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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3

hatte sehr zuvorkommende Aufnahme selbst beim König gefunden, dort ein Bücherlager angelegt und sich 1466 wieder dahin begeben, wo er wahrscheinlich im Spätsommer desselben Jahrs der Pest erlegen ist. Nach Fusts Tod blieb Schöffer an der Spitze der Druckerei und trat jetzt zum erstenmal in nicht mißzudeutender Weise mit dem Anspruch auf Erfindung der B. in seinen Drucken auf, die erst durch seine Vervollkommnungen des Schriftgusses zur Vollendung gelangt sei. Seine Ansprüche zerfallen aber vor der kritisch-technischen Forschung, denn die von ihm geschnittenen und gegossenen Typen stehen an Zahl und Güte weit zurück hinter den Leistungen Gutenbergs in gleicher Richtung.

Weiter noch als der Anfang 1503 gestorbene Peter Schöffer gingen dessen Nachkommen in der Verleugnung Gutenbergs. Sein Sohn Johann folgte ihm in der Leitung der Druckerei, und sein Name erscheint zum erstenmal in der Schlußschrift des „Mercurius Trismegistus“ vom 27. März 1503; der zweite Sohn, Peter, verließ 1512 Mainz und wanderte mit einer Druckerei zunächst nach Worms und dann nach Straßburg, wo er 1532 als Drucker erscheint. Dessen Sohn Ivo wurde 1531 Nachfolger seines Onkels Johann zu Mainz und setzte das Geschäft bis 1552 fort; mit seinem Tod starb die Fust-Schöffersche Druckerfamilie daselbst aus, und die Druckerei kam durch seine Witwe an Balthasar Lips. Warum des Mainzer Johann eigner Sohn Johann, der nach Herzogenbusch in Holland gezogen war (dort sich Jan Janszoon nennend), nicht zurückkehrte zur Übernahme der väterlichen Druckerei, ist nicht aufgeklärt; dieser Mainzer Johann aber hat durch sein dreistes Lügen viel beigetragen zur Verwirrung der Geschichte der Erfindung der B., denn während Peter Schöffer doch noch Gutenberg als ersten Erfinder nicht wegzuleugnen wagte, wenn auch sich selbst als Verbesserer und Vollender der B. aufspielend, sagte Johann Schöffer schon 1509, sein Großvater Johann Fust sei der Erfinder gewesen, und 1515, in dem „Breviarium historiae Francorum“, wiederholte er diese Aufstellung sehr weitläufig, dabei vergessend oder wähnend, die Welt habe es vergessen, daß er in seiner Dedikation der dem Kaiser Maximilian gewidmeten „Römischen Geschichte“ des Livius seinen Schirmherrn gebeten hatte, „dieses Buch anzunehmen, das gedruckt worden sei zu Mainz, der Stadt, wo die wunderbare Kunst des Buchdrucks zuerst erfunden wurde von dem kunstreichen Johann Gutenberg im Jahr 1450“.

Ausbreitung der Erfindung.

