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bei den Deckungstruppen am Fortgürtel. Er erzählte sehr heiter von seinem Leben draußen im Unterstand.

„Wie sind Sie denn untergebracht?“ fragten die Schwestern.

„Untergebracht? — O glänzend! Wir haben ein Schlafzimmer, einen Speisesaal, ein Musikzimmer, ein Badezimmer, ein Kino,“ schwärmte der Leutnant. „Ja, ja, lächeln Sie nicht, meine Herrschaften, Sie scheinen das für einen guten Scherz zu halten!“ fuhr er gekränkt fort. „Unser Unterstand ist das Wunder aller Unterstände! Alle Räume sind hoch und licht — ein Offizierskasino unter der Erde, versichere ich Sie — breite moderne Fenster, Oberlicht, die Wände mit Holz verkleidet. Jeder Offizier hat sein Schlafzimmer mit einem richtigen Bett, ja sogar mitunter noch mit einem Diwan eingerichtet. Und der Hauptmann“, fuhr er begeistert fort, „hat sogar ein Klavier, ein richtiggehendes Klavier, verstehen Sie ?“

„Wie konnten Sie es nur hinunterschleppen? Sind Sie damit nicht stecken geblieben?“ fragte kritisch eine Schwester.

„Stecken geblieben — stecken geblieben!! Sie muten uns eine bedauerliche Enge der Verhältnisse zu, liebe Schwester! Dieses Klavier ist aus einer leerstehenden Fabrik ausgeliehen. Wir brauchen es unbedingt als Begleitung zu unseren Kinovorstellungen.“

„Kinovorstellungen — ?“

„Ja, ja, Kinovorstellungen! Sehen Sie, wenn man nicht allzuviel gegessen hat, ist der Geist dafür um so reger. Wir hängen vor eine Azetylenlaterne ein weißes Leintuch — so besonders weiß muß es ja nicht gerade sein, und dann haben wir Ideen — Ideen —.“

„Sagen Sie, lieber Leutnant, gibt denn dieses Unglücksklavier noch einen Ton von sich?“ fing die kritische

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/117&oldid=- (Version vom 1.8.2018)