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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1

und Mossamedes im S. mit den gleichnamigen Hauptorten. Dieser ganze portugiesische Besitz in Westafrika umfaßt nach sehr unsichern Berechnungen 809,400 qkm (14,600 QM.); die Bevölkerung wird auf 2 Mill. veranschlagt. Das Budget der Kolonie zeigt fortdauernd Defizits; 1883/84 waren die Einnahmen auf 553,052, die Ausgaben auf 729,789 Milreïs veranschlagt. Seit 1881 besteht ein Telegraph von Loanda über Dondo nach Cacullo (344 km), eine Eisenbahn von Loanda nach Ambaca (183 km) ist konzessioniert.

Die Küste von A. wurde 1486 durch den portugiesischen Seefahrer Diego Cão entdeckt. Bald darauf siedelten sich die Portugiesen am Zaïre und auch südlich von diesem Fluß an; doch erst 1578 begründeten sie die Stadt Loanda (São Paolo de Loanda), wo der Gouverneur seitdem residierte, und die früher vorzugsweise Congo genannte Landschaft erhielt seit jener Zeit den Namen A. Im J. 1640 wurden die Portugiesen von den Holländern aus Loanda vertrieben, und letztere blieben bis 1648 Herren des Platzes; hierauf fiel derselbe wieder an die Portugiesen zurück, die, einige kleine Kriege mit den Eingebornen abgerechnet, nun im ungestörten Besitz des Landes blieben, das indessen unter ihrer schlaffen Regierung fortdauernd in einem nichts weniger als blühenden Zustand sich befindet. Durch die portugiesische Mißverwaltung wird das reiche Land am Emporkommen gehindert. Militär- und Zivilgewalt liegen in denselben Händen; dadurch wird ein tyrannisches Erpressungssystem hervorgerufen, welches durch karge Besoldungen noch unterstützt wird. Die Budgets der Kolonie (1883/84: Einnahmen 591,402, Ausgaben 672,339 Milreïs à 4 Mk. 45 Pf.) weisen daher fortdauernd Defizits auf. Der Eintritt in die angolanische Armee wird durch die Besetzung der Offizierstellen, die zugleich Zivilämter sind, mit Subalternen aus dem Mutterland zum Schaden für das Heer sehr erleichtert. Der Hauptbestandteil der europäischen Bevölkerung der Kolonie setzt sich noch immer aus deportierten Verbrechern zusammen; die schweren Zollabgaben drücken den Handel nieder und lassen ihn seine Wege außerhalb der Kolonie aufsuchen. Da die europäische Presse bei der gesteigerten Bedeutung Westafrikas sich mehr mit A. beschäftigte, so sah die portugiesische Regierung sich endlich veranlaßt, Schritte zu thun, um den verrotteten Zuständen abzuhelfen. Vorarbeiten zu einer Eisenbahn von der Hauptstadt São Paolo de Loanda nach Ambaka im Innern wurden begonnen und europäische Fachleute ausgesandt, um die Hilfsquellen des Landes zu studieren, so der bayrische Geolog Heinrich v. Barth-Harmating (1877). Vgl. Valdez, Six years of a traveller’s life in Western Africa (Lond. 1861, 2 Bde.); Monteiro, A. and the river Congo (New York 1875, 2 Bde.); Lux, Von Loanda nach Kimbundu (Wien 1880); Serpa Pinto, Quer durch Afrika (deutsch, Leipz. 1881).

Angōlaholz, s. v. w. Camwood.

Angolala, ehemals Hauptstadt des Königreichs Schoa in Südabessinien, liegt auf einem 1500 m hohen Felsenberg und hat 4000 Einw.

