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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

ihren Weg über Hamburg und Bremen nach Nordamerika, in den 17 Jahren 1867–83: 115,473 Personen. Eine ungarische Statistik über die A. fehlt gänzlich, die Aufzeichnungen in Hamburg und Bremen sowie die Statistik der Vereinigten Staaten geben uns nur Ausweise über die dort Abgereisten, resp. Angekommenen. Diese Auswanderer wenden sich mit wenigen Ausnahmen den Vereinigten Staaten zu, welche von den in der elfjährigen Periode 1871–81 aus Ungarn nachgewiesenen 24,463 Ausgewanderten 24,346 empfingen. Die A. über die Landesgrenze nach Rußland, Rumänien, Serbien etc. läßt sich ziffermäßig nicht darstellen, ist aber eine ziemlich beträchtliche.

Die Schweiz hat von jeher ein starkes Kontingent zur A. gestellt, indessen erreichte dieselbe doch erst seit den Notjahren 1846–54 eine größere Ausdehnung; später kam der Druck hinzu, welcher auf gewissen Industrien lastete. Nach dem offiziellen statistischen Werk „L’émigration suisse pour les pays d’outre-mer“ haben in den 16 Jahren 1868–83 im ganzen 84,775 Personen die Schweiz verlassen, von welchen 45,127 die Vereinigten Staaten aufsuchten.

Das Königreich der Niederlande veröffentlicht zwar seit 1869 eine Statistik der A., allein dieselbe ist wenig zuverlässig, da, wie die holländischen Beamten selbst zugeben, die Aufstellungen in sehr unregelmäßiger Weise Reisende sowie in die niederländischen Kolonien abgehende Beamte bald in die Rubriken aufnehmen, bald aber weglassen. Die sich schnell hebenden wirtschaftlichen Verhältnisse der letzten Jahre in den Vereinigten Staaten sind auch auf die holländische A. nicht ohne Einfluß geblieben. In den 21 Jahren 1861–81 sind 37,587 Niederländer in die Union gewandert. Die A. der Niederlande ist demnach eine sehr schwache, obschon außer Belgien kein europäischer Staat eine gleich dichte Bevölkerung (123 auf 1 qkm) besitzt.

Großbritannien hat schon seit frühen Zeiten seine Kinder in alle Weltgegenden entsandt; von 1815 bis 1883 haben 10,444,992 Menschen seine Häfen verlassen, davon fünf Sechstel Angehörige des Königreichs selber. Diese Zahl verteilt sich auf fünfjährige Perioden wie folgt:

1815–19: 97799
1820–24: 97548
1825–29: 121084
1830–34: 381956
1835–39: 287358
1840–44: 465577
1845–49: 1029209
1850–54: 1638945
1855–59: 800640
1860–64: 774111
1865–69: 1064988
1870–74: 1356214
1875–79: 796828
1880–83:  1535253

Von den oben genannten 10,444,992 Auswanderern gingen 6,860,261 in die Vereinigten Staaten, 1,765,586 nach Britisch-Nordamerika, 1,437,243 nach Australien und Neuseeland und die 381,902 Verbleibenden in verschiedene Länder; unter den letztern sind die südafrikanischen Kolonien die wichtigsten Gebiete. Von 1853 bis 1883 haben 5,405,917 Briten, 1,250,003 Ausländer und 325,450 Personen nicht ermittelter Nationalität britische Häfen verlassen; davon waren Engländer 2,516,356, Schotten 525,470, Irländer 2,346,091. Das Verhältnis der englischen zur irischen A. hat sich in jüngster Zeit völlig verschoben; während die erste 1853–55 nur die Hälfte der zweiten betrug, übertrifft sie dieselbe jetzt um ein Erhebliches (1883: 183,236 Engländer, 31,139 Schotten und 105,743 Iren). Dieser A. steht eine nicht unbeträchtliche Einwanderung oder Rückwanderung gegenüber, 1854–83: 1,508,778 Personen.

