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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1

vereinigen. Veranlassung hierzu boten schon im vorigen Jahrhundert die Venusdurchgänge von 1761 und 1769. Dasselbe Ereignis hat auch 1874 und 1882 wieder eine große Zahl europäischer und amerikanischer Astronomen nach zum Teil weit entlegenen Beobachtungsstationen geführt, und in ähnlicher Weise vereinigen auch totale Sonnenfinsternisse immer noch eine größere Anzahl astronomischer Kräfte. Anlaß zu derartigen Vereinigungen bot ferner das Bedürfnis genauer und detaillierter, auch die teleskopischen Sterne bis zu einer gewissen Größenklasse enthaltender Sternkarten. Dasselbe machte sich besonders lebhaft geltend, als man gegen Ende des vorigen Jahrhunderts sich ernstlich mit der Aufsuchung eines Planeten zwischen Mars und Jupiter zu beschäftigen anfing. Zachs und Schröters Plan, zu diesem Zweck eine astronomische Gesellschaft zu gründen, deren Mitglieder detaillierte Karten der Umgebung der Ekliptik herstellen sollten, scheiterte an dem kriegerischen Ernste des Zeitalters; aber der Hauptgedanke, die Herstellung detaillierter Sternkarten, wurde später in den Berliner akademischen Sternkarten (1824–59) durch das Zusammenwirken zahlreicher Astronomen verwirklicht, und auch die Hoffnung, schon während der Bearbeitung dieser Karten selbst neue Weltkörper aufzufinden, ist durch die Entdeckung einer Menge Planetoiden und des Neptun erfüllt worden. Gegenüber solchen Vereinigungen für spezielle Zwecke führte das Bedürfnis nach einer dauernden Institution schon 1820 zur Gründung der Königlichen Astronomischen Gesellschaft in England. In Deutschland aber entwarfen auf der Naturforscherversammlung in Bonn 1857 eine Anzahl jüngerer Astronomen einen Plan zur Berechnung und Veröffentlichung gewisser allen Planetenberechnungen gemeinsamer Grundlagen, und nachdem diese Organisation auf einer Versammlung in Dresden 1861 noch erweitert worden, erfolgte 1863 in Heidelberg die Gründung der Astronomischen Gesellschaft, einer Vereinigung von Astronomen und Freunden der A. zum Zweck der Förderung dieser Wissenschaft, insbesondere durch solche Arbeiten, welche ein systematisches Zusammenwirken vieler erfordern, sowie auch durch Unterstützung langjähriger Arbeiten einzelner an größern Aufgaben. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Leipzig und hält alle zwei Jahre eine Generalversammlung ab. So wie die Gesellschaft gleich von Anfang an einen völlig internationalen Charakter hatte, so sind ihre Versammlungen von jeher Sammelpunkte für die astronomischen Fachgenossen der verschiedensten Nationen gewesen. Das Hauptunternehmen, welches derzeit die Astronomische Gesellschaft beschäftigt, ist die von Argelander angeregte genaue Ortsbestimmung aller Fixsterne des nördlichen Himmels bis herab zur 9. Größe (mehr als 300,000) nach einem möglichst gleichmäßigen Verfahren, in welche Arbeit sich die Sternwarten von Kasan, Dorpat, Christiania, Helsingfors, Cambridge (Vereinigte Staaten), Bonn, Lund, Leiden, Cambridge (England), Berlin, Leipzig, Albany, Nikolajew in der Weise geteilt haben, daß jede derselben die Sterne einer gewissen Zone, meist von 5 oder 10° Breite im Sinn der Deklination, übernommen hat. Die Messungen sind gegenwärtig vollendet, auch die Ausdehnung auf die Südhemisphäre des Himmels ist bereits angebahnt. Diese großartige Arbeit wird den Astronomen künftiger Zeiten die Grundlage liefern zur genauern Ermittelung der Eigenbewegungen der Fixsterne sowie der Bewegung unsers Sonnensystems im Weltraum. Außerdem widmet die Gesellschaft namentlich auch der genauen Bestimmung der Planeten- und Kometenbewegungen ihre fördernde Fürsorge.

