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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

Frühling 1800 ein zweites Mal mit der Tochter des Berghauptmanns Charpentier. Bald darauf wurde er zum Amtshauptmann in Thüringen designiert, konnte aber sein Amt nicht antreten, da er, von Jugend auf kränklich, langsam hinsiechte. Er starb 25. März 1801 in Weißenfels. Schon in Weißenfels war er mit dem Kreis der romantischen Dichter (Schlegel, Tieck etc.), welche damals in Jena lebten, in engern Verkehr getreten. Ein Mensch von seltener Seelenreinheit, ein phantasiereicher und tiefsinniger Theosoph, der als der „Prophet der romantischen Schule“ bezeichnet wird, hat es H. mit der Absicht, Leben und Poesie, Wissenschaft und Religion in eins zu schmelzen, so ernst genommen wie keiner der übrigen Romantiker. Sein Roman „Heinrich von Ofterdingen“ (hrsg. von J. Schmidt, Leipz. 1876), obschon unvollendet geblieben, legt davon Zeugnis ab. Er stellte sich darin die Aufgabe, „mit dem Geiste der Poesie, alle Zeitalter, Stände, Gewerbe, Wissenschaften und Verhältnisse durchschreitend, die Welt zu erobern“. Das Ganze sollte eine Apotheose der Poesie sein. Allein bei der Ausführung versagte ihm die darstellende Kraft und so, wie der Roman vorliegt (nur der erste Teil ist vollendet), treibt er bei schönen Einzelheiten (wir erinnern an die eingestreuten Lieder und die Schilderung von Heinrichs und Mathildens Liebe) ein unerquickliches Versteckenspielen mit der „blauen Blume“ der Poesie, ohne daß man ihren Farbenglanz und Duft jemals recht zu genießen bekommt. Bei H. ist alles in ein dunstiges Dämmerlicht gehüllt; er wendet sich vom hellen und geräuschvollen Tag weg zur Nacht, die er in mystisch-tiefen Hymnen so schön feiert. Am reinsten spricht sich des Dichters Wesen und seine christliche, nicht kirchlich bedingte Richtung in den „Geistlichen Liedern“ aus, dem Einzigen, was er fertig und vollendet hinterlassen hat. Seine „Sämtlichen Schriften“ gaben L. Tieck und Fr. Schlegel heraus (Berl. 1802, 2 Bde.; 5. Aufl. 1838; Bd. 3, 1846); die „Gedichte“ erschienen besonders (das. 1857; hrsg. von Beyschlag, 3. Aufl., Leipz. 1885). Vgl. „Friedrich v. H., genannt Novalis. Ein Nachlaß aus den Quellen des Familienarchivs“ (2. Aufl., Gotha 1883); „Novalis’ Briefwechsel mit Friedrich und Aug. Wilh., Charlotte und Karoline Schlegel“ (hrsg. von Raich, Mainz 1880).

Harderwijk (spr. -weik), Stadt in der niederländ. Provinz Geldern, an dem Zuidersee, hat einen Hafen mit Leuchtturm, ein früher berühmtes Gymnasium (das Nassau-Veluwsche), eine Kaserne für das koloniale Werbedepot, einige Fabriken, Schiffahrt, Fischerei, Heringsräucherei und (1883) 7139 Einw. Die 1648 hier gestiftete Universität wurde 1811 aufgehoben. H. ward 1674 von den Franzosen besetzt.

Hardesvögte, in Dänemark Verwaltungsbeamte, welche über die sogen. Herreder oder Harden, Unterabteilungen der Ämter, gesetzt sind. Sie stehen unter den Amtmännern, welch letztere wiederum den Stiftsamtmännern untergeordnet sind.

Hardheim, Marktflecken im bad. Kreis Mosbach, an der Erfa, hat ein Schloß (jetzt Schulhaus), bedeutende Rotgerberei und Fabrikation landwirtschaftlicher und Müllereimaschinen, Sandsteinbrüche und (1885) 2151 meist kath. Einwohner.

Hardiesse (franz., spr. ardjä́ß), Beherztheit, Kühnheit; Dreistigkeit.

