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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3

Kraft abgeleitet. Von den Schiffsbooten, welche zur Ausrüstung von Kriegsschiffen zählen und an Bord ihren Ort finden, sobald das Schiff in Fahrt ist, unterscheidet man: 1) Die Barkasse, das größte unter den Booten, am Bug ziemlich breit, wird in vier Größen von 10–13 m Länge geführt; am Vorderteil hat es ein Bratspill, d. h. eine Ankerwinde, es besitzt 12–18 Riemen und faßt ca. 120 Mann. Sein Standort ist mittschiffs auf Deck, wo es in festen Klampen ruht

Fig. 5.
Französische Takelung: einmastig.

wie 2) die Pinasse, das an Größe nun folgende B., als verjüngte Barkasse sich darstellend. Die Pinasse, welche auch Schaluppe (Schluppe) heißt, wird ebenfalls in vier Größen u. zwar von 7,5–10 m Länge geführt, besitzt 12–16 Riemen u. faßt ca. 80–100 Mann. 3) Der Kutter (Offiziersschaluppe), als gutes Ruderboot hervorragend, in vier Größen von 7,5–9 m Länge, ist das am vielseitigsten benutzte B. Auf kleinen Schiffen auch als Offiziersboot

Fig. 6.
Französische Takelung: zweimastig.

dienend, vermittelt es am meisten den Verkehr zwischen Schiff und Land und zwischen Schiff und Schiff; in See als Rettungsboot benutzt, hängt es als Seitenboot in den Davits wie die folgenden beiden Bootarten, während die Pinasse gleich der Barkasse Deckboot ist.

Fig. 7.
Französische Takelung: dreimastig.

Der Kutter führt 8–10 Riemen und faßt ca. 60–80 Mann. 4) Die Gig, leicht, von schlanken, eleganten Formen, ist das B. des Kommandanten, in vier Größen von 7,5–10 m Länge, wird von 6–8 Riemen bewegt; ihr Standort ist am Heck, wo sie in Davits hängt. 5) Die Jolle (Jölle) ist das kleinste der Schiffsboote, völliger als der Kutter, in drei Größen von 5–6 m Länge, als Mannschaftsboot dienend; es führt die Beurlaubten von und an Bord, vermittelt aber auch den Transport des Küchenbedarfs aller Schiffsmessen (Kochsboot) und wird, 30–40 Mann fassend, von 6–8 Rudern bewegt. Sein Schiffsort ist seitlich, dem Kutter gegenüber in Davits hängend. Für den Privatgebrauch des Admirals oder des Kommandanten sind nicht selten andre, leichte, elegante Boote eingeschifft. Die Wahl und Zahl der genannten Boote an Bord ist besonders abhängig von der Größe und Art des Kriegsschiffs, letztere aber verhältnismäßig fast immer beträchtlicher als auf Handelsschiffen von gleichen Raumverhältnissen. Große Kriegsschiffe führen bis acht, ausnahmsweise noch mehr Boote. Manche der genannten Boote, welche auch doppelt an Bord vorhanden sein können, sind mit Dampfmaschinen zu ihrer Fortbewegung mittels Schraubenpropeller ausgestattet, daher Dampfbarkasse, Dampfpinasse, Dampfkutter, Dampfjolle etc. Gegenwärtig gehört zur Ausrüstung großer Kriegsschiffe eine neu eingeführte Bootklasse, deren Wichtigkeit

Fig. 8.
Spriettakelung: zweimastig.

fortwährend im Steigen begriffen ist, so daß sie sich sogar schon als selbständiger Kriegsschiffskörper emanzipiert hat. Dies sind die Torpedoboote (s. d.).

In der Handelsflotte sind die zur Ausrüstung der Schiffe zählenden Boote in der Regel minder zahlreich und mannigfaltig an Bord desselben Schiffs, da dessen Bemannung, gleiche Schiffsgrößen vorausgesetzt, weit weniger zahlreich ist und andre Aufgaben zu erfüllen hat als jegliches Kriegsschiff. Eine Ausnahme

Fig. 9.
Spriettakellung: dreimastig.

machen die ozeanischen Passagierdampfer, welche zuweilen wie die Auswandererschiffe 1000–2000 Passagiere und dazu eine Mannschaft von 100–180 Köpfen an Bord nehmen. Diese sind mit einer größern Zahl von Booten ausgestattet, welche aber keineswegs genügt, um im Notfall sämtliche Bewohnerschaft des Dampfers als Rettungsboote aufzunehmen, denn die 8–12 Boote, welche sie in den Deckklampen und in den Davits führen, sind durchaus unzureichend. Jedes dieser Boote (engl. life boats, franz. canots de sauvetage) kann durchschnittlich 50 Personen fassen, im besten Fall können also 600 Personen das Schiff in Booten verlassen, so daß es leider vorkommen kann, daß nur kaum der dritte Teil die Möglichkeit hat, die Rettungsboote zu besteigen. Daher das Drängen und die furchtbaren Deckszenen, wenn eine Katastrophe droht. Diese Rettungsboote sind besonders seetüchtig gebaut und besitzen Korkwände und Luftkammern, um das Umschlagen und das Sinken thunlichst zu verhüten. Abgesehen von den Passagier-Ozeandampfern führen die Schiffe der Handelsflotte vier Klassen von Booten, welche zwar auch, aber doch nicht so reich abgestuft sind wie die Boote der Kriegsschiffe. 1) Das größte B. führt den bezeichnenden Namen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s0203.jpg&oldid=- (Version vom 6.11.2022)