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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4

Das herzogliche Schloß, 1748 erbaut und 1875 mit einem Vorbau im mittlern Renaissancestil geschmückt, enthält das herzogliche Archiv, eine wertvolle Gemäldegalerie (über 600 Ölbilder, namentlich gute Italiener und Niederländer des 17. Jahrh.) und in der sogen. Gipskammer Sammlungen von Kostbarkeiten, Kupferstichen, Münzen etc. Hervorzuheben sind ferner: das 1856 nach Entwürfen von Langhans neu ausgebaute Schauspielhaus, das Palais des Erbprinzen, die Gebäude des Landgerichts und der Behörden, sämtlich Neubauten, und unter den vier Kirchen die Schloß- und Stadtkirche zu St. Marien, die 1506–12 erbaut, 1857 im Innern völlig restauriert wurde und die fürstliche Gruft sowie einige gute Bilder von Cranach (namentlich sein bekanntes Abendmahl mit den Bildnissen der bedeutendsten Förderer der Reformation) enthält, und die katholische Kirche von 1860. Die Juden haben eine 1861 im orientalischen Stil restaurierte Synagoge, in welcher bereits 1808 (vielleicht zuerst in Deutschland) deutsche Vorträge gehalten wurden. In der Nähe des Bahnhofs steht ein Denkmal zur Erinnerung an die im Krieg von 1870/71 Gefallenen. D. hatte 1880: 23,266 Einw. (477 Katholiken, 540 Juden) und 1884: 27,500 Einw., als Garnison ein Infanterie-Bataillon Nr. 93. Die mannigfaltige Gewerbthätigkeit beschäftigt mehrere Anstalten von bedeutendem Umfang, namentlich die Zuckerraffinerie (großartige Anstalt mit 900 Arbeitern), Tuchfabrikation, Maschinenbau und Eisengießerei, Wollgarnspinnerei, Tapeten- und Rouleausfabrikation; auch Kunstgärtnerei wird stark betrieben. Der Handel, durch die Eisenbahnen, die Anhalt-Dessauer Landesbank (seit 1847) und den 1860 neu errichteten Wallwitzhafen unterstützt, ist sehr lebhaft. Besonders ist D. als Getreidemarkt von Bedeutung. Die Stadt hat Gas- und Wasserleitung, und es erscheinen hier zwei Zeitungen. An Bildungsanstalten bestehen: ein Gymnasium mit Realgymnasium, eine höhere Töchterschule und ein Lehrerinnenseminar; außerdem ein herzogliches Hoftheater und eine Hofkapelle, die Vorzügliches leisten, eine herzogliche Bibliothek von über 30,000 Bänden und verschiedene künstlerische, wissenschaftliche und gemeinnützige Vereine. Zahlreich sind auch die milden Stiftungen, darunter das Versorgungshaus Leopoldsdank von 1749, das 1766–70 errichtete Armen- und Arbeitshaus mit trefflich eingerichtetem Krankenhaus und besonders die Armenversorgungsanstalt Amalienstift, von der Tochter des Fürsten Leopold, Henriette Amalie (gest. 1793), gegründet; in den Gebäuden der letztern hatte von 1774 bis 1793 das Basedowsche Philanthropin seinen Sitz, und gegenwärtig befindet sich darin eine bedeutende Gemäldesammlung, namentlich mit Gemälden niederländischer und deutscher Meister des 17. und 18. Jahrh. D. ist Sitz aller höchsten Landesbehörden: des Staatsministeriums, der Regierung, eines Landgerichts (für die elf Amtsgerichte zu Ballenstedt, Bernburg, D., Harzgerode, Jeßnitz, Koswig, Köthen, Oranienbaum, Roßlau, Sandersleben und Zerbst), des Konsistoriums, eines Hauptsteueramtes und eines preußischen Eisenbahnbetriebsamts. Die freundlichen Umgebungen der Stadt erhalten einen besondern Reiz durch die dem Publikum stets zugänglichen herzoglichen Gärten und Schlösser: Georgium, Luisium, Kühnau und Haideburg. Etwa 18 km entfernt liegt Wörlitz (s. d.) mit seinen altertümlichen Parkanlagen. In D. wurde der Philosoph Mendelssohn geboren; der Griechenliederdichter Wilhelm Müller und der Komponist Fr. Schneider lebten und wirkten daselbst.

