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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3

zusammenklebt und einen vollständig biegsamen Rücken bildet, der namentlich ein flaches Aufschlagen der Bücher begünstigt. Die Anwendung dieses Verfahrens ist jedoch sehr beschränkt geblieben. Von Maschinen, die jetzt häufig verwendet werden, sind noch folgende zu nennen. Die Imperialpressen zum Vergolden, welche die massenhafte und billige Herstellung eleganter Einbände ermöglichen; die sehr praktische Pappenschere mit einem festliegenden und einem beweglichen Scherenmesser nebst einer Vorrichtung zur Bestimmung der Größe der zu schneidenden Deckel; die Schrägmaschine zum Abschrägen der Bücherdeckel an den Kanten; die Abpreß- oder Endossiermaschine zur Anfertigung des gerundeten Rückens und Bildung des Falzes; endlich die Ritzmaschine, die mit scheibenförmigen und verstellbaren Messern die Pappstücke zu Bücherfutteralen ritzt. Abbildungen der neuesten Maschinen für Buchbinderei enthalten unter andern die Preiskourante von W. F. Heim in Offenbach, Mansfeld, Krause u. Fomm in Leipzig, A. Doppler und Fr. Jänecke in Berlin.

Geschichtliches.

Der Gebrauch, Bücher mit festen Deckeln zu versehen und die Außenseite der letztern künstlerisch zu schmücken, läßt sich auf die römischen Diptychen, Triptychen etc. zurückführen. Als in christlicher Zeit an die Stelle der mit Wachs überzogenen Holztafeln die Pergamentblätter getreten waren, ahmte man Deckel mit Elfenbeinschnitzereien nicht allein nach, sondern benutzte auch vorhandene und verwandelte nicht selten die darauf dargestellten heidnischen in kirchliche Personen. Die erste Periode der eigentlichen Buchbindung kann als die byzantinische bezeichnet werden. Der Kostbarkeit der mit Miniaturen geschmückten Handschriften entsprachen der materielle und der künstlerische Wert der Decken, welche mit Elfenbeinschnitzwerk, getriebener oder gravierter Goldarbeit, Filigran, Schmelz und Edelsteinen geschmückt wurden. Im Abendland folgte man wohl dieser Sitte, überzog jedoch auch frühzeitig schon die Holzplatten des Einbandes mit Leder, und mit ausdrücklichem Hinweis auf diesen Zweck verlieh Karl d. Gr. Klöstern die Jagdgerechtigkeit. In der Bücherornamentation, die nun ausschließlich in den Händen des Buchbinders lag, bildete sich ein eigner Stil, die Verzierungen wurden eingeschnitten, getrieben, gepunzt oder mit Stempeln eingepreßt; von dem einstigen Metallüberzug blieben nur die Beschläge zum Schutz der Ecken, die Knöpfe, um den Deckel beim Aufschlagen zu schützen, und die Schließen. Diese zweite, mittelalterliche Periode erhielt ihren Abschluß durch die Erfindung der Buchdruckerkunst. Es entstand nunmehr die gewerbsmäßige Buchbinderei, welche die Ornamente für das Äußere dem Innern des Buches entlehnte. Leisten, Vignetten, Fleurons, Embleme erscheinen in Pressung mit schwarzer Farbe, Gold oder ohne Färbung (blind) auf dem Deckel wieder, oder es werden für diesen ähnliche Kompositionen gemacht. Zwei Haupttypen der äußern Buchornamentation gehen nebeneinander her: die architektonische Anordnung und die Flächendekoration im eigentlichen Sinn. Im erstern Fall werden Deckel wie Titelblätter häufig mit Frontispizen geschmückt, in deren mehr oder weniger phantastische Architektur man Figuren oder Medaillonköpfe mit Namen aus der römischen Mythologie und Geschichte einordnete; im letztern Fall breiten sich Arabesken über die ganze Fläche aus, durch eine Bordüre begrenzt und vielleicht in der Mitte einen Raum für Schrift, Wappen oder Embleme des Eigentümers freilassend, oder die Arabesken sammeln sich zu Mittel- und Eckstücken. Variationen wurden durch die Erfindung der Filets, eiserner Stempel von sichelförmiger Gestalt, in welche ornamentale Details geschnitten sind, im 16. Jahrh. sehr erleichtert. Größern Reichtum brachte man in dieselben durch die Ledermosaik, das Einlegen grüner, weißer, roter etc. Lederstreifen in den gewöhnlich braunen Ledergrund. Besonders in Schwung gebracht wurde eine aus Bandstreifen und Linienarabesken zusammengesetzte Ornamentation durch den Italiener Thomas Majoli und den Franzosen Jean Grolier (s. d.), und letzterer wirkte bestimmend nicht nur auf Frankreich, sondern auch auf die andern Länder. Grolier soll auch zuerst den Titel des Buches auf dessen Rücken gedruckt haben, während man früher wohl den Titel auf den obern Schnitt des Buches schrieb, der in neuerer Zeit, um das Eindringen des Staubes zwischen die Blätter zu verhindern, vergoldet oder gefärbt, mitunter auch mit förmlichen Malereien versehen wurde. Auch der Buchdrucker Geoffroy Tory nahm thätiges Interesse an der künstlerischen Vervollkommnung der Buchbindung. Die Ornamentation machte sich in der Folge allmählich unabhängig von der Buchdruckerkunst. Unter Heinrich III., dessen Bücher an den Totenköpfen und ähnlichen Symbolen kenntlich sind, wurden die Arabesken weniger schwungvoll, mehr geometrisch, und in den spätern Zeiten machte die Ornamentation alle Wandlungen des Geschmacks im kleinen mit. Gegen die Mitte des 17. Jahrh. blühte als Buchbinder Le Gascon, unter Ludwig XIV. der Abbé du Seuil, welcher diese Kunst nur als Liebhaber betrieb; um 1740 war Philippe Padeloup Relieur du Roi, nach ihm Jacques de Rome, und in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. zeichnete sich Thouventin aus sowie in der Gegenwart Lortic und Marius Michel in Paris, Mame in Tours u. a.