Angōra (Engürieh), Hauptstadt des gleichnamigen türk. Wilajets im innern Kleinasien, am Engürisu, einem Zufluß des Sakaria, und am Fuß eines steilen Felskegels, auf dem stufenförmig die mit dreifacher Verteidigungslinie umgebene Citadelle liegt. Die Stadt selbst ist von einer fast ganz aus alten Bautrümmern zusammengesetzten Mauer umgeben, hat meist enge und unregelmäßige Straßen, über 80 große Moscheen und 17–18 Chane, erinnert aber in ihrem sozialen Treiben, ähnlich wie Smyrna, an den europäischen Westen. Die Zahl der Bewohner wird auf 40–45,000 angegeben (25,000 Türken, 12,000 katholische Armenier, 3000 Griechen und 500 Juden). Der Handel befindet sich ganz in den Händen der Armenier und bringt besonders Kämelwolle (von den Angoraziegen) und feine Kamelotts (Gewebe daraus), Gelbbeeren (Rhamnus tinctorius), die in der Umgegend massenhaft angebaut werden, Krapp, Mastix etc. zur Ausfuhr. – A. ist das alte Ankyra, eine der blühendsten vorderasiatischen Städte des Altertums, die Hauptstadt der galatischen Tektosagen, die später von Augustus zur Hauptstadt von Galatien erhoben und als Mittelpunkt der großen Heerstraße von Byzantium nach Syrien der Hauptstapelplatz des Karawanenhandels ward. Aus Dankbarkeit erbauten die Bewohner dem römischen Kaiser und der Dea Roma einen herrlichen Tempel (das in seinen Trümmern noch vorhandene Augusteum), auf dessen Unterbau die von Augustus selbst verfaßte Übersicht seiner Thaten eingegraben war. Von diesem sogen. Monumentum oder Marmor Ancyranum sind seit 1553 bedeutende Fragmente abgeschrieben und von verschiedenen Gelehrten (am besten von Mommsen in „Res gestae divi Augusti“, 2. Aufl., Berl. 1883) erklärt worden. Einen Gesamtabklatsch nach Wegreißung mehrerer die Inschrift zum Teil verdeckender Häuser nahm 1882 im Auftrag der Berliner Akademie K. Humann. Nach der Einführung des Christentums war A. der Sitz eines Metropoliten und als solcher der Versammlungsort zweier Konzile (315 und 358). Im J. 621 wurde A. von den Arabern erobert, kam dann wieder in die Gewalt der byzantinischen Kaiser und ward endlich 1360 von Murad I. dem Türkenreich einverleibt. In der Nähe fand 20. Juli 1402 der große Sieg Timurs über die Türken unter Bajesid I. statt, wodurch letzterer Thron und Freiheit verlor.

Angorawolle, s. Ziege (Angoraziege).

Angoscha (Angoza), Landstrich auf der Mosambikküste im östlichen Südafrika, nominell den Portugiesen gehörig, thatsächlich aber von einem unabhängigen arabischen Sultan beherrscht, dessen Sitz, die Stadt A., am gleichnamigen Fluß 22 km oberhalb dessen Mündung liegt. Sie hat etwa 1000 Einw., welche Sesamöl, Ebenholz, Elfenbein, Orseille, Erdnüsse, Coir etc. zur Ausfuhr bringen. Südlich davon die Angoschainseln.

Angostūra (früher Santo Tomas de la Nueva Guayana, neuerlich Ciudad Bolivar genannt), ehemals Hauptstadt des span. Guayana, jetzt die der Provinz Guayana in der südamerikanischen Republik Venezuela, liegt amphitheatralisch am rechten Ufer des Orinoko, 380 km oberhalb dessen Mündung. Die Einwohnerzahl beträgt (1881) 10,861. Die Stadt, Sitz eines Bischofs und eines deutschen Konsuls, wurde zwar schon 1591 gegründet, aber 185 km tiefer am Orinoko, wo jetzt das Dorf Guayana Vieja liegt, und erst 1764 auf ihrer jetzigen Stelle an einer Enge (Angostura) des Orinoko erbaut. Infolge der Revolution geriet sie in Verfall, hebt sich aber gegenwärtig, begünstigt durch ihr gemäßigtes Klima und als Hafen für mittlere Seeschiffe. Es besteht schon jetzt ein lebhafter Handel mit Produkten des reichen Hinterlandes (Tabak, Kaffee, Kakao, Indigo, Baumwolle, lebendem Vieh, Fleisch, Fellen, Häuten, Talg etc. im Wert von 21/5 Mill. gegen fast 2 Mill. Mk. Einfuhr). Auf dem Kongreß zu A. 15. Febr. 1819 ward von Venezuela und Neugranada die Zentralrepublik Kolumbien gegründet, eine Schöpfung Bolivars, dem zu Ehren die Stadt ihren neuen Namen erhielt.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0579.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2021)