Die für Mainz so schreckenvolle Oktobernacht hatte den Bann gebrochen, der bis dahin die B. in den engen Mauern der rheinischen Stadt eingeschlossen hielt; die Arbeiter, die man mit mittelalterlicher Geheimthuerei zum Schweigen und zum Verbleiben unter Fustscher Abhängigkeit verpflichtet, erhielten durch die Erstürmung der Stadt und durch die in ihrer Folge eintretende Unmöglichkeit fernerer Beschäftigung ihre Freiheit; sie schwärmten aus nach allen Seiten. In Deutschland besaßen vor 1462 außer Mainz allein Straßburg und Bamberg, wie schon nachgewiesen, Buchdruckereien; die nächste erhielt Köln durch Ulrich Zell, der sich vermutlich sofort nach der Erstürmung von Mainz dorthin gewandt und daselbst zu drucken begonnen hat, wenngleich der erste bekannte datierte Druck Zells erst aus dem Jahr 1466 stammt; Köln wurde auch der Ausgangspunkt für die Verbreitung der Druckerei nach den Niederlanden und Norddeutschland. Eltville, das Gutenbergs Druckerei erhielt, gehörte zu Mainz und kann deshalb kaum als selbständiger Druckort genannt werden; 1468 aber druckte man zu Augsburg (Günther Zainer), Lübeck und Pilsen (in Böhmen); 1470 erhielt Nürnberg seinen Johann Sensenschmid, welcher anfänglich einen Mainzer Genossen, den von Gutenberg zur Anhörung der Fustschen Klage in die Gerichtssitzung gesandten Heinrich Keffer, zum Teilhaber hatte. Sensenschmid siedelte, wahrscheinlich um 1480, nach Bamberg über, wo nach Pfister bis dahin kein Drucker gewirkt zu haben scheint; in Nürnberg aber druckten 1472–75 der Mathematiker Johannes Regiomontanus und 1473–1513 Anton Coberger oder Koburger, nach der großen Ausdehnung seines Geschäfts und der Trefflichkeit seiner Arbeiten „der König der Buchdrucker“ zubenannt. Druckereien erschienen ferner: 1471 zu Speier, 1473 zu Eßlingen, Laugingen, Merseburg und Ulm, 1475 zu Blaubeuren, Breslau, Burgdorf, Lübeck und Trient, 1476 zu Rostock, 1478 zu Eichstätt und Prag, 1479 zu Würzburg, wohin der Bischof Rudolf von Scherenberg den Eichstätter Buchdrucker Georg Reyser berufen hatte, dessen erstes daselbst gedrucktes Werk, das „Breviarium Dioc. Herbipolensis“, auch zugleich das erste durch einen Kupferstich illustrierte Werk in Deutschland war. Leipzig erhielt erst 1481 seine erste Druckerei durch Andreas Friesner, ehemals Teilhaber und Korrektor Sensenschmids zu Nürnberg. Wiens erste Drucke tragen das Datum 1482, indes ohne Namen des Druckers; als erster daselbst gilt Johann Winterburger aus Winterburg bei Kreuznach. Im gleichen Jahr druckte in München zuerst Johann Schauer; auch in Erfurt und Passau hielt 1482 die Druckerpresse ihren Einzug, ein Jahr darauf in Magdeburg, 1485 in Heidelberg und Regensburg, 1486 in Stuttgart, Münster, Brünn und Schleswig, 1491 in Hamburg. Wiewohl eine Anzahl größerer deutscher Städte, in denen die B. später zu hervorragender Entwickelung gelangte (Frankfurt a. M., Wittenberg, Dresden, Berlin etc.), erst im Beginn des 16. Jahrh. Druckereien erhielten, waren am Schluß des 15. Jahrh. Gutenbergs Erfindung und ihre Erzeugnisse doch schon allbekannt und durch das ganze Deutsche Reich verbreitet.

Mit noch größerer Schnelligkeit breitete sie sich in Italien aus; schon 1480, wo es in Deutschland erst 23 Städte mit thätigen Buchdruckereien gab, zählte Italien deren 40. Die erste wurde errichtet im Kloster zu Subiaco 1464 durch Arnold Pannartz und Konrad Sweynheym, deren berühmtester Druck daselbst der „Lactantius“ ist; 1467 verlegten sie ihre Druckerei nach Rom (s. Pannartz). Hier hatte sich bereits Ulrich Hahn (Ulricus Gallus) niedergelassen, sein erster Druck trägt die Jahreszahl 1467; die Zahl der Druckereien in Rom nahm bald so zu, daß es bis 1500 schon 37 Drucker daselbst gab, resp. gegeben hatte, unter denen 25 Deutsche gezählt wurden. Noch größer war im gleichen Zeitraum die Zahl der Druckereien zu Venedig, wo 1469 Johann von Speier (Johannes de Spira) die B. einführte, bald gefolgt von Nikolaus Jenson aus Tours, dem Schöpfer der Antiquatype, und von dem durch seine klassischen Ausgaben berühmt gewordenen Aldus Pius Manutius. In Mailand druckte zuerst 1469 Filippo de Lavagna; anfänglich mit ihm, von 1471 allein Antonio Zaroto, bald auch Waldarfer aus Regensburg; Foligno, Verona, Treviso, Bologna, Ferrara, Neapel, Florenz, Cremona, Messina sahen in denselben Jahren die ersten Drucke nebst noch vielen andern, minder bedeutenden italienischen Städten, wobei die auffallend große Zahl der Deutschen, welche

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 3. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 554. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b3_s0554.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2021)