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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1

Aristobūlos, 1) A. I., Sohn des makkabäischen Fürsten Johannes Hyrkanos, nahm nach dessen Tod (106 v. Chr.) den Königstitel und seinen Bruder Antigonos zum Mitregenten an, während er die drei übrigen Brüder und seine Mutter einkerkern und im Gefängnis verhungern ließ. Die Ituräer zwang er, das Judentum anzunehmen. Seinen um diesen Erfolg verdienten Bruder Antigonos ließ er ermorden und starb 105, von Gewissensbissen gequält. Ihm folgte sein ältester Bruder, Alexander Jannäos.

2) A. II., Neffe des vorigen, Sohn des Alexander Jannäos, stieß seine Mutter Alexandra 69 v. Chr. vom Thron und zwang seinen Bruder Hyrkanos (II.), ihm die Herrschaft in Jerusalem abzutreten, behauptete sich auch gegen eine neue Erhebung desselben. Als 64 Pompejus nach Palästina kam und Hyrkanos II. diesen um Hilfe bat, suchte A. denselben durch reiche Geschenke für sich zu gewinnen, erreichte aber seinen Zweck nicht und wurde, als er sich gegen den von Pompejus unterstützten Hyrkanos behaupten wollte, besiegt und gefangen genommen, während Hyrkanos 63 Ethnarch ward. A., dessen zwei Söhne Alexander und Antigonos und zwei Töchter wurden von Pompejus in Rom im Triumph aufgeführt. A. entfloh später (56) aus der römischen Gefangenschaft und trat in Palästina als Prätendent auf. Das Volk strömte ihm zwar zu, doch wurde er vor Machäros von Sisenna geschlagen, schwer verwundet, gefangen und nebst seinem Sohn Antigonos abermals nach Rom geschickt. Cäsar gab A. 49 nicht bloß die Freiheit, sondern überließ ihm sogar zwei Legionen zur Wiedereroberung Judäas. Aber der Pompejaner Q. Metellus Scipio, der eben Syrien als Provinz erhalten hatte, ließ A. unterwegs durch Gift beseitigen.

3) Alexandrinisch-jüd. Peripatetiker zu Alexandria, um 180 v. Chr., angeblich Verfasser eines allegorischen Kommentars über die Bücher Mosis, worin gezeigt werden sollte, daß alle Weisheit der griechischen und römischen Schriftsteller von Moses entlehnt sei. Dieses Werk, von den Kirchenvätern öfters genannt, ist nach den neuesten Untersuchungen das Produkt eines weit spätern Schriftstellers, der den Namen des im 2. Buch der Makkabäer (1, 10) vorkommenden A. gebrauchte, um dadurch seiner Schrift mehr Eingang zu verschaffen. Vgl. Valckenaer, Diatribe de Aristobulo Judaeo (hrsg. von Luzac, Leiden 1806).

Aristodēmos, 1) Sohn des Herakliden Aristomachos, ward, als die Herakliden den Peloponnes erobern wollten, bei Naupaktos vom Blitz, nach andern von Apollon oder von den Söhnen des Pylades und der Elektra getötet. Nach der lakedämonischen Sage war A. bereits Herrscher über Sparta und starb an einer Krankheit. Seine Söhne Eurysthenes und Prokles wurden als die Stammväter der beiden spartanischen Königsfamilien betrachtet.

2) Messenischer Held und König aus dem Geschlecht der Äpytiden, opferte während des ersten Messenischen Kriegs (743–724 v. Chr.) einem Orakelspruch zufolge seine Tochter, um den Sieg über die Spartaner gewinnen zu können, und ward trotz dieser Blutschuld zum König gewählt. Er verteidigte Ithome mit großer Tapferkeit. Infolge eines neuen Orakelspruchs an der Rettung seines Vaterlands verzweifelnd, tötete er sich selbst am Grab seiner Tochter (724).

Aristogeiton, s. Harmodios.