Dänemarks A. besteht zum größten Teil aus Angehörigen der ländlichen Bevölkerung und richtet sich zum überwiegenden Teil nach Nordamerika, nächstdem nach Australien. In den letzten Jahren hat das auch hier sich verbreitende Mormonentum der A. unter den begüterten Familien einen Anstoß gegeben. Nach der dänischen Statistik wanderten 1869 bis 1883: 74,423 Personen aus.

Schweden schickt die größte Zahl seiner Auswanderer nach den Vereinigten Staaten, doch richtet sich die meist aus dem Süden stammende A. von Arbeitern besonders nach Deutschland und Dänemark. Von 1861 bis 1882 wanderten 318,708 Individuen aus, d. h. jährlich 0,29 Proz. der Bevölkerung, in den letzten Jahren aber nahe an 3 Proz.

Norwegen, arm und unfähig, eine starke Bevölkerung zu ernähren, nötigt jährlich eine ansehnliche Zahl seiner Einwohner zur A., und die in der Fremde zu Wohlstand Gelangten ziehen beständig ihre Freunde nach. 1836–82 wanderten 292,398 Personen aus. Das Hauptziel norwegischer A. ist Nordamerika, eine kleine Zahl sucht Neuseeland und Victoria auf.

Frankreichs A. ist niemals bedeutend gewesen, eine natürliche Konsequenz seiner geringen Volksvermehrung, der glücklichen wirtschaftlichen Lage seiner Bewohner und der auch im Nationalcharakter begründeten Abneigung der Franzosen, ihr Land mit einem andern zu vertauschen. Eine offizielle Statistik der A. wurde zuerst 1857 veröffentlicht, dieselbe reicht bis 1883. Danach rekrutiert sich die französische A. in erster Linie aus den Departements Basses- und Hautes-Pyrénées, nächstdem aus der Gironde, Pyrénées-Orientales, Hautes-Alpes, Bouches du Rhône, Savoyen, Corsica, Doubs, Cantal, Gers. Die Gesamtsumme aller in dem 21jährigen Zeitraum 1857–77 aus Frankreich ausgewanderten Personen beträgt nur 148,290, und 1880–83 wanderten nur 14,168 Personen aus.

Italien, dessen Bevölkerungsdichtigkeit ihm die vierte Stelle unter den europäischen Staaten anweist, das aber bei mangelhaft entwickelten Erwerbsverhältnissen seiner schnell wachsenden Bevölkerung die nötigen Subsistenzmittel nicht zu gewähren vermag, entsendet einen von Jahr zu Jahr wachsenden Teil seiner Angehörigen ins Ausland, wo sie vorübergehend oder dauernd ihren Aufenthalt nehmen. Das größte Kontingent stellen die Provinzen Venetien, Piemont und Lombardei, demnächst Ligurien und die Umgegend von Cosenza, Potenza und Salerno. In 1869–83 bezifferte sich die italienische A. nach europäischen und außereuropäischen Staaten auf 1,774,536 Seelen. Dies schließt aber auch die zeitweilige A. ein, nicht nur die eigentliche, auf welche kaum die Hälfte der Gesamtzahl entfällt. Mit Vorliebe suchen die Italiener die südlichen und zentralen Teile des amerikanischen Kontinents auf, welche in den acht Jahren 1876–83 von 296,720 Auswanderern 230,383 aufnahmen, ein Beweis für die Anziehungskraft verwandter Sprache und Sitte. Die zeitweilige A. wendet sich in erster Linie nach Frankreich, dann nach Österreich-Ungarn, der Schweiz und Deutschland, zur Balkanhalbinsel und nach England.

Spanien veröffentlicht keine offizielle Statistik seiner A.; dieselbe läßt sich daher nur nach den Berichten der Länder feststellen, auf welche sie sich richtet, und nach den allgemeinen Angaben des Statistischen Büreaus zu Madrid. Die Auswanderungsziele der Spanier sind vornehmlich Algerien, Südamerika, weniger die Vereinigten Staaten. Die A. nach Algerien, jährlich 15–18,000 aus den südlichen Provinzen, verliert indes ihre ganze Bedeutung, da die meisten dieser Auswanderer nach kurzem, oft nur einjährigem

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0161.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2022)