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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3

mittels eines Fuchsschwanzes so tief ein, daß die Schnüre den eingesägten Raum genau ausfüllen. In größern Buchbindereien bedient man sich dazu der Einsägemaschine, an der sich so viel kreisförmige Sägen einsetzen und verschieden auseinander stellen lassen, wie man Vertiefungen oder Löcher für die Bünde bedarf. Noch vor dem Heften hat man das Buch mit Vorsatz zu versehen, der aus zwei weißen oder farbigen Blättern in der Größe des Buches und einem dritten schmälern Blatt, zum Ansetzen der Deckel dienend, besteht. (In neuester Zeit heftet man die Bücher häufig mit Draht und verwendet dazu die von Gebrüder Brehmer in Plagwitz zuerst erbaute Drahtheftmaschine. Mittels eines äußerst sinnreich konstruierten Mechanismus wird der durch Kanäle eingeführte Heftdraht in ca. 25 mm lange Stücke geteilt, und diese zu rechtwinkeligen Klammern geformt. Letztere werden durch die Innenseite der einzeln angelegten gefalzten Bogen und durch den dieselben zusammenhaltenden Heftstoff (Gaze) hindurchgestoßen und dann durch Umbiegen der beiden Schenkel dicht geschlossen.) Nach dem Heften werden die bis auf kurze Enden überstehenden Bünde aufgedreht und mit dem Messer flach gestrichen, aufgeschabt, und der Rücken des Buches mit heißem Leim bestrichen. Gewöhnlich macht man nun, nachdem der Leim trocken geworden ist, den Vorderschnitt des Buches, worauf man dem Rücken die nötige erhöhte Wölbung gibt, indem man denselben auf beiden Seiten mit dem Umklopfhammer bearbeitet, und bildet dann durch das sogen. Abpressen, wobei man das Buch bis nahe an den Rücken stark einpreßt und die aus der Presse hervorragenden Ränder des Rückens mit dem Kaschiereisen überarbeitet, die bei jedem gut gebundenen Buch zu bemerkenden seitwärts vorspringenden Rückenkanten, an welche zunächst die Deckel mittels der Bünde befestigt werden. Darauf wird das Buch mit Hilfe des Beschneidzeugs beschnitten. Das Beschneidzeug besteht aus der Beschneidpresse und dem Hobel, und zwar hat erstere eine solche Einrichtung, daß der Hobel auf ihr in der Längenrichtung gerade und sicher geführt werden kann. Der Beschneidhobel besteht aus zwei parallelen, durch eine Schraubenspindel und zwei Leitriegel in paralleler Lage gegeneinander verschiebbaren Holzstücken, von welchen das eine in einer Bahn der Presse hin- und hergezogen, das andre, ein scharfes, zugespitztes Messer enthaltende jenem durch Umdrehen der Schraube allmählich genähert wird, so daß das Eisen nach und nach die Dicke des Buches durchdringt und dessen Rand glatt beschneidet. Beschneidmaschinen haben das Beschneidzeug mit Hobel bei größerm Betrieb vollständig verdrängt. Die meisten werden nach dem Prinzip der Guillotinescheren gebaut und bestehen aus einem eisernen Tisch mit Anschlag und Preßvorrichtung zum Festlegen der Bücher und einem Messer, welches senkrecht an dem Tisch herabgeht, indem es zugleich etwas seitwärts geht, um die zum guten Schneiden erforderliche ziehende Bewegung auszuführen. Ist der Schnitt hergestellt, so bringt man an demselben die gewöhnlichen Verzierungen an, wodurch man dem Buch außer Schönheit auch eine größere Dauer verleiht, weil unverzierte Schnitte sich leicht abgreifen, wollig werden und den Schmutz leicht annehmen. Die einfarbigen Schnitte werden durch mehrmalige Anstriche mit dem Pinsel hergestellt. Gesprengte Schnitte macht man mit einem Borstenpinsel oder einer kleinen, nicht zu harten Bürste und einem aus Draht geflochtenen Gitter, welches man über den eingepreßten Schnitt hält und mit der in Farbe getauchten Bürste oder Pinsel überstreicht. Häufig werden der marmorierte und der Federschnitt angewendet. Zur Herstellung des erstern bedient man sich eines sogen. Grundwassers, bestehend aus Carragaheenmoosschleim. Auf dasselbe spritzt man die in Spiritus gelösten und mit Steinöl und Rindergalle angeriebenen Farben. Durch Aufspritzen von verdünnter Rindergalle teilen sich diese Farben und bilden einen marmorähnlichen Farbenteppich. Letztern hebt man mit dem Bücherschnitt leicht ab. Der Federschnitt wird in ähnlicher Weise hergestellt, nur werden die auf dem Grundwasser schwimmenden Farben nicht durch Aufspritzen von Rindergalle, sondern mit einem Kamm gezogen. Diese Verfahren bieten aber mancherlei Schwierigkeiten, ebenso wie das Vergolden der Schnitte. Zur Ausführung des letztern wird der zu vergoldende Schnitt geschabt, mit Planierwasser überfahren, nach völligem Trocknen mit Achat geglättet, darauf mit Grundierwasser (aus einem Eiweiß in 2 Liter Wasser gequirlt und mit feinstem Bolus abgerieben) überzogen und trocknen gelassen. Sodann wieder geglättet, werden die Schnitte mit reinem Eiweiß gleichmäßig überstrichen und dann mit Goldblatt belegt, das vermittelst des Goldmessers (einer zugleich zum Zerschneiden des Goldes dienenden, etwa 400 mm langen und 30 mm breiten, sehr biegsamen, zweischneidig zugeschliffenen, polierten Klinge) von dem Goldkissen (einem mit feinstem weichen Leder überzogenen Brett) auf die Schnitte übertragen. Nach dem Trocknen wird der Schnitt mittels des Glättzahns geglättet. Den Schluß der Verzierungen bildet sodann das Kapitalen zur Vermittelung zwischen der obern und untern äußersten Rückenschnittkante, dem Kapital, und den Deckelkanten. Nach diesen Arbeiten werden Rücken und Deckel angesetzt; der erstere besteht gewöhnlich aus einem Streifen Kartenpapier, der zu beiden Seiten etwa 1 cm über die Dicke des Buches hervorragt und mit diesen vorspringenden Rändern an die innere Seite der Deckel angeklebt wird. Indem man endlich die ausgefaserten Enden der Schnüre und die umgebogenen Ränder der Rückenbekleidung mit Leim bestreicht, die aus Pappe zurechtgeschnittenen Deckel zu beiden Seiten anlegt, entsteht der vollständige Einband, welcher zum Trocknen und Anziehen in die Presse kommt.

