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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 6

[Artikel Fixsterne.]

Zur Karte ‚Fixsterne des nördlichen Sternenhimmels‘.

Sternbilder.

Sternbilder sind die mit besondern Namen bezeichneten Gruppen, in welche man, zum Teil seit uralter Zeit, die Fixsterne geordnet hat. Gewisse Gruppierungen, wie der Himmelswagen oder Große Bär, die Plejaden, Cassiopeja, der Jakobsstab oder Gürtel des Orion, das südliche Kreuz, die südliche Krone u. a., haben von jeher und selbst bei rohen Völkern die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Bei den Griechen kennt schon Homer die Bärin, „die sonst der Himmelswagen genannt wird …, und die allein niemals in Okeanos’ Bad sich hinabtaucht“ (Ilias, XVIII, 487 u. 489), den Bootes und den Hund des Orion; Hesiod den Sirius und Arcturus; beide erwähnen die Plejaden, die Hyaden und den Orion. Der angeführten Stelle der Iliade zufolge kannten die Griechen zu Homers Zeiten noch nicht die Sternbilder des Drachen, Cepheus und Kleinen Bären, die in Griechenland gleichfalls nicht untergehen. Der Kleine Bär wurde zuerst von den Phönikern bezeichnet und soll von Thales in die griechische Astronomie gebracht worden sein. Im Zeitalter der Peisistratiden wurden, angeblich durch Önopides von Chios, die Tierkreisbilder, wahrscheinlich aus Chaldäa, eingeführt; doch kannte man lange Zeit hindurch nur 11, die Wage wird erst von Geminus und Varro, etwa 50 v. Chr., erwähnt.

Schon zur Zeit des Eudoxos (370 v. Chr.) war die ganze in Griechenland sichtbare Himmelskugel bedeckt mit Sternbildern, denen man mythologische Namen und Bedeutung beilegte, und welche Aratos (um 270) in seinem Gedicht „Phaenomena et prognostica“ aufgezählt und beschrieben hat. Ptolemäos hat in seinem „Almagest“ 48 Sternbilder aufgeführt, nämlich außer den 12 Bildern des Tierkreises noch auf der nördlichen Halbkugel: den Großen und Kleinen Bären, den Drachen, Cepheus, Cassiopeja, Andromeda, Perseus mit dem Medusenhaupt, Pegasus, das Kleine Pferd, das Dreieck (Triangel), den Fuhrmann mit der Ziege, Bootes, die nördliche Krone, den Schlangenträger (Ophiuchus), die Schlange, Herkules, den Adler, den Pfeil, den Geier mit der Leier, den Schwan und Delphin, sodann auf der südlichen: den Orion, den Fluß Eridanus, den Hasen, den Großen und Kleinen Hund, die Hydra, den Becher, den Raben, Centaur, Wolf, Altar, südlichen Fisch, das Schiff Argo und die südliche Krone. Eine Reihe neuer Sternbilder, dem südlichen Himmel angehörig, wurde von dem Indienfahrer Petrus Theodori (Pierre Dirckß Keyser) aus Emden (gest. 1596) in Vorschlag gebracht und von Hondius, Bläu (Cäsius) u. a. auf die Sterngloben aufgetragen. In der „Uranometrie“ von Johannes Bayer (Ulm 1603), dem „Usus astronomicus planisphaerii stellati“ von Keplers Schwiegersohn Jakob Bartsch (Straßburg 1624) und in Hevels „Firmamentum Sobiescianum“ (Danzig 1690) sind außerdem noch angegeben: Giraffe, Taube, Einhorn, Haar der Berenice, Luchs, Kleiner Löwe, Sextant, Jagdhunde, Sobieskis Schild, Fuchs und Eidechse. Endlich fügte Lacaille bei seinem Aufenthalt am Kap der Guten Hoffnung 1750 noch 12 neue Sternbilder hinzu: Bildhauerwerkstatt, Chemischer Ofen, Pendeluhr, Fadennetz, Grabstichel, Tafelberg, Malerstaffelei, Luftpumpe, Zirkel, Oktant, Teleskop und Mikroskop.

Außer den hier aufgeführten Sternbildern sind noch eine Zahl andrer in Vorschlag gebracht, aber nicht allgemein adoptiert worden, z. B. von Halley die Karlseiche, von Kirch das Brandenburger Zepter, von Poczobut der Poniatowskische Stier, von Flamsteed das Herz Karls II., von Bode die Friedrichsehre, von Le Monnier das Rentier (zur Erinnerung an die lappländische Gradmessung), von Lalande die Katze und der Erntehüter (Custos Messium, zu Ehren des Kometenentdeckers Messier).

Auf den neuern Sternkarten werden meist nach dem Vorgang von Argelander die seit Hevel vorgeschlagenen Sternbilder nicht mehr eingezeichnet, und auch von den ältern pflegt man die Umrisse nur leicht anzudeuten, während ältere Kartenzeichner die Figuren sehr eingehend darstellten.

Eine Kenntnis der Sternbilder des Himmels verschafft man sich am besten mit Hilfe einer Sternkarte und zwar für den Anfang einer Übersichtskarte, auf der man, von einem bekannten Sternbild ausgehend, die hellern Sterne und Sterngruppen durch Linien verbindet, welche Konstruktion man dann am Himmel nach dem Augenmaß nachahmt (sogen. Alignement). Geht man z. B. von dem auffälligen Sternbild des Wagens (Großen Bären) aus, und verlängert man die durch die beiden Hinterräder (die Sterne β und α) gezogene Linie nach obenhin um das Fünffache, so trifft man auf den Polarstern im Kleinen Bären, welcher wieder ungefähr in der Mitte zwischen dem Stern α des Großen Bären und dem Stern β der Cassiopeja liegt, deren fünf Hauptsterne ein flaches W bilden, woran man sie leicht erkennt. Verlängert man dagegen den durch die Sterne ε, ζ und η des Großen Bären angedeuteten Bogen, so gelangt man zu dem Stern Arcturus im Bootes, etc. Hat man auf diese Weise die hellern Sterne, etwa bis zu dritter Größe, kennen gelernt, so sucht man mit Hilfe einer speziellern Sternkarte auch die kleinern auf.

Den Gebrauch unsrer Sternkarte erleichtert das umstehende Register.




Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 6. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 320b. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b6_s0320b.jpg&oldid=- (Version vom 27.5.2022)