Aristokratie (griech., „Herrschaft der Vornehmsten“), im staatsphilosophischen System des Aristoteles diejenige Staatsbeherrschungsform, nach welcher eine bevorzugte Klasse der Staatsangehörigen im Besitz der Staatsgewalt ist. Aristoteles teilt die Beherrschungsformen in das Königtum (Monarchie), die A. und die Demokratie, je nachdem die Staatsgewalt in der Hand eines Einzelnen sich befindet, oder je nachdem sie einer gewissen bevorzugten Klasse oder endlich der Gesamtheit des Volks zusteht. Mit Rücksicht auf die modernen Staatsverhältnisse pflegt man jedoch meist nur zwei Grundformen der Staatsverfassung zu unterscheiden, die monarchische und die republikanische, je nachdem die Staatsgewalt von einem Einzelnen oder je nachdem sie von der Gesamtheit der Staatsangehörigen durch deren Organe ausgeübt wird. In Ansehung der Republik wird dann allerdings wieder zwischen A. und Demokratie unterschieden, insofern nämlich entweder eine gewisse Klasse von Staatsbürgern die Führerschaft der übrigen und die Zügel des Staats in Händen hat, oder die Gesamtheit des Volks ohne Standesunterschied als der Souverän gedacht wird. Wer freilich, wie dies neuerdings von namhaften Publizisten geschieht, den Staat selbst als den eigentlichen Souverän hinstellt, für den wird auch diese Einteilung hinfällig, und man kann von diesem Standpunkt aus zu einer Einteilung der verschiedenen Staatsformen nur noch nach dem Merkmal schreiten, ob das Staatshaupt aus Einer Person oder aus einer Mehrheit von Personen besteht. Jedenfalls ist dem aristokratischen System die Neuzeit nicht günstig. Keine der dermalen bestehenden Republiken hat eine aristokratische Staatsform, während diese im Altertum vielfach vertreten war. Wie in Griechenland Athen als Muster der antiken Demokratie erschien, so wurde die A. besonders durch Sparta repräsentiert. Auch die altrömische Republik mit ihrer Patrizierherrschaft war recht eigentlich eine A. Ebenso hat man das frühere Deutsche Reich in der Zeit des Verfalls der kaiserlichen Autorität nicht mit Unrecht als eine A. bezeichnet. Auch in dem Freistaat Venedig hat sich lange Zeit hindurch die aristokratische Staatsform erhalten. Wenn aber auch der Begriff der A. heutzutage als Staatsbeherrschungsform nicht mehr von praktischer Bedeutung ist, so spricht man doch noch von A. in dem Sinn, daß man darunter eine bevorzugte Klasse der Staatsangehörigen versteht, und zwar ist es zumeist die Geburts- (Standes-, Erb-) A., welche man dabei im Auge hat, also der Adel. Aber auch von einer Beamten- und von einer Geldaristokratie (Plutokratie) wird in ebendiesem Sinn gesprochen, wie ja auch nicht selten von einer A. des Geistes die Rede ist, welcher ein besonderer Grad von Bildung eine bevorzugte Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft verschafft. In neuester Zeit ist im Gegensatz zur Sozialdemokratie nicht selten auch von einer Sozialaristokratie die Rede, indem man unter letzterer die Freunde des omnipotenten Staatswesens und der Erweiterung der Staatsthätigkeit versteht, insofern sie der besitzenden Klasse angehören. Aristokrat wird der Zugehörige oder der Anhänger der A., namentlich der Geburtsaristokratie, genannt; Aristokratismus ist die ausgesprochene Vorliebe für aristokratische Vorrechte und Gebräuche. Aristokratisierend nennt man eine Staatsverfassung, welche zwar nicht die A. als Staatsbeherrschungsform aufweist, aber gleichwohl einen gewissen aristokratischen Zug und Charakter erkennen läßt, wie dies namentlich bei der englischen Staatsverfassung der Fall ist. Auch pflegt man zuweilen von einer aristokratischen Politik als von einer solchen zu sprechen, welche besonders das Wohl gewisser und namentlich der wohlhabendern Klassen der Bevölkerung im Auge hat.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0812.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2022)