In Deutschland begünstigten die bayrischen Herzöge, die Kurfürsten von der Pfalz und Sachsen sowie die Patrizier in den reichen Handelsstädten die Buchbinderei; Holbein d. jüng., Virgil Solis, Peter Flötner, Hans Mielich, Luk. Cranach lieferten Entwürfe; auch erfahren wir Namen von ausgezeichneten Buchbindern, namentlich aus Süddeutschland: Joh. Hagmayer von Ulm, Hans Wagner in der Schweiz, Jakob und Christoph Weidlich, Jakob Krause von Augsburg, Kaspar Meuser, Theodor Krüger und Kaspar Kraft in Wittenberg u. a. In Deutschland und den Niederlanden führte man Malereien mit Lackfarben (fälschlich Email genannt) auf Lederbänden aus, Bildnisse, Arabesken etc., welche vorgeprägt sind. Im 17. Jahrh. erneuerte sich die Vorliebe für Metallbeschläge, welche, durchbrochen, die kostbare Unterlage, z. B. roten Samt, durchblicken lassen. Im 18. Jahrh. wurde die Buchornamentation nüchtern und einförmig, Schnörkel der Rokokozeit und klassische Motive wurden ohne Wahl angewendet, bis in dem unsrigen die Kunst völlig verbannt wurde und das Handwerk auch technisch sank. Deutsche Buchbinder, welche etwas Besseres leisten wollten, wanderten nach England aus und hielten dort wenigstens die Tradition solider Arbeit aufrecht, wie noch gegenwärtig Zähnsdorff in London an der Spitze der englischen Buchbinder steht. Die moderne Buchbindung datiert von dem Umschwung, welcher durch die erste Londoner Ausstellung in den industriellen Künsten eintrat. Während die Ausstattung von Prachtwerken, Albums, Adressen u. dgl. gern wieder an die Weise der byzantinisch-mittelalterlichen Bucheinbände anknüpft, werden durch die fabrikmäßige Herstellung eleganter Buchdecken fortwährend neue

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 546. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s0546.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2021)