Seite:Meyers b7 s0184.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7

Gernrode, Stadt und Luftkurort im Herzogtum Anhalt, Kreis Ballenstedt, 215 m ü. M., am Fuß des Stubenbergs und an der Linie Quedlinburg-Ballenstedt der Preußischen Staatsbahn, mit Zündhölzer- und Gewehrfabrikation und (1885) 2533 evang. Einwohnern. G. war eine vom Markgrafen Gero um 960 gestiftete reichsfürstliche Frauenabtei (ursprünglich Benediktiner-Nonnenkloster), die 1610 eingezogen ward. Die noch vorhandene Stifts- oder Cyriakikirche (mit dem Grabmal Geros) ist als ein vollkommenes Bild des ältesten romanischen Baustils architektonisch merkwürdig und 1858–74 mit einem Kostenaufwand von 400,000 Mk. restauriert worden. Der älteste Teil dieser Kirche, deren Bau bereits unter Heinrich I. begonnen, aber erst nach dessen Tod 937 vollendet wurde, ist noch heute als östliche Krypte vorhanden, an welche im 12. Jahrh. ein bedeutender Erweiterungsbau und im südlichen Seitenschiff die merkwürdige Heilige Grab-Kapelle angefügt wurden. Vgl. v. Heinemann, Die Stiftskirche zu G. (Bernb. 1864).

Gernsbach, Stadt im bad. Kreis Baden, Amtsbezirk Rastatt, 211 m ü. M., an der Murg, Endstation der Zweigbahn Rastatt-G., hat ein Amtsgericht, eine evangelische und eine kath. Pfarrkirche, ein altes Rathaus, wichtigen Holzhandel, Cellulose-, Tapeten-, Konserven- und Bijouteriewaren-Fabrikation und (1885) 2663 Einw. (darunter 1180 Evangelische). Die Stadt hat auch ein Kiefernadelbad und ist ein beliebter Luftkurort. G. gehörte ehemals den Grafen von Eberstein, kam 1803 an Baden und war 29. Juni 1849 Schauplatz eines Gefechts. Oberhalb auf einem Felsen das Schloß Neu-Eberstein.

Gernsheim, Stadt in der hess. Provinz Starkenburg, Kreis Groß-Gerau, am Rhein und an der Eisenbahn Darmstadt-Hofheim der Hessischen Ludwigsbahn, hat ein Amtsgericht, eine schöne kathol. Kirche, Wälle und Gräben, ein Denkmal Peter Schöffers, der hier geboren war, Stärkefabrikation, Dampfmühlen, Schiffahrt, einen guten Rheinhafen, besuchte Wochenmärkte und (1885) 3562 meist kathol. Einwohner. In der Nähe die Kapelle Mariä Einsiedel, wohin alljährlich 2. Juli eine große Wallfahrt stattfindet. – G. kommt schon 773 vor, besaß einen Königshof, der zu Ende des 9. Jahrh. vom Erzbischof von Mainz dem Kloster Lorsch überlassen wurde und im 13. Jahrh. an Kurmainz zurückfiel. G. erhielt 1356 Stadtrechte und war 1465–1502 an Katzenelnbogen und Hessen verpfändet; 1689 ward es von Melac zerstört, 1802 wurde es von Kurmainz an Hessen abgetreten.

Gernsheim, Friedrich, Komponist, geb. 17. Juli 1839 zu Worms, wurde seit 1849 in Frankfurt a. M. durch Rosenhain im Klavierspiel und von J. C. Hauff in der Komposition unterrichtet und vollendete seine Ausbildung von 1852 an im Konservatorium zu Leipzig. 1861 nach Saarbrücken als Musikdirektor berufen, wirkte er hier bis 1865, worauf er die Stelle eines Lehrers der Komposition und des Klavierspiels am Konservatorium in Köln annahm. Hier zeichnete er sich auch als Komponist, besonders für Kammermusik, aus und bewährte sich als Dirigent verschiedener Gesangvereine. Nach Bargiels Weggang von Rotterdam (1874) wurde G. an dessen Stelle dahin berufen. Von seinen Kompositionen, welche durchweg den gewandten Tonsetzer erkennen lassen, sind anzuführen: eine Symphonie, zwei Klavierquartette, eine Violin- und eine Violoncellsonate, ein Streichquartett, ein Klavierquintett, ein Klavierkonzert, kleinere Klavierstücke und die Chorwerke: „Salve regina“, „Salamis“, „Wächterlied“, „Römische Leichenfeier“ (für Männerchor und Orchester) u. a.

