsgesellschaft anerkannt und zugleich die Konstituierung der Gemeinden in Wien, Warnsdorf und Ried genehmigt wurde. Vgl. Friedberg, Aktenstücke, die altkatholische Bewegung betreffend (Tübing. 1876); Förster, Der A. (Gotha 1879); Bühler, Der A. (Leid. 1880); Beyschlag, Der A. (Halle 1882).

Altkirch, Kreisstadt im deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen, Bezirk Oberelsaß, an der Ill und der Linie Mülhausen-Altmünsterol der Elsaß-Lothringer Eisenbahn, Sitz einer Kreisdirektion, eines Amtsgerichts und eines Hauptzollamts, hat eine evangelische und eine schöne katholische Kirche, ein Realprogymnasium, Bürgerhospital, Schlachthaus, eine Kornhalle, Weberei, Ziegelbrennerei, Steinbrüche und (1880) 3100 Einw., davon 223 Evangelische und 272 Juden.

Altkönig, s. Taunus.

Altlandsberg, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Niederbarnim, an der Stienitz, 6 km von der Eisenbahnstation Neuenhagen (Berlin-Königsberg-Eydtkuhnen), mit Amtsgericht und (1880) 2342 ev. Einwohnern.

Altlutheraner, s. Lutherische Kirche.

Altmark, das Stammland der Mark Brandenburg, Teil der Kurmark, 4515 qkm (82 QM.) groß mit ca. 195,000 Einw., wird durch die Elbe von der Priegnitz und Mittelmark geschieden und gehört seit 1815 zum Regierungsbezirk Magdeburg, von dem sie die Kreise Stendal, Gardelegen, Salzwedel und Osterburg umfaßt. Die A. hatte Stendal zur Hauptstadt und bildete als „Departement der Elbe“ 1807–13 einen Teil des Königreichs Westfalen. Weiteres über die Geschichte derselben s. Brandenburg.

Altmaß, das für den geklärten, ausgegornen Wein hier und da in Süddeutschland und der Schweiz gebräuchliche Maß (Trübeichmaß), im Gegensatz zu dem Jungmaß (Helleichmaß) für den trüben jungen Wein und den Most. In Frankfurt a. M. hat ein A. 1,7926 Lit.; 8 A. genau 9 Jung- oder Zapfmaß.

Altmühl, linker Nebenfluß der Donau in Bayern, entspringt auf dem südlichen Abhang des fränkischen Landrückens (auf der Hohen Leite), nordöstlich von Rotenburg, hat südöstliche Hauptrichtung und einen sehr gekrümmten, langsamen Lauf. Im mittlern und untern Teil desselben durchbricht sie in einem nach N. gekehrten Bogen den Jura, fließt meist in einem schmalen, steilhängigen Thal dahin und mündet unterhalb Kelheim. Ihre Länge beträgt 165 km. Nur durch Kunst ist sie 30 km aufwärts schiffbar gemacht (s. Ludwigskanal). Vgl. Weininger, Führer durch das Altmühlthal (Regensb. 1867); Kugler, Die Altmühlalp (Ingolst. 1868).

Altnordische Sprache, s. Nordische Sprache.

Alto (ital.), s. Bratsche.

Altobasso (ital.), ein veraltetes venezian. Musikinstrument, eine Art kleines Hackbrett.

Alt-Oboe, s. v. w. Englisch Horn.

Altodouro (spr. -dōiru), Landstrich in der portug. Provinz Traz os Montes, am Douro, ca. 45,000 Einw., ein reizendes Hügelgelände, Heimat der Portweine.

Altomonte (eigentlich Hohenberg), Martin, ital. Maler, geb. 8. Mai 1657 zu Neapel, stammte von deutschen Eltern ab, war Schüler Giovanni Battista Gaullis, genannt Bacciccio, ward in Rom vom Polenkönig Johann Sobieski III. zum Hofmaler ernannt, in dessen Auftrag er meist historische Bilder aus der Geschichte der Türkeneinfälle und der Belagerung Wiens (1683) durch die Türken lieferte.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0426.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2021)