Dessau (anfangs Dissouwe, dann Deßo) wurde wahrscheinlich unter Albrecht dem Bären in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. durch eingewanderte Flamänder erbaut; als Stadt wird es urkundlich zuerst 1213 erwähnt. Schon vor 1313 bestand hier eine von dem Klerus unabhängige Schule, die älteste in Anhalt. Nach der Überlieferung soll 19. Aug. 1467 die ganze Stadt, mit Ausnahme der Marienkirche, ein Raub der Flammen geworden sein. 1525 wurde hier zwischen dem Kurfürsten von Mainz und den Herzögen Georg von Sachsen und Heinrich von Braunschweig ein Bund zur Aufrechthaltung der römisch-katholischen Kirche geschlossen. Seit der letzten Teilung Anhalts (1603) ist D. die Residenz des Fürsten von Anhalt-D. Im Dreißigjährigen Krieg traf mancherlei Kriegsnot die Stadt, die schon vorher durch die Pest sehr gelitten hatte, namentlich während der Kämpfe Ernsts von Mansfeld mit Wallenstein um die Dessauer Brücke 25. April 1626. Von neuem hob sich die Stadt unter dem Fürsten Leopold I., der die Wasserstadt, die Fürsten-, die Kavalier- und die Leipziger Straße anlegte. Fürst Leopold Maximilian erbaute das Schloß, sein Sohn Leopold Friedrich Franz legte die Fortsetzung der Kavalierstraße, die sogen. Franzstraße, an. Von Bedeutung war die am Ende des 18. Jahrh. von Basedow in D. begründete Erziehungsanstalt, das Philanthropinum, wodurch die Jugend im Geiste der damaligen Aufklärung herangebildet werden sollte; doch war die Gründung nicht von langer Dauer (s. oben). Der Neumarkt und die Neustadt haben erst seit 1825 ihre jetzige Gestalt erhalten. Vgl. Siebigk, Ein Bild aus Dessaus Vergangenheit (Dessau 1864); Würdig, Chronik der Stadt D. (das. 1876).

Dessauer Brücke, Brücke über die Elbe bei Roßlau in der Nähe von Dessau, bei der Wallenstein 25. April 1626 den Grafen Ernst von Mansfeld schlug.

Dessauer Marsch („So leben wir etc.“), volkstümliche Marschmelodie, benannt nach dem „alten Dessauer“ (Fürst Leopold von Dessau), der bei seinem Einzug in Turin (nach Erstürmung der Stadt 7. Sept. 1706) damit empfangen wurde. Der Marsch, der fortan seine Lieblingsmelodie war und seinen Namen führte, ist daher nicht deutschen, sondern italienischen Ursprungs und ertönte bereits nach der Schlacht bei Cassano (16. Aug. 1705) zur Siegesfeier.

Dessert (franz., spr. -ssǟhr), Nachtisch, besteht hauptsächlich aus Früchten, Konfitüren, Torten, Zuckerwerk und die Verdauung anregenden Speisen, z. B. Käse. Dessertweine, süße oder besonders feurige Weine, welche zum Nachtisch in kleinen Spitzgläsern serviert werden. In England trinkt man als Dessertweine lediglich feine Bordeaux. (Claret), Sherry und Portwein, in Frankreich ganz feine alte Bordeaux und Burgunder. Die Verwendung süßer Weine ist vorzugsweise in Deutschland gebräuchlich.

Desservant (franz., spr. wāng), in Frankreich ohne Mitwirkung der Staatsbehörde lediglich vom Bischof ernannter, daher entlaßbarer Pfarrverweser.

Desservieren (franz.), ein Amt, namentlich ein geistliches, ablehnen; die aufgetragenen Speisen abtragen.

Dessewffy, Emil, Graf, ungar. Politiker und Publizist, geb. 17. Aug. 1814 zu Eperies, beschäftigte sich frühzeitig mit Staatswissenschaften und lernte dann auf mehrjährigen Reisen die öffentlichen Zustände Belgiens, Deutschlands, Englands und Frankreichs aus eigner Anschauung kennen. 1830 zum Unternotar des Szabolcser Komitats ernannt, trat er bald als politischer Schriftsteller von durchaus konservativer Gesinnung auf, zunächst in Gemeinschaft

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 715. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b4_s0715.jpg&oldid=- (Version vom 7.4.2021)