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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

ausländischer Staaten wird auch im Inland geachtet. Es ist in dieser Beziehung namentlich an das heutige Gesandtschaftsrecht, an die Exterritorialität des Gesandtschaftspersonals, an die Gerichtsbarkeit der Konsuln und an die sonstigen wichtigen Befugnisse der Gesandten und Konsuln zur Wahrung der Interessen ihrer Staatsangehörigen im A. zu erinnern. Es wird ferner auch im Inland die Rechtsordnung des Auslandes insofern anerkannt, als der Ausländer, welcher gegen sie gefrevelt hat, in schweren Fällen regelmäßig an die ausländische Regierung ausgeliefert wird (s. Auslieferung von Verbrechern). Endlich gehören auch die strafrechtlichen Bestimmungen (deutsches Strafgesetzbuch, § 102 ff.) hierher, welche in betreff der feindlichen Handlungen gegen befreundete ausländische Staaten gegeben sind. Auf der andern Seite ist aber auch der Ausländer im Inland nicht mehr, wie im Altertum, rechtlos; er genießt vielmehr den Schutz des Staates und wird auch zur Ausübung aller derjenigen Rechte zugelassen, deren Genuß nicht durch die Staatsangehörigkeit des Berechtigten bedingt ist. Umgekehrt steht aber auch der Ausländer im Inland unter der inländischen Staatshoheit und Gesetzgebung. Deshalb ist er bei Eingehung von Rechtsgeschäften, wenigstens bezüglich der Form, an die inländische Gesetzgebung gebunden (locus regit actum); dieselbe ist für ihn in Ansehung des Erwerbs und des Verlustes von Rechten im Inland maßgebend, und ebenso ist der Ausländer wegen etwaniger im Inland begangener strafbarer Handlungen nach der Rechtsordnung des letztern zu behandeln und zu bestrafen. Was dagegen die im A. verübten Verbrechen anbelangt, so ist deren Behandlungsweise in der Theorie wie in der Gesetzgebung eine verschiedene. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (§ 3 ff.) nähert sich in dieser Hinsicht dem sogen. Territorialitätsprinzip. Es bestraft nämlich die im A. begangenen Verbrechen der Regel nach nicht, doch kann (nicht „muß“) 1) ein Ausländer bestraft werden, welcher im A. eine hochverräterische Handlung gegen das Deutsche Reich oder gegen einen einzelnen Bundesstaat, oder ein Münzverbrechen begangen hat; 2) ein Inländer, welcher im A. eine hochverräterische oder landesverräterische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, eine Beleidigung gegen einen Bundesfürsten oder ein Münzverbrechen verübte; 3) ein Deutscher, der im A. eine nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen (also nicht als eine Übertretung) zu bestrafende Handlung zu schulden gebracht hat, wofern nur diese Handlung auch nach den Gesetzen, welche am Orte der That gelten, mit Strafe zu belegen ist. A. im Sinn des deutschen Strafgesetzbuchs ist aber jedes nicht zum Deutschen Reiche gehörige Gebiet, wie es denn überhaupt einer der größten Fortschritte auf der Bahn unsrer nationalen Entwickelung ist, daß seit der Gründung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs die Angehörigen der beteiligten deutschen Staaten vermöge des gemeinsamen Bundesindigenats (s. d.) im Verhältnis zu einander nicht mehr als Ausländer erscheinen. Vgl. v. Rohland, Internationales Strafrecht (Leipz. 1877).

Ausläufer (lat. Stolones), die an manchen Gewächsen aus den untersten Blattwinkeln seitwärts hervortreibenden Stengel, welche an ihrem Gipfel Blattknospen tragen, in der Regel an den Ansatzstellen ihrer Blätter im Boden Wurzeln schlagen und, nachdem durch Absterben des Stengels die Verbindung mit der Mutterpflanze aufgehört hat, selbständige Pflanzen werden. Manche Pflanzen, wie Trientalis, Mentha u. a., besitzen auch unterirdische A. Die Gärtner benutzen die A. zum Ablegen und Absenken.