Zum Überziehen des Einbandes benutzte man früher lohgares Leder, welches in feuchtem Zustand und mit Kleister befestigt werden muß. Man verwendet jetzt zubereitetes Leder, wie Chagrin, Juchten, Maroquin und Saffian, das ebenfalls mit Kleister aufgeklebt wird. Jedes Stück Leder muß vorher an den Rändern mit dem Schärfmesser auf einem glatten Stein ausgeschärft werden. Am häufigsten wird jetzt aber Kaliko (gepreßte oder Buchbinderleinwand) verwendet, welche den Vorzug bietet, daß bei Herstellung großer Partien die Decken und Rücken aus Einem Stück und vor dem Einhängen der Bücher in dieselben bequem vollständig fertig, mit Titel etc. bedruckt werden können. Ist der Einband ganz mit Leder überzogen, so heißt er Franzband, sind nur Rücken und Ecken mit Leder überzogen, Halbfranzband. Ebenso gibt es Ganz- und Halbleinwandbände. Ist der Überzug nur Papier, so ist es ein Pappband. Ein provisorischer Einband ist die Broschur; bei einer steifen Broschur ist der Papierumschlag mit dünner Pappe gefüttert; noch dauerhafter ist der Kartonband, ein Pappband und gewöhnlich mit gedrucktem Umschlag überzogen. Eine interessante Art des Einbindens rührt von Hancock her, der die ebenfalls beschnittenen Rücken der Bücher mit einer Kautschuklösung bestreicht, dadurch die losen Blätter

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 545. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s0545.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2021)