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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

nach dem Kontinent. Gleichzeitig veränderten sich auch die Verhältnisse in der Baumwollkultur. Vor 1786 hatte England nie über 20 Mill. Pfd. B. importiert und zwar 6 Mill. aus Westindien, fast ebensoviel aus den spanischen und französischen Kolonien, den Rest aus den holländischen und portugiesischen Besitzungen und aus der Levante. Nun trat auch Nordamerika in die Reihe der Produzenten. Schon 1621 fand ein erster Versuch mit Baumwollpflanzung statt, aber die erste Einfuhr nordamerikanischer B. nach England fällt allem Anschein nach ins Jahr 1747. Im J. 1791 exportierten die Vereinigten Staaten nur 81 Sack, 1821 aber schon 125 und 1826 über 200 Mill. Pfd. Im J. 1849 überstieg die Ausfuhr zum erstenmal 1000 Mill. Pfd. So war durch die Erfindungen in Spinnerei und Weberei und durch die eigentümlichen Kulturverhältnisse in Nordamerika Ostindien sowohl in der Produktion als in der Verarbeitung der B. aus dem Feld geschlagen, die Vereinigten Staaten und England behaupteten von nun an weitaus den ersten Rang in der Baumwollindustrie. Der Hauptsitz der englischen Baumwollindustrie ist die Grafschaft Lancashire, in Schottland Glasgow, und es ist charakteristisch für die Fabriken, daß sie fast sämtlich große Etablissements sind. In Deutschland wurde die Baumwollindustrie Ende des 18. Jahrh. namentlich unter dem Einfluß der Kontinentalsperre begründet, Sachsen, Rheinland, Württemberg wurden Hauptsitze für die Baumwollindustrie, in Frankreich das Elsaß und die Normandie; in den letzten Jahren hat Rußland Riesenfortschritte gemacht, sonst kommen für Europa noch die Schweiz, Spanien und Österreich-Ungarn in Betracht, während die Baumwollindustrie in Italien, Belgien, Schweden und Norwegen, Holland weniger bedeutend ist. Zur Zeit des Ausbruchs des nordamerikanischen Bürgerkriegs war die Baumwollindustrie vollständig von Amerika abhängig geworden und mußte deshalb die Störungen in der Produktion sehr schwer empfinden. Die wichtigste Folge war der mit großer Energie auftretende Wettbetrieb Ostindiens, Ägyptens und Brasiliens. Zwar konnten diese trotz der größten Anstrengungen den Ausfall bei weitem nicht decken, aber die Produktion gewann daselbst festen Boden und behauptete sich auch für die spätere Zeit. Namentlich ist sie in Ostindien mit der Entwickelung der Hand- u. Maschinenindustrie beständig gestiegen, so daß in 3 Jahren die Zahl der Arbeiter von unter 40,000 auf über 52,000 anwuchs.

In den Vereinigten Staaten datiert die Baumwollspinnerei seit 1643, wo man den Rohstoff aus Barbados bezog. Die erste größere Fabrik wurde 1791 in Rhode-Island angelegt, 1816 gab es etwa 15 Fabriken, welche 11 Mill. Pfd. B. verarbeiteten. Im J. 1830 zählte man schon 801 Fabriken, 1880 zwar nur 756, dafür war aber die Spindelzahl von 1,246,703 auf 10,653,435, die der Webstühle von 33,433 auf 225,759, die der Arbeiter von 62,208 auf 172,544 gestiegen, statt 77 Mill. Pfd. wurden 1880–1881: 1012 Mill. Pfd. verarbeitet. Die größten Fabriken befinden sich vornehmlich in Massachusetts, Rhode-Island, Connecticut, New Hampshire, Pennsylvanien und New York. Die Baumwollindustrie nimmt unter allen Zweigen der Textilindustrie den ersten Rang ein, sie benutzte zuerst die großen Erfindungen der Neuzeit und brachte dieselben an der Hand praktischer Erfahrungen zu ihrer jetzigen Vollkommenheit. Nach einer Schätzung betrug 1883 die gesamte Zahl der Spindeln aller Länder 78,860,000, wovon auf Großbritannien 42 Mill., auf den europäischen Kontinent 22,5, auf die Vereinigten Staaten 12,66, auf Ostindien 1,7 Mill. entfielen. Im J. 1881 gab es Spindeln in