Auslaugen (Ausziehen, Extrahieren), techn. Operation, bei welcher die in einer Substanz enthaltenen löslichen Stoffe durch ein Lösungsmittel ausgezogen werden. Bei mineralischen Massen, und wenn eine Substanz von darin enthaltenen löslichen Teilen befreit, gereinigt werden soll, spricht man von A., bei organischen (meist vegetabilischen), und wenn es sich um die Gewinnung der löslichen Teile handelt, von Ausziehen oder Extrahieren. Die auszulaugenden Substanzen werden in der Regel zunächst zerkleinert, um dem Lösungsmittel leichtern Zutritt zu den einzelnen Teilen zu verschaffen; doch muß darauf gesehen werden, daß die Substanz mit dem Lösungsmittel nicht einen wenig durchdringlichen Brei bildet. Deshalb ist die Pulverform häufig unzweckmäßig. Im einzelnen gestaltet sich das A. sehr verschieden. Kräuter, Wurzeln etc. werden fein zerschnitten oder grob gepulvert, mit kaltem oder heißem Wasser zu Brei angerührt und nach 24 Stunden ausgepreßt. Den Preßrückstand behandelt man noch einmal in gleicher Weise und vereinigt dann den zweiten Auszug mit dem ersten. Sehr harte Rinden oder Hölzer läßt man, mit kaltem Wasser benetzt, 30–60 Stunden stehen (Insukkation), ehe man sie mit heißem Wasser zu einem Brei anrührt.

Ist die Anwendung der Presse ausgeschlossen, so muß man mit bedeutend größern Mengen Flüssigkeit arbeiten, um die löslichen Bestandteile möglichst vollständig zu gewinnen. Weil aber diese Flüssigkeit in der Regel wieder verdampft werden muß, so ist es von großer Wichtigkeit, mit möglichst wenig Flüssigkeit zum Ziel zu gelangen. Dies kann nur durch ein systematisches Verfahren erreicht werden. Enthält z. B. eine auszulaugende Erde 12 Teile Salz, so bedarf man, um die Erde zunächst nur zu durchnässen, eine gewisse Quantität, vielleicht 100 Teile, Wasser. Diese lösen die 12 Teile Salz vollständig, aber man erhält keine Lauge. Gießt man dagegen 400 Teile Wasser auf, so werden 300 Teile als Lauge abfließen und 3/4 des Salzes, also 9 Teile, ausziehen. 3 Teile Salz bleiben mit 100 Teilen Wasser in der Erde zurück. Wenn man dagegen zunächst nur 200 Teile Wasser auf die Erde gießt, so erhält man 100 Teile Lauge mit 6 Teilen Salz; ein zweiter Aufguß von 100 Teilen Wasser auf die schon mit Wasser gesättigte Erde liefert 100 Teile Lauge mit 3 Teilen Salz, ein dritter Aufguß von 100 Teilen Wasser abermals 100 Teile Lauge mit 11/2 Teil Salz, und man hat nun im ganzen wieder 300 Teile Lauge, welche aber 101/2 Teile Salz enthalten. Beim fabrikmäßigen Betrieb wendet man stets das Prinzip des systematischen oder kontinuierlichen Auslaugens an. Man braucht hierzu eine Reihe von Gefäßen mit doppeltem Boden und Abflußhahn, welche mit der auszulaugenden Substanz gefüllt werden. In das Gefäß 1 bringt man reines Wasser, welches lösliche Stoffe aus der Substanz aufnimmt und nun in das Gefäß 2 gelangt, wo es sich weiter mit löslichen Stoffen bereichert. Die Lösung gelangt dann in Gefäß 3, endlich in Gefäß 4, aus welchem sie hinreichend konzentriert abfließt. Inzwischen ist nun das Gefäß 1 viermal mit reinem Wasser gefüllt und dadurch die in demselben enthaltene Substanz vollständig erschöpft worden. Es wird also entleert, mit frischer Substanz beschickt und fungiert nun als letztes Gefäß, d. h. man leitet reines Wasser in Gefäß 2 und die aus Gefäß 4 abfließende Lauge zum Schluß

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0119.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2021)