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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

Hiërŏkles, 1) röm. Statthalter von Bithynien, später von Alexandria, zu Ende des 3. und Anfang des 4. Jahrh. n. Chr., forderte den Kaiser Diocletianus zu der Verfolgung der Christen auf, welche 302 stattfand, und verfaßte zur Verteidigung dieser Maßregel eine besondere Schrift, die aber nur noch aus einer Gegenschrift des Eusebios bekannt ist.

2) Lehrer der eklektischen Philosophie, Schüler des Plutarch von Athen, um 450 zu Alexandria lebend, suchte gleich andern Neuplatonikern zwischen Platon und Aristoteles Übereinstimmung zu erkünsteln und die Platonische Philosophie aus uralten Quellen abzuleiten. Außerdem soll er einen philosophischen Kommentar zu den „Goldenen Sprüchen“ des Pythagoras (hrsg. von Mullach, Berl. 1853; deutsch von Schultheß, Zür. 1778) geschrieben haben. Eine unter seinem Namen erhaltene Sammlung von spaßhaften Einfällen und Schnurren, betitelt: „Asteia“ (hrsg. von Koraïs, Par. 1812, und als „Hieroclis et Philagrii facetiae“ von Eberhard, Berl. 1869; deutsch von Ramler, das. 1782), gehört offenbar einer spätern Zeit an. Gesamtausgaben besorgten Pearson (Lond. 1655 und 1673, 2 Tle.) und Needham (Cambr. 1709).

3) Griech. Grammatiker, lebte um 530, nach andern später. Er lieferte ein Städteverzeichnis des byzantinischen Reichs unter dem Titel: „Synekdemos“, herausgegeben von I. Bekker (Bonn 1840), Tafel (Tübing. 1846) und Parthey (Berl. 1866).

Hiërokratīe (griech.), Priesterherrschaft; gewöhnlich als gleichbedeutend mit Hierarchie (s. d.) genommen, eigentlich insofern davon verschieden, als es die kirchliche Regierungsform, während Hierarchie mehr die kirchliche Herrschaft bezeichnet. Eine besondere Art der H. ist die Theokratie (s. d.).

Hiërologie (griech.), im allgemeinen jede von heiligen Gegenständen handelnde Rede; auch einzelner Ausspruch religiöser Art, z. B. der Segensspruch des Geistlichen bei der Kopulation.

Hiëromantīe (griech.), s. Hieroskopie.

Hiëromnemōnen (griech.), die Vertreter der Bundesstaaten bei den Versammlungen des Amphiktyonenbundes, welche die Opfer darzubringen hatten (s. Amphiktyonen).

Hiëromonăchos (griech.), Mönch von priesterlicher Würde, im Gegensatz zum Laienbruder oder gemeinen Mönch.

Hiëron (Hiëro), 1) H. I. (der ältere), König von Syrakus, Bruder des Gelon, der ihn, als er 485 v. Chr. die Herrschaft von Syrakus übernahm, in Gela zum Regenten einsetzte, folgte Gelon 478 auch in Syrakus und erhob sich durch seine Klugheit und Tapferkeit zum mächtigsten Fürsten Siziliens. 477 führte er einen Krieg mit Theron, dem Tyrannen von Agrigent, der aber durch einen Vergleich beendet wurde, nachdem H. seinen Gegner von einem in Himera gegen ihn beabsichtigten Aufstand in Kenntnis gesetzt hatte. 472 aber besiegte und vertrieb er Thrasydäos, den Sohn und Nachfolger Therons, worauf Agrigent in ein Bundesverhältnis zu ihm trat. Ein besonders denkwürdiges Ereignis aus seiner Regierung ist der Sieg, den er 476, von den Cumäern zu Hilfe gerufen, über die Tyrrhener gewann, dessen Andenken in einem noch vorhandenen Denkmal erhalten ist. Obwohl er zur Aufrechterhaltung seiner Alleinherrschaft Grausamkeit und Gewaltthaten nicht scheute, war er doch ein Freund und freigebiger Beschützer der Dichtkunst und zog die Dichter Pindar, Simonides, Bakchylides, Epicharmos und Äschylos in seine Umgebung; der erstere hat in seinen Siegesliedern vier der von H. gewonnenen zahlreichen Siege in den Olympischen und Pythischen Spielen gefeiert. H. starb 467 in dem an der Stelle der Stadt Katane gegründeten Ätna, wo er auch (jedoch nur kurze Zeit) als Heros verehrt wurde. Vgl. Hense, De Hierone I. (Münst. 1862); Holm, Geschichte Siziliens, Bd. 1 (Leipz. 1870).