Harding, Karl Ludwig, Astronom, geb. 29. Sept. 1765 zu Lauenburg, studierte Theologie und kam als Hauslehrer zu dem durch seine astronomische Thätigkeit bekannten Oberamtmann Schröter in Lilienthal bei Bremen, wandte sich darauf dem Studium der Astronomie zu und wirkte 1800–1805 an Schröters Sternwarte als Inspektor. Hier entdeckte er 1804 die Juno. 1805 wurde er als Professor der Astronomie nach Göttingen berufen, wo er 31. Aug. 1834 starb. Sein Hauptwerk ist der epochemachende „Atlas novus coelestis“ (Götting. 1808–23; neu hrsg. von Jahn, 1856) mit 120,000 Sternen auf 26 Blättern, der erst durch die Argelanderschen Karten an Vollständigkeit übertroffen wurde.

Hardinge (spr. hārding), Henry, Viscount, brit. General und Staatsmann, geb. 30. März 1785, trat schon im 13. Lebensjahr als Fähnrich in die Armee und schwang sich bald durch Tapferkeit und militärisches Talent empor. 1808 beim Generalstab des neugebildeten portugiesischen Heers angestellt, zeichnete er sich in der Schlacht von Vimiera und in zahlreichen andern Kämpfen aus, überschritt, obgleich bei Vittoria verwundet, doch mit Wellington die Pyrenäen und wirkte zu dem Sieg bei Orthez mit. Im Feldzug von 1815 wurde H. als englischer Kommissar der Blücherschen Armee beigegeben, verlor bei Ligny den linken Arm und ward zum Obersten befördert. 1820 trat er auf Veranlassung der Tories, mit welchen ihn seine Heirat mit einer Schwester Castlereaghs in Verbindung gebracht, für Durham ins Parlament, und 1823 erhielt er den Posten eines Sekretärs beim Feldzeugamt. Als Wellington 1828 Premierminister wurde, ernannte er H. zum Kriegssekretär und 1830 zum Obersekretär für Irland; in demselben Jahr avancierte H. auch zum Generalmajor. Die Auflösung des Ministeriums Wellington brachte ihn zwar um sein Amt, doch bekleidete er dasselbe unter Peel vom Dezember 1834 bis zum April 1835 zum zweitenmal und 1841 zum drittenmal. 1842 erfolgte seine Beförderung zum Generalleutnant. Nach der Abberufung Lord Ellenboroughs wurde er 1844 Generalgouverneur von Ostindien, wo er den ersten Pandschabkrieg mit Glück zu Ende führte. Bei der Ratifizierung des Friedens von Lahor ward er zum Viscount von Lahor erhoben und erhielt von der Direktion der Ostindischen Kompanie einen lebenslänglichen Jahrgehalt von 5000 Pfd. Sterl. 1848 kehrte er nach England zurück, nahm seinen Sitz im Oberhaus ein und wurde im März 1852 zum Generalfeldzeugmeister, 1854 zum Oberbefehlshaber der ganzen britischen Armee und 2. Okt. 1855 zum Feldmarschall ernannt. Er legte indes bald darauf seiner zerrütteten Gesundheit wegen seine Ämter nieder und starb 24. Sept. 1856 zu South-Park in Kent. Sein Titel ging auf seinen Sohn Charles Stewart, Viscount H., geb. 12. Sept. 1812, über.

Hardouin (spr. ardŭäng), Jean, gelehrter Jesuit, geb. 1646 zu Quimper in der Bretagne, trat in seinem 20. Jahr in den Jesuitenorden, ward zu Paris Bibliothekar und Lehrer der dogmatischen Theologie und starb 3. Sept. 1729. Außer der Theologie beschäftigte er sich namentlich mit den alten Sprachen der Archäologie, Numismatik, Chronologie, Geschichte und Philosophie. Seine zahlreichen Schriften zeichnen sich durch Gelehrsamkeit und Neuheit der Ideen sowie durch Paradoxien aus. So hielt er fast alle Werke des klassischen Altertums, mit Ausnahme der Schriften des Cicero, der Naturgeschichte des Plinius, der Georgica des Vergil, der Satiren und Episteln des Horaz, für untergeschobene Produkte von Mönchen des 13. Jahrh. Dasselbe behauptete er von allen Konzilsakten vor dem Tridentinum, ja selbst von der griechischen Übersetzung des Alten und der griechischen Urschrift des Neuen Testaments. Von seinen Schriften nennen wir die Ausgaben des Themistios (griech.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0156.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2022)