Gero, Markgraf und Herzog der Ostmark, um 900 geboren, aus einem vorher unbekannten sächsischen Geschlecht, wurde im J. 937 vom Kaiser Otto d. Gr. nach dem Tode des Grafen Siegfried mit der Grenzwacht gegen die Slawen betraut. Er verband ein ungewöhnliches kriegerisches Talent mit hoher Einsicht und Thatkraft, war ein treuer Anhänger Ottos I. und wurde der eigentliche Begründer der deutschen Herrschaft jenseit der Elbe; die Bekämpfung der Slawen sah er als seine Lebensaufgabe an. In stetem, mit List und Waffen geführtem Kampfe faßte er allmählich festen Fuß zwischen Elbe und Oder und schlug alle oft wiederholten Empörungsversuche der Slawen nieder. So entstand durch ihn rechts von der Mittelelbe eine ausgedehnte Grenzmark, der Limes sorabicus. G. selbst wird als dux et marchio bezeichnet. 963 drang er noch über die Oder hinaus vor und nötigte auch die Polen zur Anerkennung der deutschen Oberhoheit und zur Tributzahlung; darauf pilgerte er nach Rom und legte sein Schwert auf dem Altar Petri nieder. Bald nach seiner Rückkehr starb er, 20. Mai 965; seine ganze Habe vermachte er dem auf einem seiner Erbgüter gestifteten Kloster Gernrode (s. d.) am Harz, wo er auch begraben wurde. Noch lange wurde der gefürchtete Slawenbesieger in Lied und Sage gefeiert. Der „marcgrave Gêre“ im Nibelungenlied mag von ihm den Namen erhalten haben. Sein weites Amtsgebiet wurde nach seinem Tod in sechs Marken geteilt. Vgl. Leutsch, Markgraf G. (Leipz. 1828); O. v. Heinemann, Markgraf G. (Braunschw. 1860).

Gerok, Karl, Kanzelredner und religiöser Dichter, geb. 30. Jan. 1815 zu Vaihingen an der Enz in Württemberg, zeichnete sich schon auf der Schule in Stuttgart durch poetische Arbeiten aus, zu denen ihn vorzugsweise G. Schwab anregte, studierte dann Theologie und wurde erst Predigergehilfe seines Vaters, dann Repetent am Tübinger Seminar und 1849 Prediger in Stuttgart, wo er 1868 zum Oberhofprediger, Oberkonsistorialrat und Prälaten ernannt wurde. Als Dichter hat er sich in weitern Kreisen besonders durch seine „Palmblätter“ (Stuttg. 1857, 51. Aufl. 1884) bekannt gemacht, eine Sammlung geistlicher Gedichte, welche Bibelstellen poetisch erläutern; eine neue Folge erschien 1878. Ähnlich behandeln die „Pfingstrosen“ (Stuttg. 1864; 8. Aufl., Gütersl. 1884) die Apostelgeschichte. Die Gedichte sind reich an poetischen Anschauungen, im Ausdruck schwungvoll, nur oft zu rhetorisch. Weltlichen Inhalt haben die „Blumen und Sterne“ (Stuttg. 1868, 8. Aufl. 1880), deren neue Folge unter dem Titel: „Letzter Strauß“ (2. Aufl., das. 1884) erschien, und die patriotischen Dichtungen: „Deutsche Ostern“ (das. 1871, 6. Aufl. 1883) und „Eichenlaub“ (Berl. 1871). Außer mehreren Predigtsammlungen, welche wiederholte Auflagen erlebten („Evangelienpredigten“, 7. Aufl., Stuttg. 1879; „Epistelpredigten“, 6. Aufl. 1880; „Pilgerbrot“, 3. Aufl. 1877; „Hirtenstimmen“, 2. Aufl. 1882, u. a.), veröffentlichte G. auch noch andre erbauliche Schriften von kirchlich-konservativer Tendenz: „Das Gebet des Herrn in Gebeten“ (5. Aufl., Stuttg. 1883); „Von Jerusalem nach Rom. Die Apostelgeschichte in Bibelstunden“ (2. Aufl., das. 1882) sowie „Jugenderinnerungen“ (Leipz. 1875). Für Langes Bibelwerk bearbeitete er mit Lechler die Apostelgeschichte (4. Aufl., Bielef. 1881). Auch gab er Paul Gerhardts „Geistliche Lieder“ (3. Aufl., Leipz. 1883), Luthers „Geistliche Lieder“ (Stuttg. 1882) u. a. heraus.

Gerokomie (griech.), Lehre vom diätetischen Verhalten für Greise, Greisenpflege. Gerokomion oder

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b7_s0184.jpg&oldid=- (Version vom 29.4.2021)