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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

die infolge großer Konzentration, längern Kochens, Anwendung von stark gedörrtem Malz etc. weniger leicht zersetzbar sind, wie z. B. die Würze zum Porterbier. Der Gärungsprozeß selbst verläuft in drei Stadien. Die bald nach dem Zugießen der Hefe beginnende Hauptgärung (wilde oder rasche Gärung) kennzeichnet sich durch das Erscheinen von Schaum auf der Oberfläche der durch neugebildete Hefe getrübten Würze, der größte Teil des Zuckers zerfällt in Alkohol und Kohlensäure, und das in der Würze enthaltene Hopfenharz wird infolge des Verschwindens des Zuckers abgeschieden. Bei der dann folgenden Nachgärung schreitet die Zersetzung des Zuckers und die Hefenbildung wohl noch fort, aber gleichzeitig klärt sich das B., es wird reif, trinkbar und unterliegt nun der stillen Gärung, bei welcher noch vorhandener Zucker langsam zersetzt und in kaum merklicher Weise Hefe neu gebildet wird.

Die Gärbottiche werden aus Holz, auch wohl aus geglättetem Zementmauerwerk, emailliertem Eisen, Schieferplatten oder gegossenen Glasplatten in Mauerwerk konstruiert und fassen 10–40 hl. Für die Untergärung kühlt man die Würze je nach ihrer Menge und der Temperatur des Gärlokals für Winterbier auf 7–10°, für Sommerbier auf 5–7°. Besonders für Brauereien, welche auch im Sommer brauen (die bayrischen arbeiten nur im Winter), ist es meist erforderlich, das Gärlokal durch in der Nähe angebrachte Eisgruben kühl zu erhalten. Man stellt aber auch mit kaltem Wasser oder Eis gefüllte Blecheimer während der Hauptgärung, bei welcher sich viel Wärme entwickelt, in die Würze. Auf 100 Lit. Würze rechnet man 1/23/4 Lit. dickbreiige Hefe, welche zunächst mit wenig Würze verdünnt und dann mit der Hauptmasse anhaltend und sorgfältig gemischt wird. Nach 8–12 Stunden zeigt sich ein leichter, weißer Rahm, und nach weitern 12 Stunden bildet die neuentstandene Hefe regelmäßig geformte Bänder (Kräusen), welche am Rande des Bottichs aufsteigen und nach der Mitte gedrängt werden. In weitern 2–4 Tagen vereinigen sich die Kräusen zu einer gleichmäßigen Schaumdecke, welche mit dem Schwächerwerden der Gärung allmählich sich vermindert. Zuletzt erscheint die Würze mit einer zähen, ziemlich konsistenten, braunen Masse bedeckt, welche aus harzigen Hopfenbestandteilen besteht. Die Temperatur, welche anfangs gestiegen war, sinkt wieder, und nach 7–10 Tagen ist die Hauptgärung beendet. Das Jungbier ist nun reich an Kohlensäure, enthält Alkohol, aber weniger Eiweißstoffe als die Würze und besitzt daher auch ein geringeres spezifisches Gewicht als diese. Lange gekochte und stark gehopfte Würzen aus stark gedarrtem Malz verlieren durch die Hauptgärung etwa die Hälfte ihrer Saccharometerprozente, während die vergärungsfähigen Biere bis zwei Drittel verlieren. Dabei vergärt auch ein Teil des Dextrins und der Milchsäure, und neben Alkohol und Kohlensäure entstehen bei der Gärung stets auch etwas Bernsteinsäure und Glycerin. Die oben erwähnten Würzen verschiedener Braumethoden ergaben Jungbiere von folgender Zusammensetzung:

Gehalt Dekoktion Infusion Mit Zusatz von Stärke
Würze Jungb. Würze Jungb. Würze Jungb.
Alkohol 2,81 3,13 3,03
Zucker 4,85 1,58 5,26 1,33 5,31 1,59
Dextrin 6,24 4,61 6,68 4,80 6,23 4,56
Stickstoffh. Subst. 0,79 0,38 0,67 0,44
Andre Bestandteile 0,41 0,38 0,70 0,55 0,22 0,14
Extrakt 11,87 6,57 11,94 6,13 12,30 0,59