Von großer Bedeutung für die Fortschritte namentlich auf dem Gebiet der Kometen- und Planetoidenkunde ist ein gut geregeltes astronomisches Nachrichtenwesen, welches ermöglicht, neuentdeckte Himmelskörper rasch an den verschiedensten Orten zu beobachten und so die Entdeckung zu sichern. Die Schwerfälligkeit und Langsamkeit der frühern Verkehrsmittel haben gar oft hemmend auf die Fortschritte der A. eingewirkt. Bei der heutigen Verbreitung des elektrischen Telegraphen ist es nun freilich ungleich leichter als früher, astronomische Mitteilungen in weite Ferne zu übermitteln; zu einer systematischen Benutzung dieses Verkehrsmittels gab aber die Entdeckung eines Kometen durch Pogson in Madras 3. Dez. 1872 Anlaß, welche auf eine telegraphische Aufforderung von Klinkerfues in Göttingen erfolgte, der den prachtvollen Sternschnuppenfall vom 27. Nov. 1872 als Produkt eines Kometen ansah. Bald nachher gelang es Henry, damals Sekretär der Smithsonian Institution in Washington, zunächst die Angloamerikanische und die Western Union-Telegraphengesellschaft zur unentgeltlichen Beförderung astronomischer Depeschen zu bestimmen, und als später auch andre Telegraphenverwaltungen wenigstens teilweise Gebührenfreiheit für Mitteilungen astronomischen Inhalts gewährten, konnten die Astronomen der Alten Welt mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand in kürzester Zeit von den Entdeckungen jenseit des Atlantischen Ozeans in Kenntnis gesetzt werden. Die Smithsonian Institution empfing von den Sternwarten Amerikas die Nachrichten, welche sie dann den fünf Hauptsternwarten Europas: Paris, Berlin, Greenwich, Wien und Pulkowa, übermittelte, die wieder für die möglichst rasche Weiterverbreitung Sorge trugen. Auf demselben Wege gingen umgekehrt die Nachrichten aus Europa nach Amerika. Als sich aber im Lauf der Zeit mancherlei Übelstände herausstellten und namentlich die großen Kometenerscheinungen von 1882 die Mangelhaftigkeit des bisherigen Nachrichtenwesens dargethan hatten, gelang es Förster, eine neue Organisation zu stande zu bringen, und im November 1882 war die Errichtung einer Zentralstelle für astronomische Telegramme in Kiel gesichert, die unter Oberleitung einer aus den Direktoren der Sternwarten zu Kiel, Pulkowa, Wien, Mailand, Paris, Greenwich, Utrecht und Kopenhagen zusammengesetzten Kommission steht, und deren Geschäftsführung Krüger in Kiel besorgt. Die Kosten werden von einer freien Vereinigung von Astronomen getragen, von denen jeder der Zentralstelle die für die Gesamtheit wichtigen Nachrichten schickt und am Jahresschluß die Kosten zurückerstattet erhält; die Zentralstelle hat derartige Nachrichten von allen Seiten, auch von Nichtteilnehmern, einzuziehen und dann möglichst schleunig an die Teilnehmer weiter zu befördern. In Nordamerika bildet seit 1883 die Sternwarte von Cambridge in Massachusetts die Zentralstelle, und von der Südhemisphäre ist es gelungen, die Sternwarten zu Rio de Janeiro, Madras, Melbourne und Kapstadt in die Organisation hereinzuziehen.

Von großem Wert für Mitteilungen astronomischen Inhalts, soweit sie in Zahlenangaben bestehen, ist das von Chandler und Ritchie in Boston erfundene, im „Science Observer“ (1881, Nr. 33 u. 34) veröffentlichte Chiffresystem, zu welchem das englische Wörterbuch von Worcester, ein Werk von über 400 Seiten mit wenigstens je 100 Wörtern, den Schlüssel

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 981. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0981.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2022)