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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3

vorkommt. Ein eigentümliches Verhältnis kommt zu stande, wenn die Staubgefäße mit dem Griffel zu einem Körper verwachsen sind, der dann Befruchtungssäule (gynostemium) genannt wird. So sehen wir z. B. im bauchigen Grunde des Perigons von Aristolochia einen verdickten Körper, welcher die Narbe des hier unterständigen Fruchtknotens darstellt, und auf dessen Seiten die Staubbeutel aufgewachsen sind (Fig. 38, d die Narbe, c die Antheren).

Fig. 38. Fig. 39.
Fig. 38. Befruchtungssäule von Aristolochia. A die Blüte. B Durchschnitt. a Fruchtknoten, b Perigon, c Anthere, d Narbe.
Fig. 39. Schmetterlingsblume. a Hinteres Blumenblatt, bb Flügel, c vordere Blumenblätter, das Schiffchen bildend.

Auch bei den Orchideen ist das einzige ausgebildete Staubgefäß mit dem Griffel zu einer Befruchtungssäule verwachsen.

In vielen Blüten unterscheidet man endlich noch ein besonderes Gebilde unter der Bezeichnung Blütenpolster (discus s. torus). Dies ist eine drüsenartige Anschwellung der Blütenachse unterhalb des Fruchtknotens, die gewöhnlich auftritt in Form eines Ringes, oft auch als eine Mehrzahl isolierter, drüsenartiger Höcker, welche dann wohl auch unterweibige Drüsen (glandulae hypogynae) genannt werden. Auch bei unterständigem Fruchtknoten kommt diese Bildung vor; sie überzieht dann wie ein Polster den von den Blütenkreisen eingefaßten Scheitel des Fruchtknotens. Die genannten Teile, die in besonders hervortretender Ausbildung bei den Ahornen und bei den Umbelliferen gefunden werden, sind hier immer der Honigabsonderung fähig, stellen also wieder eine andre Form von Nektarien dar.

Wenn die einzelnen Glieder eines Blattkreises der B. einander ungleich gestaltet sind, so heißt die B. unregelmäßig (flos irregularis), im Gegensatz zur regelmäßigen B. (f. regularis). Hierbei zeigt sich das durchgreifende Gesetz, daß die Ungleichheit der einzelnen Glieder eines Kreises immer derartig ist, daß man durch einen in bestimmter Ebene, gewöhnlich von vorn nach hinten gehenden Längsschnitt die B. in zwei symmetrische Hälften teilen kann, die sich also zu einander so verhalten, als ob die eine das Spiegelbild der andern wäre. Darum wendet man auch für diese Blüten den Ausdruck symmetrisch oder zygomorph an und nennt dann die andern polysymmetrisch oder aktinomorph, weil sie sich durch mehrere Ebenen in spiegelbildlich gleiche Hälften zerlegen lassen. Asymmetrische Blüten kommen selten vor, z. B. bei Canna, und lassen sich auf keine Weise in spiegelbildlich gleiche Hälften teilen. Die wichtigsten Formen der symmetrischen B. sind die Schmetterlingsblume (Fig. 39) und die Lippenblume (Fig. 40–42) mit einer Nebenform, der sogen. Maskenblume (Fig. 43). Vgl. Papilionaceen und Labiaten.

Sind in einer B. alle die im vorausgehenden genannten Blattkreise vorhanden, so heißt sie vollständig (flos completus), sonst unvollständig (flos incompletus). Im letztern Fall kann zunächst eins der beiden Geschlechtsorgane fehlen. Eine solche B. nennt man getrennt- oder eingeschlechtig (flos diclinus), im Gegensatz zur Zwitterblüte (f. hermaphroditus s. monoclinus).

Fig. 40.
Fig. 41.
Fig. 42.
Fig. 43.
Fig. 40. Zweilippige Geißblattblüte. Fig. 41 u. 42. Lippenblumen. Fig. 43. Maskenförmige Lippenblume.

Dann hat die Pflanze zweierlei Blüten: männliche (flores masculi, ♁) und weibliche (flores feminei, ♀), die man auch als Staubgefäßblüten (flores staminigeri) und Stempelblüten (flores pistilligeri) unterscheidet. Beiderlei Blüten einer Pflanze gleichen sich nun entweder völlig bis auf das Fehlen der Geschlechtsorgane, die in der andern vorhanden sind, so daß man sie aus einer Zwitterblüte ableiten kann, bei der abwechselnd das eine und das andre Geschlechtsorgan mehr oder weniger fehlschlägt (flores abortu diclini,

Fig. 44.
a Männliche, b weibliche Blüte des Pfeilkrauts.

Fig. 44). Oder beiderlei Blüten sind, auch abgesehen von den Geschlechtswerkzeugen, verschieden gebaut, typisch eingeschlechtig (flores typice diclini); z. B. beim Hanf (Fig. 45–47), bei der Eiche, Kastanie, Haselnuß, Walnuß. Wenn männliche und weibliche Blüten auf demselben Pflanzenindividuum vorkommen,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s0070.jpg&oldid=- (Version vom 30.10.2022)