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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

kehrt sofort, nachdem das Einschieben vollendet ist, wieder in ihre Gleichgewichtslage zurück. Zieht man aber jetzt die Rolle B rasch wieder heraus, so zeigt die Magnetnadel, indem sie nach der entgegengesetzten Seite ausweicht und sogleich wieder in die Ruhelage zurückkehrt, an, daß in der Drahtrolle A ein kurz dauernder elektrischer Strom erregt wurde, welcher mit dem erregenden Strom gleichgerichtet ist. Da gleichgerichtete Ströme sich gegenseitig anziehen, entgegengesetzte sich aber abstoßen (s. Elektrodynamik), so ergibt sich aus diesem Versuch, daß, wenn ein galvanischer Strom in der Nähe eines in sich geschlossenen Leiters bewegt wird, in letzterm jedesmal ein Strom entsteht, welcher die Bewegung des erstern zu hemmen trachtet. Durch das abwechselnde Hineinschieben und Herausziehen der vom „induzierenden“ Strom, welchen man auch den primären oder Hauptstrom nennt, durchflossenen Hauptrolle B in die Nebenrolle A wird bewirkt, daß in dem Hohlraum der letztern ein Strom abwechselnd entsteht und wieder verschwindet.

Fig. 2. Wagnerscher Hammer.

Derselbe Erfolg wird aber viel bequemer erreicht, wenn man die Hauptrolle ein für allemal in der Nebenrolle stecken läßt und nun den Hauptstrom abwechselnd schließt und öffnet. Beim Schließen des Hauptstroms entsteht alsdann in der Nebenrolle der dem Hauptstrom entgegengesetzte Schließungsstrom, beim Öffnen der ihm gleichgerichtete Öffnungsstrom. Diese beiden sekundären oder Nebenströme („Induktionsströme“) veranlassen die Galvanometernadel zu entgegengesetzten, aber gleichen Ausschlägen und sind sonach von gleicher Stärke. Das Schließen und Öffnen des Hauptstroms kann, wie in Fig. 1, durch ein Quecksilbernäpfchen bewirkt werden, welches mit dem einen Ende (c) des Hauptdrahts verbunden ist, indem man den vom einen Pol p des galvanischen Elements kommenden Poldraht in dasselbe eintaucht und wieder herauszieht, während der zweite Poldraht mit dem andern Ende (d) der Hauptrolle verbunden bleibt. Um in der Nebenrolle eine rasche Aufeinanderfolge abwechselnd entgegengesetzt gerichteter Induktionsströme zu erhalten, muß man dafür sorgen, daß der Hauptstrom schnell hintereinander unterbrochen und wieder geschlossen werde. Hierzu bedient man sich am besten selbstthätiger Unterbrechungsvorrichtungen (Rheotome). Eine solche ist z. B. das Blitzrad (s. d.) von Neeff; ein selbstthätiges und in jeder Hinsicht vollkommneres Rheotom ist der in Fig. 2 dargestellte magnetische (Wagnersche) Hammer; der Strom geht vom galvanischen Element zur Klemmschraube a, durch einen Metallstreifen zur Messingsäule b, durch die Platinspitze c auf ein kleines Platinblech, welches auf die Messingfeder p gelötet ist, und von hier in die Messingsäule d, von welcher ein Draht nach der Hauptrolle führt; nachdem er diese durchlaufen, kehrt er über e zurück, umkreist die Drahtwindungen des Elektromagnets M und fließt über f nach dem negativen Pol des galvanischen Elements. Sobald aber der Strom durch die Windungen des Elektromagnets fließt, wird dieser magnetisch, zieht den auf der Messingfeder oo befestigten eisernen Anker n an und bewirkt durch Herabbiegen der Feder oo eine Unterbrechung des Stroms bei der Platinspitze c. Infolgedessen erlischt der Magnetismus der Eisenkerne des Elektromagnets M, die Feder oo schnellt wieder zurück, stellt die Schließung bei c wieder her, worauf sich das nämliche Spiel unter raschen Schwingungen der Feder wiederholt. Der Hauptstrom erregt bei seinem Beginnen und Aufhören nicht nur in der Nebenrolle, sondern auch in der Hauptrolle selbst, indem jede Windung des Hauptdrahts auf die benachbarten Windungen wirkt, Induktionsströme, welche man Extraströme nennt. Da der beim Schließen der Hauptrolle entstehende Extrastrom oder der Gegenstrom dem Hauptstrom entgegengesetzt gerichtet ist, so schwächt er ihn und bewirkt, daß derselbe nach der Schließung nicht plötzlich, sondern nur allmählich seine volle Stärke erreicht; beim Öffnen des Hauptstroms dagegen kann der mit ihm gleichgerichtete Extrastrom nur dann zu stande kommen, wenn neben der nun unterbrochenen Leitung, welche das galvanische Element mit der Rolle verbindet, noch eine leitende Verbindung, eine sogen. Nebenschließung, zwischen die Drahtenden der Rolle eingeschaltet ist; ist dies nicht der Fall, so entsteht dieser Extrastrom gar nicht, und der Hauptstrom erlischt beim Öffnen plötzlich. Die Vorgänge in der Hauptrolle sind demnach beim Schließen und beim Öffnen wesentlich verschieden; während bei der Schließung die Stromstärke innerhalb einer gewissen Zeit von Null an bis zu ihrer vollen Stärke allmählich zunimmt, sinkt sie beim Öffnen plötzlich oder doch innerhalb äußerst kurzer Zeit von der vollen Stärke auf Null herab. Da nun die induzierende Wirkung der Hauptrolle auf die Nebenrolle nur so lange dauert, wie die Stärke des Hauptstroms sich ändert, so ist der Verlauf des bei Unterbrechung des Hauptstroms auftretenden Nebenstroms oder des Öffnungsstroms auf eine äußerst kurze Zeit zusammengedrängt, wogegen der Schließungsstrom eine zwar auch sehr kurze, aber doch vergleichsweise beträchtlich längere Dauer besitzt.

Faßt man jeden Poldraht einer hinreichend starken galvanischen Batterie mit einer Hand an, um den Strom durch den eignen Körper zu leiten, so empfindet man eine Zuckung in dem Augenblick der Schließung des Stroms; dagegen bringt der mit unveränderter Stärke durch unsern Körper fließende Strom keine merkliche Empfindung hervor; eine erneute Zuckung tritt aber ein, sobald der Strom geöffnet wird. Auf unsre Nerven wirkt also nicht der unveränderte Strom erregend ein, sondern sein Beginnen oder Aufhören oder überhaupt die Veränderung der Stromstärke ist es, welche die Zuckung hervorruft, und zwar ist die Wirkung um so bedeutender, je jäher diese Veränderung eintritt. Hieraus erklärt es sich, warum der Entladungsschlag einer Leidener Flasche (s. d.) so heftig empfunden wird; die an sich sehr geringe in der Flasche angesammelte Elektrizitätsmenge entlädt sich nämlich in äußerst kurzer Zeit und stellt sonach einen elektrischen Strom dar, welcher

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 932. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0932.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2021)