2) H. II. (der jüngere), König von Syrakus, Sohn des Hierokles, der sein Geschlecht von Gelon ableitete, nahm früh an den Feldzügen des epirotischen Königs Pyrrhos sowie an den Kämpfen der Sizilier gegen die Karthager teil. Als 270 v. Chr. in Syrakus zu gunsten der demokratischen Partei ein Aufstand ausbrach, wählte das bei Megara (Hybläa) lagernde Söldnerheer den Artemidoros und den H., nach des Polybios Zeugnis einen mit allen Anlagen zu einem tüchtigen Kriegs- und Staatsmann reichbegabten Jüngling, zu Feldherren. H. begab sich mit Hilfe der aristokratischen Partei heimlich in die Stadt, dämpfte den Aufstand und bewies bei der neuen Einrichtung der Staatsverwaltung so viel Mäßigung und Tüchtigkeit, daß ihn die Syrakusaner zum Oberfeldherrn wählten. Nachdem er darauf 269 über die Mamertiner, welche sich des benachbarten Messana bemächtigt und seitdem die Syrakusaner hart bedrängt hatten, einen glänzenden Sieg am Longanus in der Nähe von Mylä gewonnen hatte, wurde er zum König erhoben. Bei Ausbruch des ersten Punischen Kriegs verband er sich mit den Karthagern und rückte mit Heeresmacht gegen die Stadt Messana aus, kehrte aber, von den Römern geschlagen, in seine Hauptstadt zurück, worauf 263 zwischen ihm und den Römern ein Bündnis abgeschlossen ward. Er behielt die Herrschaft über den Osten Siziliens, mußte Tribut zahlen (der ihm 248 erlassen wurde) und den Römern gegen die Karthager Beistand leisten. Aber auch deren Freundschaft erlangte er durch die Unterstützung, welche er ihnen im Söldnerkrieg gewährte. Durch weise Gesetze suchte er die Ruhe seines Staats auf die Dauer zu sichern, durch Beförderung des Ackerbaues und gewerblicher Thätigkeit den Wohlstand zu heben und durch prachtvolle Bauten seine Hauptstadt zu verschönern. Auch beim Ausbruch des zweiten Punischen Kriegs hielt H. mit Treue an dem Bündnis mit den Römern fest und ließ sich auch nach der Schlacht bei Cannä weder durch die Drohungen noch durch die Versprechungen der Karthager in seiner Treue wankend machen. Unter seinen Bauwerken wird als besonders merkwürdig das mit verschwenderischer Pracht ausgestattete Schiff genannt, das er unter des berühmten Mathematikers und Mechanikers Archimedes Leitung bauen ließ und, da es wegen seiner kolossalen Größe in keinen Hafen Siziliens einlaufen konnte, dem König Ptolemäos von Ägypten schenkte. Er starb 215, fast 90 Jahre alt. Nach ihm sank die Macht von Syrakus. Vgl. Schneiderwirth, H. II. von Syrakus (Heiligenst. 1861).

Hiëronymenische Schrift, s. Glagolitika.

Hiëronymiāner, 1) Hieronymiten oder Eremiten des heil. Hieronymus, geistlicher Orden, gestiftet von italienischen Franziskanern vom dritten Orden (Tertiarier), welche bei Toledo auf Veranlassung des Portugiesen Vasco und mit Hilfe des Kammerherrn Peter Ferdinand Pecha Einsiedeleien anlegten. Der Orden erhielt 1373 die päpstliche Bestätigung, unterwarf sich Augustins Regeln und entfaltete in den Hauptklöstern zu Guadalupe, San Yuste etc. außerordentliche Pracht. Er hat sich erhalten in Spanien und Amerika. Die Hieronymitinnen, Einsiedlerinnen des heil. Hieronymus, sind eine

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0523.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2021)