Nach beendeter Hauptgärung zieht man das Jungbier (grünes B.) von der am Boden lagernden Hefe ab und bringt es um so klarer, hefefreier in die Lagerfässer, je länger es aufbewahrt werden soll. Von der Hefe dient ein Teil zum Anstellen neuer Würze. Es ist aber vorteilhaft, ähnlich wie die Landwirte Saatwechsel anwenden, von Zeit zu Zeit auch Hefe aus einer andern Brauerei zu beschaffen, weil die Hefe, beständig unter denselben Verhältnissen fortgezüchtet, leicht entartet. Die Fässer zum bayrischen B. werden fast allgemein ausgepicht, weil der dünne Harzüberzug größere Reinlichkeit sichert, das B. vor nachteiligen äußern Einflüssen schützt und die weitere Zersetzung verzögert. Die Lagerkeller müssen kalt und trocken sein; man läßt sie im Winter gut ausfrieren und bringt Eisräume an, welche nach Bedürfnis mit den Kellerräumen in Verbindung gesetzt werden und am besten sich oberhalb der Kellerräume befinden, weil dann die kalte Luft schnell in letztere einströmt, sobald man die dazu angebrachten Thüren öffnet. Fig. 7 zeigt eine solche Einrichtung mit Eisraum, Gär- und Lagerkeller im Durchschnitt. Die niedrige Kellertemperatur verzögert die Nachgärung und bewirkt, daß das B. große Mengen Kohlensäure zurückhält. Winterbier faßt man in kleinere Fässer (19–25 hl) als Sommerbier, weil in ihnen die Nachgärung schneller eintritt und das B. also auch schneller trinkbar wird. Die Fässer zum Sommerbier werden nach und nach gefüllt, indem man die einzelnen Sude auf mehrere Fässer verteilt, um eine größere Gleichmäßigkeit des Biers zu erzielen. Ist die Nachgärung vollendet, und erscheint das B. hell und blank, so kann man die Fässer verspunden, die weiter sich entwickelnde Kohlensäure bleibt dann im B. aufgelöst, und nach 8–14 Tagen ist es trinkbar. Sehr grün gefaßtes B., welches noch viel gärungsfähige und hefebildende Teile enthält, darf nicht zu lange gespundet bleiben, weil sonst beim Öffnen des Spundes durch die lebhaft entweichende Kohlensäure das Faßgeläger emporgerissen werden („das Faß aufstehen“) würde. Bisweilen vermischt man das B. beim Abziehen auf die Transport- oder Schenkfässer mit 6–10 Proz. Kräusenbier und gibt es ungespundet an die Wirte ab, die es einige Tage offen lagern lassen, bis die neugebildete Hefe vollkommen abgesetzt ist, und dann 4–6 Tage vor dem Ausschenken spunden. Diesem Verfahren, welches in München allgemein üblich ist, verdankt das B. seine Milde und Süffigkeit.

Die Obergärung verläuft bei 10–15° viel schneller als die Untergärung und liefert schon wenige Tage nach dem Brauen trinkbares B. Die obergärigen Lagerbiere läßt man ganz oder bis zu einem gewissen Zeitpunkt in Bottichen gären, während man sonst, namentlich bei den Lokalbieren, die Würze sogleich in kleinere Fässer verteilt. Für die obergärigen Lagerbiere setzt man 0,5–0,75 Lit. dickbreiige Hefe auf je 100 Lit. Würze zu, welche man zunächst mit einer kleinen Portion wärmerer Würze anstellt. Ist die Hauptgärung vollendet, so ist das Jungbier mit einer dickbreiigen Hefenschicht bedeckt. Diese wird zeitig entfernt und das B. auf die Lagerfässer gebracht, in denen die Nachgärung verläuft. Man hält das Faß mit dem Spund längere Zeit lose bedeckt, verschließt es allmählich fester und spundet es endlich wie das untergärige B. In dieser Weise verfährt man in Böhmen; meist aber wird die Hauptgärung durch Abziehen des Jungbiers unterbrochen, und je nach dem angewandten Verfahren erhält man sehr verschiedene Biere. Sind die Biere für sofortigen Konsum bestimmt, so versetzt man die Würze bei 15–25° mit etwa 1–2 Proz. Hefe, leitet die Gärung

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 917. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0917.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2023)