Großbritannien 40600000
Vereinigte Staaten 11375000
Frankreich 5000000
Deutschland 4815000
Rußland 3640000
Schweiz 1850000
Spanien 1835000
Österreich-Ungarn 1765000
Ostindien 1496300
Italien 985000
Belgien 800000
Schweden und Norwegen 310000
Holland 245000
Zusammen: 74716300

Dagegen betrug 1877 die Zahl aller Spindeln der vorstehenden Länder erst 70,334,000, die industrielle Thätigkeit auf dem Gebiet der Baumwollmanufaktur ist also trotz wiederholter Rückschläge rüstig vorwärts geschritten.

Vgl. Baines, History of cotton manufacture in Great Britain (Lond. 1835; deutsch von Bernoulli, Stuttg. 1836); Royle, Culture and commerce of cotton in India (Lond. 1851); Derselbe, The fibrous plants of India (das. 1855); Ellison, Handbuch der Baumwollkultur und Industrie (deutsch von Noest, Brem. 1869); Mac Henry, The cotton-trade (Lond. 1863); Reybaud, Le coton; son régime, ses problèmes, son influence en Europe (Par. 1863); Alcan, Traité de la filature du coton (2. Aufl., das. 1875); Nieß, Die Baumwollspinnerei in allen ihren Teilen (2. Aufl., Weim. 1885, mit Atlas); Derselbe, Führer des Baumwollspinners (2. Aufl., das. 1874), Leigh, Science of modern cotton spinning (3. Aufl.; Lond. 1875, 2 Bde.); Todaro, Relazione sulla cultura dei cotoni in Italia (Rom 1878); Dana, Cotton from seed to loom (Lond. 1878); Richard, Gewinnung der Gespinstfasern (Braunschw. 1880); Bowman, Structure of cotton fibre in relation to technical application (2. Aufl., Lond. 1882); Jannasch, Die europäische Baumwollindustrie (Berl. 1882).

Baumwollgarn, s. Garn.

Baumwollgewebe, s. Gewebe.

Baumwollmolton, s. Barchent.

Baumwollsamenöl (Niggeröl), fettes Öl, welches durch Pressen oder Extrahieren mit Schwefelkohlenstoff aus Baumwollsamen gewonnen wird. Die Ausbeute beträgt 15–30 Proz. Das rohe gepreßte Öl ist dunkel rotbraun, mit Schleim und Eiweißkörpern verunreinigt, dickflüssig, vom spez. Gew. 0,921, erstarrt bei −2 bis −3°. Es kann nach dem Waschen mit Wasser oder Wasserdampf durch Behandeln mit Kalilauge gebleicht werden, ist dann hellgelb, schmeckt nußartig, riecht schwach erdartig, erstarrt zwischen 2 und 0°, ist unlöslich in Alkohol, löslich in Äther und steht zwischen den trocknenden und nicht trocknenden Ölen, spez. Gew. 0,926. Es dient zur Verfälschung des Olivenöls, als Brennöl und zur Darstellung von Seife. Die Preßrückstände von der Gewinnung des Baumwollsamenöls dienen als Viehfutter.

Baumwollschnüre, aus gröberm Garn hergestellte Schnüre oder Stricke, werden als Ein- und Auszugsschnüre beim Selfactor und als Antriebsschnüre benutzt, wo ihre Schmiegsamkeit und Festigkeit in Betracht kommen, wie z. B. bei den Laufkränen.

Baumwollstaude (Gossypium), s. Baumwolle.

Baumwolltaft, s. Kambrik.

Baumwollzwirn, s. Garn.

Baumwucherer, s. Dendrobium.

Baumwürger (Baummörder), s. Celastrus.

Baunach, rechter Nebenfluß des Mains, entspringt auf den Haßbergen unweit Bundorf, nimmt die Weißach und Lauter auf und durchfließt ein breites und wiesenreiches Thal, bis er unterhalb des Fleckens B. nördlich von Bamberg mündet.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0523.jpg&oldid=- (Version vom 2.11.2022)