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Die Preise für Lebensmittel steigen wie auf der Börse. Hie und da bringt noch eine Bäuerin ein Huhn zu Markt. Sie bekommt 20 K und mehr dafür. Neulich hat ein Offizier eine Ente mit 72 K bezahlt. Trotz der enormen Preise greift jeder gierig danach und überbietet den anderen. Das Geld ist ganz wertlos geworden. Man zahlt für ein Ferkel 500 K, für eine Kuh, wenn man irgendwo noch eine auftreibt, bis zu 1000 K.

Die Mannschaften bekommen schon seit 3—4 Wochen nur mehr Pferdefleisch. Es wird stark gewürzt, womöglich als Gulasch zubereitet, oft jedoch nur kleingehackt in die Reissuppe geschnitten. Es gibt keine kräftige Suppe, und man sagt, daß es zwar augenblicklich sättigt, aber bei weitem nicht den Nährwert von Rindfleisch besitzt. Man macht jetzt sogar schon Versuche, mit Pferdeschmalz die Mannschaftskost zuzubereiten.

Die Offiziersmessen sind noch halbwegs versehen. Die meisten haben sich vor der ersten Belagerung einen Hühnerhof eingerichtet und halten auch Kälber und Schweine, wenn auch nur ein paar Stück.

Przemysl, den 19. Jänner 1915,
     am 73. Tag der 2. Belagerung.

Das war gestern wieder ein aufregender Tag. Den ganzen Tag ließen uns die russischen Flieger nicht zur Ruhe kommen. Es war ein prachtvoller, klarer, sonniger Tag, windstill, zum Bombenwerfen wie geschaffen.

Ich war vormittags auf dem Schloßberg, und gerade wie ich mich auf den Heimweg mache, höre ich zu wiederholten Malen den bekannten, kurzen, scharfen Knall vom Tartarenhügel herüber. Wir kennen das

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/114&oldid=- (Version vom 1.8.2018)